Frage an Karl-Heinz Brunner von Alexander L.
Sehr geehrter Dr. Brunner,
könnten sie bitte ausreichend darstellen wie sie zu der Entscheidung gelangten mit JA, also für den Einsatz der Bundeswehr zu stimmen. Völlig davon abgesehen was unsere Truppen am Ende zu den Kampfhandlungen beitragen, würde ich gern wissen warum sie glauben, Terror mit Bomben besiegen zu können?
Diverse wissenschaftliche Studien belegen eindeutig, dass diese "legitime Form des Terrors" (Bombardements, Drohnen-Terror, Interventionen und Errichtung von Militärstützpunkten, Kontrolle der Ölförderung durch Übernahme, etc.) lediglich ein besonders fruchtbarer Nährboden für die Rekrutierung neuer Terror-Sympathisanten und radikalerer Terroristen ist. Glauben sie indes es ist keine Form von Terror wenn bei amerikanischen Drohnen-Schlägen, übrigens nur von und durch den Standort Rammstein möglich, je nach Schätzungen zwischen 80% und 93% Zivilisten sterben? Glauben sie nicht es wäre vernünftiger die Gewaltspirale zu durchbrechen und damit auch die Wurzel der Flüchtlingskatastrophe anzugehen?
Glauben sie denn nicht es wäre endlich Zeit die tatsächliche Wurzel des Übels zu benennen, namentlich den Kampf um Rohstoffe (Öl, Gas,....). Diese tauchen nämlich zufälligerweise immer in Ländern in großer Menge auf, welche durch Bomben "befriedet" werden sollen, weil dort der böse Mann regiert. Ich kann ihnen versichern wir kennen diese Geschichte nun zur Genüge.
Wie lange wollen sie noch der Flakhelfer für die Geopolitik der USA sein, nachdem diese bereits zahlreiche Kriege entgegen dem Völkerrecht führten? (Brutkasten-Lüge, Angebliche Massenvernichtungswaffen im 2. Irak Einsatz, Kosovo-Krieg, Untergang der Maddox vor Vietnam Invasion....nur ein paar Beispiele; Unabhängig von einer Beteiligung der Bundeswehr) ICH glaube Deutschland sollte endlich Erwachsen werden! Wenn man wirklich aus den Gräueltaten des WK II gelernt hat sollte man wissen wozu kontinuierliches Wegschauen am Ende führen kann.
Ich bin gespannt und freue mich auf ihre Antwort.
Beste Grüße
Sehr geehrter Herr Lilla,
zunächst einmal möchte ich mich entschuldigen für die verspätete Antwort auf Ihre Frage zum Einsatz deutscher Streitkräfte gegen den IS in Syrien.
Ich kann Ihre Sorge und Bedenken gut nachvollziehen, möchte Ihnen jedoch zugleich erläutern, warum ich damals dem Einsatz in Syrien zugestimmt habe. Ähnlich wie sicherlich bei Ihnen, gingen dieser Entscheidung zahlreiche intensive, kontroverse Gespräche voraus mit Kolleginnen und Kollegen, mit meinen Mitarbeitern, mit Freunden und meiner Familie. Zwei Dinge sind dabei klar geworden: Erstens müssen wir militärisch etwas tun, um die Barbarei des IS zu stoppen. Zweitens wird es am Ende nicht allein die militärische Lösung sein, die den IS besiegt – das gelingt nur politisch. Meines Wissens nach ist auch niemand in der Bundesregierung der Meinung, dass der Konflikt in Syrien ausschließlich mit militärischen Mitteln gelöst werden kann.
Unser Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wirbt daher ununterbrochen für politische Verhandlungen. Es ist unabdinglich, dass alle beteiligten Parteien gemeinsam an einem Tisch verhandeln. Genau dieses Vorgehen unterscheidet sich von der Vorgehensweise im Irak und in Afghanistan. Zum meinem und des Bedauerns der Bundesregierung sind die Friedensgespräche in Genf nun zunächst einmal bis zum 25. Februar unterbrochen. Dennoch setzt sich Frank-Walter Steinmeier weiterhin für eine diplomatische Lösung ein, die eine Zukunft für Syrien ermöglicht und mehrheitlich von den Kräften im Land getragen werden kann. Doch indes teilen die UN, die EU, Russland, USA, die regionale Kräfte und unsere Bundesregierung eine Erkenntnis: Wenn wir jetzt nicht verhindern, dass der IS sich auch noch weitere Teile Syriens unter den Nagel reißt, wird nichts für einen politischen Prozess und eine bessere Zukunft übrig bleiben. Die bittere Wahrheit ist auch: ohne militärische Mittel ist der IS nicht zu besiegen. Ohne militärischen Schutz können Entwicklungshelfer nicht arbeiten.
Die rechtliche Grundlage für ein militärisches Eingreifen besteht nicht nur in der Bündnisverteidigung nach Art. 87a Abs. 2 GG in Verbindung mit der EU-Beistandsklausel (Art. 42 Abs. 7 EUV). Der UN-Sicherheitsrat hat auch mit der Resolution 2170 vom 15. August 2014, der Resolution 2199 vom 12. Februar 2015 sowie mit der Resolution 2249 vom 20. November 2015 wiederholt festgestellt, dass der IS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit darstellt. Er hat dazu aufgefordert, alle notwendigen Maßnahmen gegen den IS zu ergreifen – Deutschland übernimmt hier also eine klare Verantwortung: 1.200 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr werden daran beteiligt sein für Schutz, Aufklärung und Logistik der internationalen Koalition gegen den IS. Dazu kommen auch die UN-Mission in Mali und die Unterstützung der Peschmerga.
Die Lage vor Ort erscheint für viele Menschen unübersichtlich und zu Recht wenig optimistisch: fünf Jahre Bürgerkrieg, 300.000 Tote, 12 Millionen Flüchtlinge. Dieser Konflikt wird nicht durch die Bundeswehr oder von unseren Partnern geschürt, er existiert schon längst. Er ist in Europa angekommen in Form von vielen Menschen, die um ihr Leben zu retten geflüchtet sind oder in ihren Heimatländern keine Zukunft mehr sehen. Aber auch in Form von Terror – wir sind längst im Fadenkreuz der Dschihadisten. Die Versuchung liegt nahe, die Augen zu verschließen. Ein kategorisches Nein zu dem Einsatz hingegen ist noch kein Beitrag zur Friedenssicherung. Es wäre perfide, jetzt die Rollläden herunterzuziehen und zu hoffen, dass der Terror nur unsere Nachbarn trifft. Denn es geht dabei nicht nur um Frankreich, und unseren Nachbarn „outre-Rhin“ Beistand zu leisten. Es geht darum unsere Werte, unser Europa, unsere Freiheit zu leben. Wir sind schon längst Feind des IS und die Täter in Ankara, Beirut oder Paris meinen schon immer auch uns.
Bei all den geopolitischen Interessen, die im Syrien-Konflikt selbstverständlich eine Rolle spielen, wird allerdings leider oft vergessen, dass es das syrische Volk war, das im Rahmen des arabischen Frühlings den Mut gefunden hatte gegen einen Diktator zu demonstrieren und die freien demokratischen Verhältnisse einzufordern, die wir in Europa glücklicherweise haben.
Sehr geehrter Herr Lilla, ich habe es mir mit der Entscheidung für den Bundeswehreinsatz nicht leicht gemacht. Niemand gibt sich der Illusion hin, dass der Einsatz den Terror besiegt. Jedoch ist er – neben den bestehenden diplomatischen und politischen Anstrengungen – leider ein entscheidender Baustein zur Lösung des Konflikts. Meines Erachtens würde Nichtstun bedeuten, dem Morden weiterhin zuzuschauen.
Mit freundlichen Grüßen
Karl-Heinz Brunner