Frage an Karl A. Lamers von Werner M. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Dr. Lamers,
Ist es nicht ein Trugschluss, Soldaten mit Arbeitnehmern in der Privatwirtschaft zu vergleichen? Für den Beruf des Soldaten gehört nicht nur eine geeignete Qualifikation, sondern auch eine besondere Einstellung – nirgendwo ist der Tod so nahe, wie beim Soldaten. Das Überleben der Soldaten ist wesentlich auch von seiner Ausrüstung abhängig. Es gibt z.B. Probleme mit der Zielgenauigkeit beim Sturmgewehr G36, keine besonders geschützten Transporthubschrauber um Verwundete unter Beschuss auszufliegen etc. Können in Zeiten ausufernder Bedrohungen, besonders in Osteuropa Investitionen in ein Wohlfühlambiente (Internetanschluss, Kitas, ansprechendes Mobiliar) wirklich Priorität haben? Sollte man die weitere Schließung von Standorten und die Umwandlung der Bundeswehr in eine Interventionsarmee nicht überdenken – man hört sehr wenig von der Ministerin zum Thema Stellenwert der Landesverteidigung?
Mit freundlichem Gruß
Werner Mahieu
Sehr geehrter Herr Mahieu,
vielen Dank für Ihre Fragen vom 5. Juni 2014, in denen Sie auf das von der Bundesministerin der Verteidigung, Frau Dr. Ursula von der Leyen MdB, neu strukturierte Attraktivitätsprogramm für die Bundeswehr Bezug nehmen.
Dabei geht es darum, die Voraussetzungen zu schaffen, dass auch weiterhin genügend Freiwillige für die Bundeswehr gewonnen werden können. Wir stehen dabei in Konkurrenz zur freien Wirtschaft um qualifizierte Arbeitskräfte. Aus demographischen Gründen wird zudem der Personenkreis, der für die Bundeswehr in Frage kommt, in Zukunft noch weiter sinken. Es geht also darum, aus einer sich verkleinernden Zahl von jungen Menschen, die für die Bundeswehr, aber auch für die Privatwirtschaft geeignet sind und für beide Sparten von großem Interesse wären, möglichst viele für die Bundeswehr zu gewinnen. Das ist nicht leicht, weil die Privatwirtschaft nicht in dem Maße in die Privatsphäre von jungen Menschen eingreift wie die Bundeswehr (Uniformpflicht, Kasernenunterbringung usw.). Deshalb müssen wir die Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr steigern, damit wir bei der Rekrutierung von Freiwilligen gegenüber dem Personalbedarf der Privatwirtschaft nicht ins Hintertreffen geraten. Aus diesem Grund ist die Attraktivitätsoffensive von Bundesverteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen MdB wichtig und wird der Bundeswehr dabei helfen, auf dem Arbeitsmarkt das benötigte Personal gewinnen zu können.
Des Weiteren sprechen Sie in Ihrem Schreiben insbesondere die Frage der Ausrüstung an. Ich kann Ihnen versichern, dass die Sicherheit unserer Soldaten absolute Priorität hat. Die Ausrüstung ist - und dafür sind wir im Verteidigungsausschuss auch zuständig - grundsätzlich geeignet, damit die Soldaten in Einsätzen gut bestehen können. Diese Einschätzung wird durch die Erfahrungen in Afghanistan bestätigt. Mit dem "Einsatzbedingten Sofortbedarf" haben wir dem Verteidigungsministerium bzw. der Bundeswehr die Möglichkeit gegeben, geeignetes Material auf einem vereinfachten und beschleunigten Beschaffungsweg auszusuchen, zu erproben und einzusetzen. Der Bundestag hat die Kosten dieser Art der Beschaffung in allen von der Bundeswehr beantragten Fällen genehmigt. Freilich bleiben immer auch einige Mängel, die nicht so schnell behoben werden können. Dies betrifft die Hubschrauber, die nicht von heute auf morgen umgerüstet werden können. Einige der in Afghanistan eingesetzten Typen benötigten größere Anpassungsentwicklungen, die sehr viel Zeit in Anspruch nahmen. Aus den in Afghanistan gemachten Erfahrungen wird man jedoch im Hinblick auf Einsatzgebiete in anderen Weltregionen (z.B. Afrika) in jedem Fall lernen und Konsequenzen ziehen.
Darüber hinaus sprechen Sie den Aspekt der Landesverteidigung an. Es ist die bis heute gültige Politik der NATO und EU seit dem weltgeschichtlichen Umbruch 1990/91, die aus der Sowjetunion hervorgegangenen Staaten nicht als Feinde, sondern als Kooperationspartner auch auf dem Gebiet der Verteidigung/Sicherheit zu betrachten. Einige dieser Staaten sind inzwischen in die NATO und EU aufgenommen worden. Allerdings ist unübersehbar, dass Russland sich in den letzten Jahren ein Stück weit wieder in eine andere Richtung bewegt. Der Konflikt in der Ukraine hat dies deutlich gemacht. Für Frieden, Sicherheit und Stabilität in Europa ist unser wertegestütztes Bündnis wichtiger denn je. Gerade die maßgeblich von Putin zu verantwortende schwierige Situation in der Ukraine hat gezeigt, wie schnell und unvorhersehbar eine Eskalation eintreten kann. Die teilweise große Abhängigkeit ost- und auch westeuropäischer Staaten von russischen Energie-Lieferungen verkompliziert die Lage noch zusätzlich. Wichtig ist und bleibt aber, die Sicherheitslage nüchtern zu betrachten und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, wenn sich etwa an den Westgrenzen der Russischen Föderation Sicherheitsrisiken ergeben sollten.
Die NATO ist ein Verteidigungsbündnis und muss auch in der Zukunft in der Lage sein, die am West- und Südrand der Russischen Föderation liegenden NATO-Staaten gegebenenfalls bei der Verteidigung ihrer territorialen Integrität zu unterstützen. Dafür gibt es die Verteidigungsplanung des Bündnisses, die von allen Bündnisstaaten im Konsens festgelegt wird. Die daraus für uns erwachsenden Verpflichtungen werden wir auf absehbare Zeit mit dem jetzt vorhandenen deutschen Kräftepotential erfüllen können. Ich verweise auf unsere seit Jahren schon stattfindende Mitwirkung an dem "Air Policing" der NATO über den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Informationen weitergeholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Karl A. Lamers MdB