Frage an Karl A. Lamers von Michael Adam K. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Dr. Lamers,
sicherlich haben Sie schon vom Protestaufruf der 172 Wirtschaftsprofessoren gehört - vielleicht haben Sie ihn auch schon gelesen. Falls nicht, anbei der Link:
Ich möchte Sie folgendes fragen:
Glauben Sie wirklich das sich diese 172 Professoren täuschen die ja hiermit, gegen ihre betriebene Politik, opponieren?
Mit freundlichen Grüßen aus B.C.,
Michael A. Kimpel
ps. die Kanadier und viele Koreaner, mit denen ich hier zusammenarbeite, können gar nicht nachvollziehen das wir so viele Bürgschaften übernehmen.
Sehr geehrter Herr Kimpel,
für Ihr Schreiben vom 6. Juli 2012, in dem Sie mir Ihre Bedenken in bezug auf die Unterstützung spanischer Banken erläutern, möchte ich Ihnen danken.
Die Rettung unserer gemeinsamen Währung gehört zu den wichtigsten, aber auch zu den schwierigsten Aufgaben dieser Legislaturperiode. Nicht zuletzt hängt hiervon die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes ab. Als Abgeordneter ist es jedoch meine Aufgabe, zum Besten für unser Land und seine Bevölkerung zu handeln. Auch wenn es bisweilen unbeliebte und nur schwer nachvollziehbare Entscheidungen sind. Bedenken kann ich durchaus verstehen. Ich möchte jedoch klar sagen, dass ich die Alternativen und sämtliche Vor- und Nachteile in Bezug auf jede Maßnahme zur Euro-Rettung – seien es nun die Finanzhilfen für Griechenland, die Einrichtung des dauerhaften Euro-Rettungsschirms ESM oder der Fiskalvertrag – genauestens abgewogen habe.
Am 29. Juni wurden die Verträge zum europäischen Fiskalpakt und zur Einrichtung und Finanzierung des ESM vom Deutschen Bundestag mit großer Mehrheit von CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen verabschiedet. Beide Vorhaben – der Fiskalpakt als Schuldenbremse sowie der ESM als ständiger Euro-Rettungsschirm – gehören zusammen und sollen unsere gemeinsame Währung dauerhaft stabilisieren.
Der Fiskalvertrag ist der zentrale Baustein einer neuen Stabilitätskultur in Europa. Mit ihm geht die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten eine der fundamentalen Ursachen der Schuldenkrise in der Euro-Zone an: Ausufernden Staatsschulden und mangelnder Haushaltsdisziplin werden klare Grenzen gesetzt. Nur Länder, die auch den Fiskalvertrag ratifiziert haben, werden Mittel aus dem ESM erhalten, unter strikten Auflagen und zu angemessenen Zinsen. Die Schulden-Länder werden zu Reformprogrammen verpflichtet, Defizite müssen reduziert und die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden.
Die Abstimmungen im Bundestag fanden unmittelbar nach dem Euro-Gipfel am 28./ 29. Juni statt. Dieser hat in der Öffentlichkeit zu viel Verwirrung geführt. Doch auch nach dem Gipfel gilt: Finanzhilfen ohne Gegenleistungen wird es nicht geben. Sämtliche Beschlüsse, die der EU-Gipfel getroffen hat, müssen nun noch im Detail ausgearbeitet werden. Das gilt beispielsweise auch für eine mögliche direkte Rekapitalisierung von Banken durch den ESM. Voraussetzung hierfür ist eine gemeinsame Bankenaufsicht in der Euro-Zone. Und auch dann werden Banken nur unter strengen Auflagen Unterstützung aus dem ESM erhalten.
Auch für die spanischen Banken gilt: keine Hilfe ohne Gegenleistung. Bereits im vergangenen Jahr haben die Euro-Staaten eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht, um die Banken durch striktere Vorgaben und stärkere Überwachung widerstandsfähiger gegen Verluste zu machen. Ein erster großer Erfolg zeigte sich darin, dass der – von vielen Mitgliedern unserer Fraktionen geforderte – Schuldenschnitt in Griechenland ohne Verwerfungen auf den Finanzmärkten realisiert werden konnte.
Wir dürfen nicht vergessen, dass die Staatsschuldenkrise in Europa zu einem Zeitpunkt begann, als die europäischen Banken in Folge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise, die 2007/2008 ihren Ursprung in den USA nahm, erheblich geschwächt waren. Seither ist es ein zentrales Element der Krisenbekämpfung, darauf hinzuwirken, dass sich Banken- und Staatsschuldenkrise nicht wechselseitig verstärken. Wir dürfen nicht zulassen, dass es zu einem Teufelskreis kommt, in dem Banken Finanzierungsschwierigkeiten haben, weil die finanzielle Leistungsfähigkeit des betroffenen Mitgliedsstaates angezweifelt wird, und Staaten vornehmlich deswegen Finanzierungsprobleme haben, weil unklar ist, wie stark sie für etwaige Stützungen von Banken in Anspruch genommen werden.
Wir haben uns in Europa schon im vergangenen Herbst auf ein Verfahren verständigt, nach dem zunächst die großen europäischen Banken schrittweise so viel Eigenkapital vorhalten müssen, dass sie auch im Fall sehr ungünstiger wirtschaftlicher Entwicklungen ihre Verluste noch selbst tragen können. Dies sollte in drei Schritten geschehen. Zunächst waren die Banken gefordert, sich bis Ende Juni 2012 selbst am Markt zu rekapitalisieren. Wenn sie es nicht schaffen – wie wir heute wissen, betrifft dies nur eine Minderheit unter den großen Banken Europas – dann sollen nationale Stabilisierungsfonds nach dem Muster des in Deutschland bestehenden "Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung" einspringen. Wenn ein Staat dies nicht leisten kann und die Stabilität des Euro hierdurch gefährdet ist, kann als letzte Möglichkeit der temporäre Rettungsschirm EFSF bzw. später der ESM dem betroffenen Staat unter Auflagen Beistand leisten.
Die Möglichkeit solcher – an Bedingungen geknüpfter – Hilfen an Staaten zur Rekapitalisierung von Banken haben wir im vergangenen Jahr nach ausführlicher Beratung im Deutschen Bundestag geschaffen, um EFSF und ESM in die Lage zu versetzen, Ansteckungseffekten in der Eurozone nach entsprechenden Beschlüssen unter Beteiligung des Bundestages schnell und effizient entgegentreten zu können.
Spanien hat derartige Hilfen zur Rekapitalisierung seiner Banken auf der Basis dieses bestehenden Instrumentariums von EFSF/ESM beantragt. Nach Eingang des Antrags ist nun die Lage jeder einzelnen Bank Schritt für Schritt zu prüfen. Ähnlich wie in Deutschland muss es darum gehen, notleidende Banken notfalls gesundzuschrumpfen oder geregelt abzuwickeln, vor Einsatz öffentlicher Mittel zunächst die Eigentümer finanziell zu beteiligen und nicht zuletzt auch die Managementvergütungen in unterstützten Instituten zu beschränken. Am 9. Juli 2012 hat eine erste politische Beratung der Finanzminister der Eurozone zu dieser Frage stattgefunden. Das weitere Vorgehen, insbesondere die konkreten Auflagen für Spanien, wurden in einer gesonderten Sitzung am 20. Juli 2012 beschlossen. Voraussetzung hierfür war die vorherige Zustimmung des Deutschen Bundestages.
Auch mir ist manche Entscheidung nicht leichtgefallen, doch bin ich davon überzeugt, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden. Wir müssen Europa dauerhaft und nachhaltig stabilisieren.
Sollte es jedoch tatsächlich so kommen, dass sich Schulden-Länder wie Griechenland, Italien oder Spanien an keine der gemachten Zusagen bezüglich Reformen und Sparprogrammen halten, sind der Unterstützung durch die Euro-Gemeinschaft selbstverständlich Grenzen gesetzt. Denn Solidarität ist keine Einbahnstraße, hierin sind wir uns sicher einig.
Durch die umfassenden Maßnahmen zur Euro-Rettung, insbesondere durch den dauerhaften Rettungsschirm ESM in Kombination mit dem Fiskalpakt, wäre beispielsweise bei einem möglichen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone oder einer geordneten Insolvenz die Infektionsgefahr für die übrigen Euro-Staaten dann aber wesentlich geringer, als dies noch vor einigen Monaten der Fall gewesen wäre. Insgesamt bin ich von der Notwendigkeit des Fiskalpakts sowie des ESM überzeugt und habe daher im Deutschen Bundestag für die Annahme des Gesetzespakets gestimmt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Karl A. Lamers