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Karl A. Lamers
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Frage von Prof. Dr. Peter R. F. •

Frage an Karl A. Lamers von Prof. Dr. Peter R. F. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Dr. Lamers,
Sie haben immer wieder für Kriegseinsätze gestimmt. Lesen Sie das lange Interview von Seymor Hersh in der taz 29.30.9.2007, S.3, über die Aussichten in Afghanistan. Deutschland soll immer mehr in einen Krieg hineingezogen werden, der auf beiden Seiten unzählige Opfer fordern wird, in dem sich die Amerikaner mit Hilfe der Tornados in die Herzen der Bevölkerung bomben, wie im Irak. Das Ergebnis dort ist sichtbar.
In einem Zeitalter der Massenvernichtungswaffen reicht die Phantasie von vielen Politikern offenbar nicht aus, Denkschemata des 19. und 20. Jahrhunderts hinter sich zu lassen und einzusehen, daß Militär und Waffen im 21. Jht. nicht die Lösung bringen, sondern zum Kern des Problems geworden sind. (Eisenhowers "militärisch-industrieller" Komplex).
Was gibt Politikern das Recht, junge Leute in Einsatz zu senden, in Länder, deren Sprache sie nicht sprechen, deren Verhältnisse, Kultur und Religion ihnen fremd sind? Statt billigen Mut für andere zu zeigen, sollten die Befürworter des Krieges sich selbst zum Einsatz melden.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Peter R. Frank,

vielen Dank für Ihr Schreiben, in dem Sie zum Thema „Entsendung von
Bundeswehreinheiten“ Ihre Meinung äußern.

Afghanistan war nach dem Sturz des terroristischen Taliban-Regimes ein "failed state", und die Weltgemeinschaft in der UN hat sich zum Ziel gesetzt, den afghanischen Staat in möglichst demokratischer Form wiederaufzurichten und den Menschen eine Lebensperspektive zu geben. Die ISAF, maßgeblich von der NATO gestellt, hat das Land nicht "besetzt", sondern nimmt die Aufgabe wahr, für einen möglichst hohen Grad an Stabilität zu sorgen. Stabilität ist die Voraussetzung für Wiederaufbau und Entwicklung des Landes. Die Weltgemeinschaft hilft aber nicht nur militärisch, sondern hat ein sehr großes ziviles Aufbau- und Entwicklungsprogramm aufgelegt, um die Regierung und das Volk von Afghanistan zu unterstützen; wir leisten dabei Hilfe zur Selbsthilfe.

Natürlich hat unser Einsatz auch und vor allem zum Ziel, die Rückkehr der Taliban an die Macht in Afghanistan zu verhindern. Von Afghanistan darf keine terroristische Gefahr mehr ausgehen wie unter der Taliban-Herrschaft.

Da die Taliban für die ISAF eine sogenannte "asymmetrische Bedrohung" darstellen, kann die Lösung des Problems nicht darin liegen, immer mehr Truppen nach Afghanistan zu verlegen. Die Terroristen kämpfen wie Guerillas und stellen sich niemals mit geschlossenen Truppenkörpern zur "offenen Feldschlacht", sondern greifen ihren Gegner überraschend und punktuell an und verschwinden dann wieder. Deshalb ist dieses Problem mit militärischen Mitteln allein nicht zu lösen. Immer mehr Truppen würde nur bedeuten, dass den Terroristen immer mehr Angriffsfläche geboten wird. Die Weltgemeinschaft und die NATO müssen einen Mix zwischen militärischer Bekämpfung der Terroristen und des möglichst effizienten und raschen Wiederaufbaus und der Entwicklung des Landes anwenden. Die afghanische Bevölkerung muss so weit kommen, dass sie die Terroristen nicht unterstützt bzw. sich gar von diesen als Kämpfer rekrutieren lässt. Dies wird am ehesten gelingen, wenn die allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung sich so günstig gestalten, dass die Terroristen keine Alternative mehr darstellen. Da spielen viele Dinge mit, zum Beispiel Bildung und Ausbildung. Je mehr Kinder und Jugendliche in die Schule gehen oder einen Beruf erlernen, desto weniger wird extremistisches Gedankengut verbreitet und durchgesetzt werden können. Je mehr Mädchen Schul- und Berufsausbildung erhalten, umso mehr tun wir langfristig für möglichst viel Gleichberechtigung der Frau im Islam.

Ich darf noch ergänzend anfügen, dass die deutschen TORNADO-Aufklärungs-flugzeuge nicht "bomben" - wie Sie schreiben -, sondern während des Fluges Fotos anfertigen und Infrarot-Karten erstellen, die für die Lagefeststellung benötigt werden. Diese Flugzeuge haben keine Offensiv-Bewaffnung.

Im übrigen bin ich überzeugt davon, dass wir uns die bisherigen Entscheidungen des Bundestages zur Entsendung von Bundeswehreinheiten und -verbänden zu Friedensmissionen in Krisengebiete nicht leicht gemacht haben. Wir haben sehr ernsthaft über das Für und Wider diskutiert und sind letztendlich zu der Entscheidung gelangt, dass wir für den Frieden in der Welt auch aktiv etwas unternehmen müssen. Gerade wir in Mitteleuropa genießen seit Jahrzehnten die längste Friedensperiode unserer Geschichte; dies verpflichtet uns, anderen Völkern zu helfen, wenn deren Heimatländer von Krisen und Konflikten geschüttelt werden.

Nehmen Sie nur den jetzt gerade beginnenden UN-Einsatz in Darfur, Sudan, und den sozusagen parallel laufenden EU-Einsatz im Tschad (ohne deutsche Truppen-Beteiligung): Weder die Weltgemeinschaft der UN noch die EU wollen Länder besetzen, sondern humanitäre Katastrophen beenden, Millionen Flüchtlinge in ihre Heimat zurückführen und mit der Anwesenheit von Truppen dafür sorgen, dass die Bevölkerung des Darfur in Ruhe und Frieden in ihrer Heimat leben kann. Das beinhaltet natürlich auch, die Regierung des Sudan - notfalls mit militärischen Mitteln - möglichst davon abzuhalten, weiterhin die islamischen Milizen zu unterstützen, die für Terror, Mord und Vertreibung in der Dafur-Region verantwortlich sind.

Ich hoffe Ihnen meinen Standpunkt nähergebracht zu haben und verbleibe

mit freundlichen Grüßen,

Ihr Karl A. Lamers