Frage an Karl A. Lamers von Stefan R. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Dr. Lamers,
wie ich aus den Medien erfahren habe, hat sich die CDU mit der SPD ueber ein zweites Konjunkturprogramm geeinigt. Meine Frage betrifft hierbei folgende Punkte:
1.) Anhebung des Grundfreibetrages (ohne Anhebung des Kinderfreibetrages)
2.) Anhebung des Harz IV Satzes fuer Jugendliche von 60 auf 70%
Kurz vor Weihnachten hat sich die Grosse Koalition aufgrund des siebten Existenzminimumsberichtes auf eine geringfuegige Anhebung des Kinderfreibetrages geeinigt. Nicht dass Sie mich falsch verstehen, die Anhebung des HarzIV Satzes fuer Jugendliche finde ich mehr als notwendig. Allerdings, muss dies doch auch im Kinderfreibetrag, der das Existenzminimum freistellt, beruecksichtigt werden. Ich unterstelle mal, wenn die Anhebung des HarzIV Satzes schon 3 Wochen frueher passiert waere, haette der Kinderfreibetrag mehr angehoben werden muessen? War es Absicht, den HarzIV Satz 3 Wochen spaeter zu erhoehen?
Das saechliche Existenzminimum steig fuer Erwachsene von 1999 bis 2008 um 18%, das fuer Kinder nur um 12%. Das steuerliche Existenzminimum fuer Erwachsene um 14%, das steuerliche Existenzminimum (bis 2008) um 3% ( http://www.jelos.de/famile_und_steuern/ )!
Ich halte dies fuer eine illegale Bevorzugung von Personen ohne Kinder. Denn der Kinderfreibetrag beeinflusst den Solidarbeitrag, Unterhaltszahlungen und implizit auch die Hoehe des Kindergeldes oder die Steuerlast.
Ich weiss, dass die Union fuer einen einheitlichen Grundfreibetrag fuer Kinder und Erwachsene steht. Und sie werden mir sicher sagen: Das war mit dem Koalitionspartner nicht durchsetzbar.
Aber warum die Union eine verfassungsrechttlich ohnehin schon heikle Situation (unzureichende Steuerfreistellung des Kinder-Existenzminimums), sowie Steuerungerechtigkeit zulasten von Familien, zulaesst, Ist mir voellig Unverstaendlich.
Warum erlaubt es die Union Personen mit Kindern schlechter zu stellen als kinderlose Singles oder Paare? Auch ein Konjunkturprogramm muss doch ausgewogen sein?
Sehr geehrter Herr Richter,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Familienpolitik. Ihr Schreiben habe ich dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Hermann Kues MdB, zur Stellungnahme zugeleitet. Nachfolgend übersende ich Ihnen die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs:
"Im Konjunkturpaket der Bundesregierung ist - neben anderen Maßnahmen - vorgesehen, die Regelleistungen nach SGB II und SGB XII für Kinder von 6 bis 13 Jahren von 60 % auf 70 % der Regelleistungen für einen Erwachsenen (derzeit 351 Euro im Monat) zunächst befristet bis zum 31. Dezember 2011 zu erhöhen. Auf der Basis der geltenden Regelleistungen bedeutet diese Maßnahme eine Erhöhung um 35 Euro pro Monat für die betreffende Altersgruppe.
Die Regelleistungen für Kinder sind die zentrale Größe für die Ermittlung des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Kindern und der Mindesthöhe des Kinderfreibetrages im Einkommensteuerrecht. Existenzminimum und Kinderfreibetrag sind zudem die Referenzgröße für den Mindestunterhaltsbetrag nach § 1612a BGB. Damit kommt der Bemessung der Regelleistungen und des Existenzminimums von Kindern eine hohe gesellschaftliche Bedeutung zu.
Die Bundesregierung legt alle zwei Jahre einen Existenzminimumbericht vor, in dem dieser zentrale Eckwert prognostisch bestimmt wird. Der letzte Existenzminimumbericht datiert von Herbst 2008 und hat für das Jahr 2010 ein steuerfrei zu stellendes sächliches Existenzminimum von Kindern in Höhe von 3.864 Euro prognostiziert. Mit dem Familienleistungsgesetz, welches parallel beschlossen wurde, wurde der Kinderfreibetrag bereits ab 1. Januar 2009 auf eben diesen Betrag erhöht.
Mittlerweile hat die Bundesregierung jedoch den Beschluss zur Erhöhung der Regelleistung für Kinder zwischen 6 und 13 Jahren gefasst. Damit und mit der bereits beschlossenen Einführung des Schulbedarfspakets in Form einer jährlichen Einmalzahlung von 100 Euro zum Schuljahresbeginn, hat die Bundesregierung auf eine anhaltende Diskussion reagiert, die die Höhe und die pauschale Ableitung der Regelleistung für Kinder anzweifelt. In den vergangenen Tagen wurde darüber berichtet, dass sowohl das Bundessozialgericht als auch das Landessozialgericht Hessen einschlägige Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt habe. Darüber hinaus besteht ein einstimmiger Beschluss des Bundesrates, der die Bundesregierung auffordert, die Regelleistungen für Kinder in der Grundsicherung grundlegend zu überprüfen.
Auf der Basis der durchgeführten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008, deren Ergebnisse - soweit sie für die Überprüfung der Regelsätze im SGB II und SGB XII relevant sind - voraussichtlich für 2010 vorliegen und anschließend vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ausgewertet werden, wird die Bundesregierung die Höhe der Regelsätze und ihre Herleitung überprüfen und ggf. weiterentwickeln.
Das BMAS und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sind gemeinsam der Auffassung, dass für den Zeitraum der Auswertung über die von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen (Schulbedarfspaket, Kinderbonus und Anhebung des Regelsatzes für 6 bis 13-jährige Kinder) hinaus für die Veränderung der Regelsätze derzeit keine weitergehenden Entscheidungen zu treffen sind."
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Karl A. Lamers MdB