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Karl-Heinz Brunner
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Frage von Christoph S. •

Frage an Karl-Heinz Brunner von Christoph S. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Brunner.
Ich schreib an Sie, weil Sie im Justizaussuss sitzen.
Gilt das Demonstrationsrecht für alle und jeden oder wäre es eigentlich vernünftig, es für bestimmte Anliegen oder Gruppen abzuschaffen / zu verbieten / einzuschränken? Könnte man vielleicht die Landesverfassungsgerichte beauftragen, das zu beurteilen?
Halten Sie es für i.O., wenn eine genügend große Zahl an Gegendemonstranten eine Demo verhindert oder stark behindert?
Was halten Sie von einem Verbot von Gegendemonstrationen auf der geplanten Route und von großen Sicherheitsabständen?
Wenn das nächste Mal der Pfarrer gegen die Abtreibung predigt, darf dann eine Frauendemo die Fronleichnams- oder Kreuzwegprozession verhindern?
Was halten Sie von einem Sicherheitsabstand zwischen Demo und wichtigen Verkehrswegen? Darf die Bahn vertrauen, dass die Domonstranten nicht auf die Gleise laufen und ungebremmst weiterfahren oder wird jede Demo neben einer Bahnstrecke den Verkehr lahmlegen?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Strebel,

ich antworte Ihnen hiermit gerne auf Ihre Anfrage zum Versammlungs-und Demonstrationsrecht. Ganz grundsätzlich kann ich diese erstmal klar beantworten: Nein, eine Einschränkung des Demonstrationsrecht über die geltenden Regeln hinaus befürworte ich nicht.

Zu meinen Gründen: Viele Versammlungen und Demonstrationen in Deutschland missfallen großen Teilen der Bevölkerung. Manche mag man sogar als gefährlich oder an der Grenze des legal möglichen bewerten. Die aktuellen PEGIDA-Demonstrationen sind hierfür ein gutes Beispiel.

Dennoch muss eine stabile Demokratie in der Lage sein dieser Art von Versammlungen und Demonstrationen selbstbewusst zu begegnen. Dort, wo Grenzen des Rechtsstaats überschritten werden, müssen Polizei und Staatsanwaltschaft tätig werden, beispielsweise wenn der Tatbestand der Volksverhetzung besteht oder zu Gewalt aufgerufen wird. Eine grundsätzliche Unterbindung oder Verbot der Aufmärsche wären aber ein Signal von Überforderung und Angst der Demokratie – das Zugeständnis, dass sie zu viel Meinungsvielfalt nicht aushalten kann. Es wäre fatal, diese Botschaft zu senden.

Ich kann mir auch nicht vorstellen, nach welchem Prinzip „bestimmte Anliegen oder Gruppen“ ausgewählt werden sollten, für die dieses Grundrecht dann eingeschränkt würde. Alles, was uns als „zu weit rechts“ oder „zu weit links“ erscheint? Alles, was „zu extrem“ wirkt? Sie merken, da kommt man schnell zu einer gefährlichen Vermischung von juristischen und politischen Maßstäben die Willkür Tür und Tor öffnen.

Natürlich tragen die Veranstalter und Teilnehmer von Demonstrationen auch Pflichten. So muss eine Demonstration etwa beendet werden, wenn es der Versammlungsleitung nicht möglich ist eine ordnungsgemäße (insbesondere gewaltfreie) Veranstaltung umzusetzen.

Die Befürchtung von Gewalt und Ausschreitungen, ebenso wie die meist unumgänglichen Verkehrsbehinderungen sind allein aber kein Grund in das Recht auf Versammlungsfreiheit einzugreifen. Sie dürfen es auch nicht sein, schließlich würde man damit ausgerechnet friedliche Demonstranten treffen, die meist die große Mehrheit stellen. Ein Dialog zwischen friedlichen Demonstranten, Versammlungsleitung und Polizei bzw. Behörden hilft hier oft Gewalt zu verhindern und gewaltbereite Demonstranten zu isolieren. In diesem Prozess können meist auch Bedenken was beispielsweise die Beeinträchtigungen von Verkehrswegen angeht besprochen und gelöst werden.

Die Länder haben außerdem die Möglichkeit Gebiete bzw. Orte mit herausragender historischer Bedeutung festzulegen, an denen sie die politische Instrumentalisierung verhindern wollen. Meiner Kenntnis nach verhindert der Freistaat Sachsen so etwa Demonstrationen rund um die Frauenkirche in Dresden zum Jahrestag der Bombardierung der Stadt. Solche individuellen Lösungen halte ich für durchaus sinnvoll und müssen für den Einzelfall entschieden werden.

Diese individuelle Abstimmung gilt auch für die Veranstaltung von Gegendemonstrationen. Gerade sie sind immens wichtig die Vielfalt an Meinungen und Einstellungen in unserem Land sichtbar zu machen. Wie fatal wäre es, wenn es neben den Bildern von PEGIDA nicht auch die Bilder der bunten und weltoffenen Gegen-Veranstaltungen geben würde.

Sicherlich erhöhen Demonstration und Gegen-Demonstration, die zeitgleich ablaufen die Gefahr von Zusammenstößen insbesondere der gewaltbereiten Teile der Demonstranten. Aber auch hier muss dann im konkreten Fall nach Lösungen und Dialog gesucht werden, so wie es überall in Deutschland regelmäßig gemacht wird und auch funktioniert. Natürlich schaffen es die Beispiele in die Schlagzeilen wo beispielsweise das Trennen der Routen der Demonstrationszüge nicht gelingt. In aller Regel funktioniert dies aber und ermöglicht schlussendlich Anhängern beider Lager die Durchführung ihrer Veranstaltung und das Eintreten für ihre jeweilige Meinung.

Kein Zweifel, Demonstrationen können eine große Herausforderung darstellen. Zum einen logistisch, zum anderen aber auch politisch-gesellschaftlich. Sie testen unser demokratisches Selbstbewusstsein, sowie unsere eigenen Überzeugungen und Haltungen. Manchmal gehen sie auch über das hinaus, was wir persönlich akzeptieren wollen oder können. Gerade deshalb ist der Schutz des Versammlungs- und Demonstrationsrechtes durch unser Grundgesetz so wichtig. Es unterliegt eben nicht individuellen Bedenken, Ängsten oder Einschätzungen.

Unsere Demokratie wird durch sie weiterhin herausgefordert, aber doch vor allem auch belebt werden. Entscheidend ist nur, dass wir als Demokratinnen und Demokraten uns immer wieder neu fragen, auf welcher Seite wir stehen und für welche Meinungen wir auf die Straße gehen wollen. Für welches Deutschland und für welche Gesellschaft wir die Stimme erheben.

Ich bin mir sicher, dass dies durch die bestehende Gesetzeslage gewährleistet ist – bereit von Bürgerinnen und Bürgern mit Leben, Dialog und friedlicher (!) Auseinandersetzung gefüllt zu werden.

Mit freundlichen Grüßen

Karl-Heinz Brunner