Frage an Karl-Heinz Brunner von Birgit D. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrter Herr Brunner,
mit Fassungslosigkeit habe ich gerade gelesen, dass Sie auch für die Verlängerung der betäubungslosen Ferkelkastration gestimmt haben. Das ist ein Skandal. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass auch die SPD eine Tierquäler-Partei ist. Das ging schon mit dem Koalitionsvertrag los, indem sich die SPD gemeinsam mit CDU/CSU darauf geeinigt hat, Tierschützer, die in Ställe „einbrechen“ (um Missstände aufzudecken!), härter bestrafen zu wollen. Im September hat die SPD zusammen mit CDU/CSU zwei verschiedene Anträge von FDP und Grünen zu Verschärfungen bei Tiertransporten abgelehnt. Und nun diese unselige Fristverlängerung!
Genau dieses "Weiter-So-für-die-Wirtschaft-koste-es-was-es-wolle" ist der Grund dafür, dass der SPD die Wähler in Scharen weglaufen.
Bitte erläutern Sie mir Ihre ganz persönlichen Beweggründe, warum Sie dafür gestimmt haben, dieses qualvolle Prozedere beibeahlten zu wollen.
Und kommen Sie mir nicht mit einer vorformulierten Textwüste von Ihrem SPD-Kollegen Rainer Spiering. Und auch nicht mit dem Totschlagargument Arbeitsplätze (ich weiß, eine makabre Wortwahl in Zusammenhang mit dem sensiblen Thema Tierschutz). Wenn Geschäftsgrundlagen ethisch nicht vertretbar sind und zu gesundheitlichen Gefahren von Mensch, Tier und Umwelt führen, dürfen Arbeitsplätze kein Argument mehr sein.
Mich interessiert wirklich, ob Sie als Politiker noch Empathiefähigkeit für andere Lebewesen haben, und wie Sie persönlich zum Thema Tierschutz stehen.
Mit freundlichen Grüßen,
B. D.
Sehr geehrte Frau D.,
ich verstehe Ihren Ärger - dennoch wehre ich mich gegen das Bild, "als Politiker" verliere man seine Empathie oder ähnliches. Ich verstehe sehr gut, dass vieles, was in Berlin oder anderswo in der Politik vor sich geht nur schwer nachvollziehen kann. Auch, weil "wir" als Politiker es oft nicht gut genug erklären. Aber grundsätzlich dürfen Sie sich sicher sein, dass auch mich solche Themen umtreiben, mir das Wohl zum Beispiel der Ferkel nicht egal ist. Ich muss aber, wie auch meine Partei und meine Fraktion, nach Mehrheiten zum Regieren suchen, anders bekomme ich gar nichts durchgesetzt oder verbessert.
Ich möchte Ihnen meine Stellungnahme hier zukommen lassen, die ich auch mit der Abstimmung abgegeben habe:
Der eingebrachte Entschließungsantrag ist mit den durch die SPD hineinverhandelten Punkten - grundsätzlich - ein Gewinn für den Tierschutz. Die Änderung des Tierschutzgesetzes mit einer Fristverlängerung zur betäubungslosen Ferkelkastration entspricht diesen Zielen jedoch noch nicht.
Leider lassen sich die Fehler der Vergangenheit, bei der es das CSU-geführte Bundeslandwirtschaftsministerium unterlassen hat für Rahmenbedingungen zu sorgen, die in der Ferkelaufzucht tierschutzgerechte Alternativen zulassen, nicht schnell korrigieren.
Meines Erachtens trifft dies aber eigentlich nicht den Kern der bevorstehenden Fragestellung, die doch lauten muss, ob eine Fristverlängerung der betäubungslosen Ferkelkastration wirklich notwendig ist bzw. ob eine kürzere Frist nicht auch möglich wäre.
Gesetze haben auch eine legitimierende Ausstrahlung. Wirtschaftliche Gründe dürfen deshalb keine Begründung sein, tierschutzrechtliche Schmerzfreiheit „auszusetzen“. Die Beseitigung der rechtlichen Erlaubnis der betäubungsfreien Ferkelkastration kann und muss offensiv auch an den Großhandel gerichtet werden. Erst und nur dann ist auch hier mit einer sich ändernden Haltung gegenüber immunokastrierten- oder Ebermast-Schweinen zu rechnen.
Notwendig ist eine gesetzliche „Ächtung“ der betäubungslosen Ferkelkastration, statt deren gesetzlich fortgesetzte Legitimation. Daher stimme ich bei dem Entwurf des Vierten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes nur zu, weil ich erwarte, dass nach Ablauf dieser Frist dies in Gesetzesform gegossen wird.
Das ist nicht zufriedenstellend. Es ist aber der bestmögliche Fortschritt, den ich momentan für erreichbar erachtet habe. Darum habe ich zugestimmt.
Herzlichst
Karl-Heinz Brunner