Frage an Karl A. Lamers von Werner M. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Dr. Lamers,
Als Bürger und als Unternehmen unterliege ich in Deutschland der deutschen Gerichtsbarkeit. Ist es mit unserer Verfassung vereinbar, dass wie im Handelsabkommen TTIP geplant, ausländische Investoren gegenüber dem Staat sich eine eigene Gerichtsbarkeit in Form von Schiedsgerichten geben, die unkontrolliert durch die Öffentlichkeit in Hinterzimmern tagt?
Sollte die Bundesrepublik Deutschland in solchen Verfahren unterliegen, muss der deutsche Steuerzahler die milliardenschweren Konsequenzen tragen, ohne die Möglichkeit zu haben, sich vor deutschen oder europäischen Gerichten zu wehren? Warum werden die TTIP Verhandlungen undemokratisch, intransparent und rechtsstaatsfeindlich im Geheimen durchgeführt?
Mit freundlichem Gruß
Werner Mahieu
Sehr geehrter Herr Mahieu,
vielen Dank für Ihre Frage vom 24. Mai, in der Sie Ihre Bedenken hinsichtlich der geplanten Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika zum Ausdruck bringen.
Sie beziehen sich in Ihrer Frage insbesondere auf den Investorenschutz und das Verfahren der „Investor-to-State Dispute Settlements“ (ISDS). Dabei wird in nicht-öffentlich tagenden Schiedsgerichten über den Investitionsschutz von Unternehmen in Partnerschaftsländern verhandelt. Dieses Verfahren ist legal und wird bereits in einer Vielzahl der insgesamt über 130 Freihandelsabkommen, die Deutschland geschlossen hat, praktiziert. Davon haben deutsche Unternehmen weltweit profitiert.
Die Bundesregierung, die gemeinsam mit den anderen europäischen Regierungen der Generaldirektion Handel der EU-Kommission eine Verhandlungsvollmacht erteilt hat, ist im Fall des Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) allerdings der Auffassung, dass ein solches ISDS-Verfahren nicht notwendig ist, da die nationalen Gerichtsbarkeiten der Partnerländer ausreichende Rechtsmittel zur Schlichtung von Handelsdisputen zur Verfügung haben. Diese Auffassung hat die Bundesregierung in den Vorverhandlungen deutlich gemacht und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat dies in einem Schreiben vom März diesen Jahres an den EU-Handelskommissar Karel de Gucht erneut bekräftigt. Die EU-Kommission hat Ende März 2014 öffentliche Konsultationen zum Investitionsschutz und Investor-Staat-Schiedsverfahren in TTIP eingeleitet, die es Bürgern, Unternehmen und interessierten Gruppen ermöglichen, ihre Positionen in den Verhandlungsprozess einzubringen. Erst auf dieser Basis wird die EU ihre Verhandlungsposition zum Thema festlegen.
Im Hinblick auf die Transparenzdebatte bei den laufenden TTIP-Verhandlungen gilt es festzuhalten, dass diese – im Gegensatz zu den bisherigen Freihandelsabkommen – weit transparenter geführt werden als bei vorherigen Freihandelsabkommen. Positionen aus der Zivilgesellschaft sowie aus den Verbänden können sowohl über die EU-Kommission, das Europäische Parlament sowie die EU-Mitgliedstaaten und
nationalen Parlamente aufgegriffen werden und fließen zum Teil bereits in die Verhandlungsposition der EU ein. Das Verhandlungsmandat für TTIP liegt bei der EU-Kommission. Dieses Mandat wurde ihr – wie eingangs bereits erwähnt – durch die Mitgliedstaaten erteilt. Die Kommission informiert die Mitgliedstaaten und die nationalen Parlamente regelmäßig über den Stand der Verhandlungen, bindet diese in die Findung der Verhandlungsposition ein und veröffentlicht diese zum Teil vorab. In Deutschland führt die Bundesregierung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie auf breiter Basis eine Beteiligung sowohl der Wirtschaftsverbände als auch von Akteuren der Zivilgesellschaft durch, um alle relevanten Aspekte einzubeziehen. Die Bundesregierung informiert den Bundestag und die Bundesländer, Vertreter der Zivilgesellschaft und von Wirtschaftsverbänden über den Verhandlungsverlauf. Damit ist sichergestellt, dass alle demokratisch legitimierten Akteure Zugang zu den relevanten Informationen haben.
Es steht dabei außer Frage, dass die breite Öffentlichkeit vor der Vollendung von Tatsachen über alle Details der Verhandlungen informiert werden muss. Gleichzeitig gilt es nun zunächst, die sich im Frühstadium befindlichen Verhandlungen zu führen und dann ein Verhandlungsergebnis zu präsentieren, welches im Anschluss an eine intensiv zu führende öffentliche Debatte durch die nationalen Parlamente sowie das Europaparlament ratifiziert werden muss und Änderungsmöglichkeiten gegeben sein müssen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Karl A. Lamers