Frage an Karl A. Lamers von Silke S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Lamers,
aus meiner Sicht gibt es in Deutschland eine riesen Entpolitarisierung wichtiger Dinge. Die Themen im Wahlkampf sind m.E. vor allem Dinge, die man nicht beeinflussen kann. Trump, Erdogan/ Türkei, Ukraine/Putin. Stimmen Sie mir zu, dass alltägliche Dinge aus diesem Grund in den Hintergrund rutschen?
Ein Beispiel: Deutschland nimmt mehr Steuern ein, aber es gibt sehr viel Obdachlosigkeit. Es ist von 335 000 die Rede, siehe diese Link: http://www.deutschlandfunk.de/sozialstatistik-immer-mehr-obdachlose-in-deutschland.1818.de.html?dram:article_id=373118
Wozu noch Einwanderung, wenn nicht mal alle hiesigen Bürger*innen Wohnungen haben?
Ich habe eine Wohnung, in der ich ständig gestört bin, die zu klein ist. Doch ich bin krank und habe in Baden-Württemberg kaum eine Chance eine andere bezahlbare Wohnung zu bekommen. Warum investiert man nicht die massiven Steuereinnahmen zu einem größeren Teil für den sozialen Wohnungsbau? Aus meiner Sicht federt man die Folgen der Zuwanderung, der Globalisierung usw. nicht gerecht ab, stimmen Sie dem zu?
Zum anderen möchte ich Sie fragen, warum Deutschland nicht eine "große Schweiz" werden könnte? Ein souveräner Staat, ohne EU-Technokraten und EU-Bevormundung, mit sicheren Grenzen, mit Volksabstimmungen?
Sind Sie für eine Verlängerung der Legislaturperiode des Bundestags auf 5 Jahre? Wäre das nicht eine weitere Entdemokratisierung?
Was wollen Sie gegen Lobbyismus tun z.B. anhand eines Lobbyistenregisters? Und was wollen Sie tun, um die Macht von Global-Player, Banken und Großerben zu beschränken?
Mit freundlichen Grüßen
S. S.
Sehr geehrte Frau S.,
vielen Dank für Ihre Fragen vom 15. September zu mehreren Themen im Kontext der Bundestagswahl.
Zunächst beschreiben Sie, dass Themen, die „man nicht beeinflussen kann“, eine große Rolle im Wahlkampf spielen und verweisen auf außen- und sicherheitspolitische Fragen. Es ist richtig, dass diese Themen eine Rolle spielen und ich halte das auch für wichtig.
Denn: Es spielt eine Rolle, wer Bundeskanzler unseres Landes ist und sich mit diesen Themen befasst. Das transatlantische Verhältnis, die deutsch-türkischen Beziehungen sowie die bewaffneten Auseinandersetzungen in der Ukraine sind – gerade angesichts der voranschreitenden Globalisierung – von hoher Bedeutung für unser Land.
Der Status Quo ist allerdings keine unveränderbare Gegebenheit. Eine deutsche Bundesregierung hat sehr wohl Einfluss auf diese Themen und deshalb ist es wichtig, zu betonen, dass wir mit Bundeskanzlerin Angela Merkel eine erfahrene Regierungschefin haben, die diesen großen internationalen Herausforderungen gewachsen ist und weiß, was sie tut.
Sie sprechen in Ihrer Frage zudem das Thema Sozialer Wohnungsbau an. Die unionsgeführte Bundesregierung hat ihre Mittel in dieser Legislaturperiode zwei Mal um jeweils 500 Mio. Euro erhöht. Zum 1.1.2017 standen 1,5 Milliarden Euro bereit. Im Zuge der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen wurden darüber hinaus weitere finanzielle Zusagen des Bundes gemacht.
Darüber hinaus setzen sich CDU/CSU dafür ein, dass in den kommenden vier Jahren 1,5 Millionen neue Wohnungen gebaut werden, um den momentanen Engpass auf dem Wohnungsmarkt zu überwinden und weitere Mietpreissteigerungen zu verhindern.
Drittens erkundigen Sie sich, ob die Schweiz als Vorbild für Deutschland fungieren könnte. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass die stark exportorientierte Wirtschaft Deutschlands enorm von der europäischen Integration profitiert hat. Im Übrigen hat die Schweiz mit der EU so weitreichende Abkommen geschlossen, dass auch sie keineswegs unabhängig von Entscheidungen der Europäischen Union ist. Als Mitglied des Schengenraumes wurden dort zudem ebenfalls die Personenkontrollen an den Grenzen abgeschafft. Eine Annäherung an das Schweizer Modell würde daher keine fundamentalen Veränderungen im Sinne Ihrer Frage mit sich bringen.
Schließlich erkundigen Sie sich nach der Ausdehnung der Legislaturperiode sowie einem Lobbyregister. Die Verlängerung der Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre finde ich diskussionswürdig. Nach einer Bundestagswahl werden zunächst Wochen bis Monate für die Bildung einer stabilen Regierung benötigt. Zum Ende einer Legislaturperiode sind es dann häufig wahltaktische Manöver, die verhindern, dass wichtige Gesetze verabschiedet werden. Aufgrund des Prinzips der Diskontinuität verfallen Gesetzesentwürfe, wenn sie nicht in einer Legislaturperiode zum Abschluss gebracht werden. Es wäre daher im Sinne der Effizienz des Parlaments, die Dauer der Legislaturperioden zu verlängern, so, wie es bereits in vielen Bundesländern üblich ist.
Bezüglich Ihrer Frage zum Lobbyregister möchte ich Sie abschließend gerne auf meine Antwort im Abgeordnetenwatch-Kandidatencheck verweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. h. c. Dr. Karl A. Lamers