Frage an Karl A. Lamers von Klaus Dieter H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Lamers,
die Mitgliedsstaaten der EU planen derzeit, einen gemeinsamen Fonds über 10,5 Milliarden Euro zur Finanzierung einer sogenannten europäischen Friedensfazilität aufzulegen. Damit soll die militärische Ausbildung und Aufrüstung von Streitkräften außerhalb der EU finanziert werden, auch in Kriegs- oder Spannungsgebieten wie z.B. dem Nahen Osten und der Sahelzone. Dies geschieht am EU-Parlament vorbei, da Artikel 41(2) des EU-Vertrages es verbietet, militärische Zwecke aus dem EU-Haushalt zu finanzieren. Sind die Gelder erst einmal eingesammelt, werden diese weitestgehend ohne parlamentarische Kontrolle Drittstaaten bereitgestellt.
Dieses Vorhaben ist weder geeignet, die Demokratie in Europa zu stärken, noch dazu, den Frieden in Europa und der Welt zu sichern.
1.
Wie stehen Sie zu diesem Vorhaben und wie werden Sie im Bundestag darüber abstimmen?
2.
Werden Sie sich wenigstens dafür einsetzen, dass die Finanzierung und Lieferung von Waffen (auch von Kleinen und leichten Waffen) und Munition explizit ausgeschlossen werden?
3.
Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die "Friedensfazilität" nicht den Prinzipien des Gemeinsamen Standpunktes der EU zur Kontrolle von Rüstungsexporten widersprechen darf?
4.
Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die parlamentarische Kontrolle über das ganze Vorhaben gesichert bleibt?
5.
Wie sieht eine Vor-Ort-Kontrolle des Endverbleibs der im Rahmen der "Friedensfazilität" gelieferten Rüstungsgüter aus und welche Ahndung bei Verstößen ist vorgesehen?
Vielen Dank für Ihre Antwort und mit freundlichen Grüßen
Klaus Dieter Horlacher
Sehr geehrter Herr Horlacher,
für Ihr Schreiben zur Europäischen Friedensfazilität (EFF) danke ich Ihnen. Gerne beantworte ich die von Ihnen gestellten Fragen wie folgt:
Frage 1: Wie stehen Sie zu diesem Vorhaben und wie werden Sie im Bundestag darüber abstimmen?
Die EFF zielt darauf ab, einen Fonds außerhalb des mehrjährigen Haushalts der EU einzurichten und mit einem Volumen von 10,5 Mrd. € für die Jahre 2021-2027 auszustatten. Er soll die Finanzierung operativer Maßnahmen im Rahmen der Gemeinsamen Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) mit militärischem oder verteidigungspolitischem Bezug ermöglichen. Bestehende außerbudgetäre Mechanismen wie „Athena“ und die Friedensfazilität für Afrika, die der Sicherheit und Verteidigung gewidmet sind, werden zusammengeführt, um Lücken zu schließen und bestehende Beschränkungen zu überwinden.
Ziele sind: (1) Steigerung der Effektivität von Operationen durch Finanzierung gemeinsamer Kosten (bisher werden über „Athena“ nur 5-10 % gedeckt). (2) Unterstützung der Partner (bisher war bei der Friedensfazilität für Afrika nur die Finanzierung friedenssichernder Maßnahmen unter afrikanischer Führung möglich). (3) Durchführung breit angelegter Maßnahmen (derzeit verfügt die EU nur über begrenzte Kapazität für die Beteiligung an Kapazitätsaufbau sowie Bereitstellung von Ausbildung, Ausrüstung und Infrastruktur.
Die EFF ermöglicht Ausgaben, die wegen ihrer militärischen Bezüge nicht aus dem EU-Haushalt finanziert werden können. Sie soll die Wirkung verteidigungspolitischer Maßnahmen erhöhen, Entscheidungswege straffen und maximale Flexibilität ermöglichen. Dies erscheint sinnvoll. Daher werde ich der Einrichtung dieses Fonds zustimmen.
Frage 2: Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Finanzierung und Lieferung von Waffen (auch von kleinen, leichten Waffen) und Munition explizit ausgeschlossen werden?
Die EFF baut auf der seit 2004 bestehenden Afrikanischen Friedensfazilität (AFF) auf. Dabei werden Gehälter afrikanischer Soldaten sowie Kosten für Logistik, Transport und medizinische Versorgung getragen. Während die AFF nur regionale Sicherheitskooperation in Afrika fördert, soll die EFF auch die Förderung einzelner Staaten ermöglichen. Die Maßnahmen sollen allein dem Ziel der Herstellung von Sicherheit als Voraussetzung für Entwicklung dienen und nicht laufende Konflikte anheizen oder verlängern. Der Kauf von Waffen und Munition ist daher nach den EU-Haushaltsregeln definitiv verboten.
Frage 3: Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die EFF nicht Prinzipien des Gemeinsamen Standpunktes der EU zur Kontrolle von Rüstungsexporten widersprechen darf?
Im Entscheidungsprozess über Ertüchtigungsmaßnahmen sollen die Kriterien des Gemeinsamen Standpunktes der EU zur Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern konsequent Anwendung finden. Die EFF ist ein wichtiger Beitrag zur Effizienz von Friedenseinsätzen. Dafür werde ich mich mit aller Kraft einsetzen.
Frage 4: Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die parlamentarische Kontrolle über das ganze Vorhaben gesichert bleibt?
Nach meiner Einschätzung wird das Europäische Parlament bei der EFF Mitbestimmung und Kontrolle ausüben können. So kann es zum Beispiel über Anfragen an den Rat oder an die Europäische Kommission die korrekte Umsetzung von EU-Recht sicherstellen. Darüber hinaus kann der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik das Europäische Parlament anhören und über relevante Entwicklungen unterrichten. Damit steht für mich die parlamentarische Kontrolle nicht in Frage.
Frage 5: Wie sieht eine Vor-Ort-Kontrolle des Endverbleibs der im Rahmen der EFF gelieferten Rüstungsgüter aus und welche Ahndung bei Verstößen ist vorgesehen?
Die überarbeiteten Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern vom Juni 2019 sehen die bereits 2015 als Teil der Kleinwaffengrundsätze eingeführten Vor-Ort-Kontrollen des Endverbleibs von exportierten Rüstungsgütern ausdrücklich als Möglichkeit vor. Sollten Vor-Ort-Kontrollen einen Verstoß aufdecken oder trotz ursprünglicher Zusage verweigert werden, wird der Empfänger von einer Belieferung mit Kriegswaffen und kriegswaffennahen Rüstungsgütern „bis zur Beseitigung dieser Umstände“ ausgeschlossen. Wir sollten alle daran arbeiten, dass diese Kontrollen im europäischen Rahmen zur Regel werden.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. h. c. Dr. Karl A. Lamers MdB