Frage an Karl A. Lamers von Christian M. bezüglich Recht
CDU/CSU und FDP haben schärfere Regeln gegen Abgeordnetenbestechung abgelehnt.
Warum haben Sie dagegen gestimmt?
Sehr geehrter Herr Merkel,
für Ihre Frage vom 9. Juli zum Thema Abgeordnetenbestechung möchte ich Ihnen danken.
In der Tat wirkt es auf den ersten Blick verwunderlich, dass CDU/CSU und FDP gegen strengere Regeln bei der Korruption von Abgeordneten gestimmt haben. Deswegen freue ich mich, bei dieser Gelegenheit unsere Position erläutern zu können.
Mit den Stimmen aller Fraktionen wurde im Jahr 1993 der Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung normiert. Diese Regelungen halten wir auch weiterhin für geboten.
Die Gleichsetzung von Beamten mit Mandatsträgern, wie sie das Übereinkommen gegen Korruption der Vereinten Nationen vom 30. Oktober 2003 vorsieht, wird unserer Ansicht nach den Besonderheiten der verfassungsrechtlichen und der tatsächlichen Stellung der Abgeordneten nicht gerecht. Die Tätigkeit von Abgeordneten ist mit derjenigen von Amtsträgerinnen und Amtsträgern nicht vergleichbar.
Die deutsche Rechtstradition unterscheidet bewusst zwischen Mandatstragenden in Parlamenten einerseits und Amtsträgerinnen und Amtsträgern andererseits. In seiner Entscheidung über die Strafbarkeit von Angehörigen kommunaler Vertretungen vom 9. Mai 2006 hat der Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, dass bei Entscheidungen der öffentlichen Verwaltung die Entscheidungsträger ersetzt werden können und dass ihre Entscheidungsbefugnis auf eine andere Person übertragen oder von höherrangiger Stelle an sich gezogen werden kann. Das Amt ist also nicht personengebunden; die amtstragende Person ist aber weisungsgebunden.
Im Gegensatz dazu treffen Abgeordnete aufgrund ihres freien Mandats im Plenum der Volksvertretung eine Entscheidung, die nicht auf eine Vertretungsperson übertragen werden kann. Das Amt ist personengebunden.
Die Tätigkeit der Abgeordneten reicht zudem über das eigentliche parlamentarische Wirken hinaus in das allgemeine politische Geschehen, wo scharf abgrenzbare Verhaltensvorschriften schwierig umzusetzen sind.
Bisher ist es nicht gelungen, einen verfassungskonformen, auf die tatsächlich verwerflichen Handlungen von Abgeordneten beschränkten Gesetzesentwurf zu erarbeiten. Dieser muss aber vorliegen, bevor die Ratifizierung des Abkommens der Vereinten Nationen, zu der wir durch die Unterzeichnung durch die rot-grüne Bundesregierung verpflichtet sind, erfolgen kann. Die zuletzt vorgelegten Entwürfe der Opposition wurden diesem Maßstab jedoch nicht gerecht.
Lassen Sie mich an dieser Stelle klarstellen, dass ich die Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfes, der die deutsche Rechtslage berücksichtigt und gleichzeitig klare Regeln schafft, unterstütze und mich weiterhin für einen entsprechenden Gesetzentwurf einsetzen werde.
Ich hoffe, Ihnen mit meinen Auskünften weitergeholfen zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Dr. Karl A. Lamers