Frage an Karl A. Lamers von Nikolaus J. bezüglich Wirtschaft
Zypern Rettungspaket
Sehr geehrter Herr Dr. Lamers,
Wir werden Sie zum Rettungspaket Zypern abstimmen?
Mit JA oder NEIN?
Unabhängig von Ihrem Abstimmungsverhalten bitte ich um eine ehrliche Antwort: fühlen Sie sich mehr Ihrem Gewissen oder mehr Ihrer Partei verpflichtet?
Mit freundlichen Grüßen
N. Jaschke
Sehr geehrter Herr Jaschke,
für Ihr Schreiben vom 17. April 2013 möchte ich Ihnen danken. Darin erkundigen Sie sich nach meinem Abstimmungsverhalten beim Rettungsprogramm für Zypern.
Bei der Abstimmung des Deutschen Bundestages über das geplante ESM-Hilfsprogramm für Zypern habe ich für das Programm gestimmt. Im Folgenden möchte ich Ihnen meine Gründe dafür darlegen.
Zunächst möchte ich betonen, dass es keinen Automatismus für europäische Hilfsprogramme gibt. Das haben die Verhandlungen über das Hilfsprogramm für Zypern erneut gezeigt. Es gilt weiterhin der Grundsatz: Wenn Hilfe, dann unter strikter Konditionalität. Das Empfängerland erhält durch die temporären Hilfskredite die Chance, über das Nachholen verpasster Strukturreformen und Konsolidierungsmaßnahmen wieder auf die eigenen Beine zu kommen. Das hilft dem Land und seinen Bürgern. Die kurzfristige Anpassungslast mag hart sein, da in kurzer Zeit viel nachgeholt werden muss. Sie wird aber auch durch weitere Hilfen wie zum Beispiel über die europäischen Strukturfonds abgemildert. Unter dem Strich zählt, dass das Land mittel- bis langfristig wieder eine Per¬spektive erhält – und zwar innerhalb der Eurozone.
Im Fall Zypern hat die Bundesregierung durch hartes und unnachgiebiges Verhandeln ein gutes Ergebnis erzielt. Im Sinne einer fairen Lastenteilung müssen sich Eigentümer, Gläubiger und Einleger der Banken an den Kosten der Bankenrestrukturierung beteiligen. Der zyprische Bankensektor wird auf ein nachhaltiges Niveau verkleinert. Die Einnahmebasis des Staates wird verbessert und die Haushaltskonsolidierung sowie weitere Strukturreformen für mehr Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit vorangetrieben. Auch die Fragen rund um die Geldwäsche werden angegangen.
Der Finanzbedarf Zyperns ist entgegen ursprünglichen Berechnungen höher als angenommen. Ihren Unmut hierüber kann ich durchaus nachvollziehen. Entscheidend für uns ist jedoch, dass das Programm auf max. 10 Mrd. Euro begrenzt ist und Zypern diesen höheren Bedarf selbst schultern muss.
Durch das Programm wird wird die Schuldentragfähigkeit Zyperns wieder hergestellt und das Land in die Lage versetzt, seine Schulden selbst zu meistern. Die Programmmittel werden nicht zur Rekapitalisierung der Laiki Bank oder der Bank of Cyprus verwendet. Das Programm soll vor allem der Haushaltsfinanzierung sowie in geringem Umfang der Umstrukturierung des übrigen Bankensektors dienen. Einlagen bis 100.000 Euro sind vollständig geschützt. Der zyprische Bankensektor leistet durch umfassende Beteiligung der Eigentümer und Anleihegläubiger sowie durch die teilweise Heranziehung der Einlagen über 100.000 Euro bei den beiden größten Banken seinen Beitrag. Die Größe des einheimischen Bankensektors soll auf EU-Durchschnitt sinken. Ohne eine Verringerung der Größe des weit überdimensionierten Bankensektors würden dauerhaft hohe Risiken für die Solvenz des zyprischen Staates bestehen bleiben.
Auf Basis der vereinbarten Programmeckwerte unterstütze ich das Hilfsprogramm ausdrücklich. Eine unkontrollierte Staatsinsolvenz wäre derzeit weitaus problematischer – auch wenn es sich bei Zypern nur um ein vergleichbar sehr kleines Land handelt. Vor allem mögliche Auswirkungen auf andere Mitgliedstaaten der Währungsunion sind daher zu beachten. In der jetzigen Lage der Eurozone würde eine Staatsinsolvenz Zyperns sehr wahrscheinlich eine heftige „Schockwelle“ auslösen und die noch unsichere Lage weiter verschärfen. Vor diesem Hintergrund stellt sich der Versuch, den in Schwierigkeiten geratenen Mitgliedsstaat unter strikter Konditionalität zu stützen weitaus weniger risikoreich auch für unsere deutschen Interessen dar.
Bei einer Staatsinsolvenz und einem dann wahrscheinlich zwingenden Austritt aus der Eurozone würde es zudem im betroffenen Land selbst zu massiven Auswirkungen kommen. Banken, Versicherungen, Rentenfonds und damit hauptsächlich Privatanleger wären betroffen, da Anleihen bzw. Guthaben trotz eines Währungswechsels noch immer in Euro dotiert wären und entsprechend kaum zum halbwegs akzeptablen Wert abgelöst werden dürften. Diese Situation wäre für die Menschen im betroffenen Land weitaus schlimmer als unter einem Hilfsprogramm. Darüber hinaus wäre dem Land jede Chance genommen, sich in halbwegs überschaubarer Zeit selbst wieder an den Kapitalmärkten finanzieren zu können.
Letztlich muss nach eingehender ökonomischer Analyse politisch abgewogen werden, welche Handlungsoption die beste ist. Die EU-Kommission hat in Zusammenarbeit mit der EZB gegenüber der Eurogruppe eine Gefährdung der Finanzstabilität in Europa dargelegt. Sie betont dabei die unmittelbaren Gefahren für die Finanzstabilität Griechenlands sowie weitere potenzielle Auswirkungen auf den gesamten Euroraum, die erneut Zweifel am Bestand der gemeinsamen Währung auslösen könnten. Dieses Risiko möchte ich nicht eingehen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion steht zu einem stabilen Euro, und das Hilfsprogramm kann einen substantiellen Beitrag dazu leisten.
Die Rettung unserer gemeinsamen Währung gehört zu den wichtigsten, aber auch zu den schwierigsten Aufgaben dieser Legislaturperiode. Nicht zuletzt hängt hiervon die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes ab. Als Abgeordneter ist es meine Aufgabe, zum Besten für unser Land und seine Bevölkerung zu handeln, auch wenn es bisweilen unbeliebte und nur schwer nachvollziehbare Entscheidungen sind. Bedenken kann ich durchaus verstehen. Ich möchte jedoch klar sagen, dass ich die Alternativen und sämtliche Vor- und Nachteile in Bezug auf jede Maßnahme zur Euro-Rettung genauestens abgewogen habe.
Auch mir ist manche Entscheidung nicht leichtgefallen, doch bin ich davon überzeugt, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden. Wir müssen Europa dauerhaft und nachhaltig stabilisieren.
Sollte es jedoch tatsächlich so kommen, dass sich Schulden-Länder an keine der gemachten Zusagen bezüglich Reformen und Sparprogrammen halten, sind der Unterstützung durch die Euro-Gemeinschaft selbstverständlich Grenzen gesetzt. Denn Solidarität ist keine Einbahnstraße, hierin sind wir uns sicher einig.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Karl A. Lamers MdB