Frage an Karl A. Lamers von Leah O. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Lamers,
das Bundesverfassungsgericht hat in verschiedenen Urteilen bereits große Teile des Transsexuellengesetz von 1981 für verfassungswidrig erklärt.
Auch viele der bestehenden Paragraphen werfen schwerwiegende grund- und menschenrechtliche Bedenken auf. Es besteht somit dringender Reformbedarf.
Das TSG in seiner aktuellen Fassung geht von einer medizinisch-diagnostischen Vorstellung von „Transsexualität“ als psychischer Erkrankung aus, die nach den aktuellen Erkenntnissen der Forschung nicht zu vertreten ist. Auch wird es nicht der Lebensrealität vieler Menschen gerecht.
Viel mehr stellt es die von diesem Gesetz betroffene Menschen vor enorme Herausforderungen und setzt diese gleichzeigt einem extremen Druck aus. Nicht zuletzt ist das ganze Verfahren doppelter Begutachtung, das auch finanziell für Betroffene nicht leicht zu stemmen ist, nicht akzeptabel.
Zu diesem Schluss kommt auch ein aktuelles Gutachten[1] der Humboldt-Universität im Auftrag des BMFSFJ.
"Insgesamt ist zu konstatieren, dass die Ausgestaltung des Verfahrens nach dem TSG nicht den Empfehlungen des Menschenrechtskommissars oder den Vorgaben der Resolution 2048 entspricht, da das Verfahren weder schnell, noch transparent, noch leicht zugänglich oder auf Selbstbestimmung basierend ist."
In diesem Gutachten befindet sich auch der Entwurf für die Schaffung eines neuen "Geschlechtsidentitäts und -zuordnungsgesetz".
Diese soll die alten Regelungen des TSG durch neue und zeitgemäße Regelungen ablösen und Betroffenen ein angemessenes Verfahren ermöglichen.
Ich möchte Sie daher nicht nur Auffordern auf eine entsprechende Gesetzesänderung hinzuwirken, sonder wüsste auch gerne, welche expliziten Schritte Sie gehen werden, um eine entpreschende Neuregelung auf Grund dieses Gutachtens schnellstmöglich zu verwirklichen?
Sehr geehrte Frau Oswald,
vielen Dank für Ihre Frage vom 5. April zum Transsexuellengesetz.
Teile des Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen, wie das Transsexuellengesetz offiziell heißt, sind durch das Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft worden. Gleichzeitig hat das Oberlandesgericht Hamm kürzlich die bestehenden Passagen des Gesetzes bestätigt.
Richtig ist, dass es einen Evaluationsbedarf gibt. Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD heißt es deshalb: "Die durch die Änderung des Personenstandrechts für intersexuelle Menschen erzielten Verbesserungen werden wir evaluieren und gegebenenfalls ausbauen und die besondere Situation von trans- und intersexuellen Menschen in den Fokus nehmen."
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat auf Basis dieser Formulierung in dieser Legislaturperiode ein Gutachten zum "Regelungs- und Reformbedarf für transgeschlechtliche Menschen" in Auftrag gegeben. Die Vorgaben sowie die praktische Umsetzung des Transsexuellengesetzes sollen in einer interministeriellen Arbeitsgruppe überprüft und Handlungsoptionen für eine Reform erarbeitet werden. Darüber hinaus hat das BMFSFJ mehrere Fachgespräche durchgeführt. Mehrere Begleitbände zur Arbeit des Ministeriums sind auf der Homepage des BMFSFJ verfügbar.
Auf der Basis der Ergebnisse der Arbeitsgruppe werden wir einen Gesetzesentwurf erarbeiten, der die Regelungen für Transsexuelle zeitgemäß anpasst. Angesichts der wenigen verbleibenden Sitzungswochen in dieser Legislaturperiode wird dies höchstwahrscheinlich erst nach der Bundestagswahl erfolgen können.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. h. c. Dr. Karl A. Lamers