Frage an Karl A. Lamers von Klaus Dieter H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Lamers,
ich gehe selbstverständlich davon aus, dass die Verantwortung und die Aufgaben eines Bundestagsabgeordneten, vor allem wenn seine Partei in der Regierungsverantwortung steht, eine Vollzeitbeschäftigung erfordert. Dennoch haben viele (wenn nicht die meisten) Bundestagsabgeordnete Nebentätigkeiten (wenn nicht sogar mehrere parallel).
Frage 1: Wie können Sie als Bundestagsabgeordneter es dem Wähler gegenüber verantworten, dass Nebentätigkeiten von Bundestagsabgeordneten legal sind, müssten diese nicht verboten oder wenigstens auf wenige Ausnahmen beschränkt werden?
Bei vielen Nebentätigkeiten von Bundestagsgesandten handelt es sich um Posten in Firmenvorständen oder Aufsichtsräten. Hierbei besteht die Gefahr, dass die Politiker entweder von der Wirtschaft beeinflusst werden könnten (Verdacht der Korruption, ganz nach dem Motto: "Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing!"), oder dass sie versuchen, den Firmen, bei denen sie einen Posten innehaben, Vorteile zukommen zu lassen (Verdacht des Missbrauchs eines politischen Mandats). Wenn diese Form von Nebentätigkeiten schon nicht verboten wird, so wäre eine vollständige Transparenz vonnöten. Trotzdem hat die Regierungskoalition aus CDU/CSU/FDP einen entsprechenden Gesetzesentwurf, der die Offenlegung von Nebeneinkünften hätte regeln sollen, verhindert.
Frage 2: Wie stehen Sie zur Frage der vollständigen Transparenz von Nebeneinkünften, damit die Bürger wenigstens wissen, wer (welche Firma/welcher Konzern) auf einen Politiker Einfluss auszuüben versuchen könnte bzw. damit die Bürger überprüfen können, ob die politischen Entscheidungen eines Politikers in erster Linie den Firmen dienen, auf deren Gehaltsliste er steht.
Mit herzlichem Dank für Ihre Antworten und freundlichen Grüßen
Klaus Dieter Horlacher, Ilvesheim
Sehr geehrter Herr Horlacher,
für Ihre Anfrage vom 29. Juli 2013 zu Nebentätigkeiten von Abgeordneten möchte ich Ihnen danken.
Zunächst gilt es festzuhalten, dass von den derzeit 620 Abgeordneten des Bundestages etwa 70 Prozent überhaupt keine entgeltlichen Nebentätigkeiten ausüben. Betrachtet man die Berufsstruktur des Bundestages, so ist festzustellen, dass rund 30 Prozent Selbständige aus den Bereichen Industrie, Gewerbe, Handwerk und Landwirtschaft stammen sowie freiberuflich tätig sind. Diese Kolleginnen und Kollegen können sich für die Dauer ihrer Parlamentszugehörigkeit nicht völlig aus ihrem Unternehmen, ihrem Betrieb oder ihrer Kanzlei bzw. Praxis zurückziehen. Ansonsten müssten sie erhebliche berufliche Nachteile nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag befürchten. Dies wiegt umso mehr, da Abgeordnete mit ihrem Mandat lediglich einen zeitlich begrenzten Auftrag des Wählers übernehmen. Die Verankerung des Abgeordneten in seinem Beruf stärkt zudem seine Unabhängigkeit, auch gegenüber seiner eigenen Fraktion und Partei.
Klar ist aber auch: Die Öffentlichkeit hat ein berechtigtes Interesse an der Offenlegung von Einkünften der Abgeordneten. Es muss für jeden deutlich sein, ob ein Abgeordneter in seiner Mandatsausübung auch wirtschaftlich frei und dem Auftrag seiner Wählerinnen und Wähler verpflichtet ist. Dies darf jedoch nicht unter Aufgabe seiner Bürgerrechte geschehen. Das geltende Stufenmodell sieht vor, dass Nebeneinkünfte je nach Höhe in unterschiedliche Klassen eingeteilt werden. Das Modell wurde gerade deshalb gewählt, weil zwischen den Grundrechten der Abgeordneten und dem berechtigten öffentlichen Interesse an der Veröffentlichung von Nebeneinkünften der Abgeordneten abzuwägen war.
Auch Bundesverfassungsrichter haben im Urteil des BVerfG vom 04. Juli 2007 gerade nicht den „gläsernen“ Abgeordneten gefordert. Vielmehr kamen sie zu dem Ergebnis, dass in Stufen pauschalierte Aussagen über die Höhe der Einkünfte und die Art der Tätigkeit ein taugliches Mittel sind, auf mögliche Interessenverknüpfungen und ihren Umfang hinzuweisen.
Mit der Erweiterung des Stufensystems von drei auf zehn Stufen haben CDU/CSU im vergangenen Jahr eine Regel geschaffen, die den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entspricht und gleichzeitig größere Transparenz schafft.
Zu der Frage von Abgeordnetenbestechung möchte ich Sie gerne auf meine Antwort an Herrn Merkel vom 15.07.2013 verweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Karl A. Lamers