Frage an Karl A. Lamers von Stephan W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Lamers,
Sie sind ja Jurist, wie sehen Sie die Einführung der "Euro-Bons"?
Werden Sie einer entsprechenden Regelung zustimmen, und wenn nein, würden Sie sich dafür stark machen, die Sache schnellst möglich vor den BGH zu bringen?
Als Bürger dieses Landes hatte ich bereits bei der Einführung des Euros und den daraus entstehenden wirtschaftlichen Verflechtungen große Bauchschmerzen. Nun sehen sich meine schlimmsten Befürchtungen durch das vergangene Jahr bestätigt.
Wieso kann über die Köpfe der Bürger in einer solchen Weise hinweg bestimmt werden, und die Verträge und Gesetzte, welche früher zum SCHUTZE des deutschen Volkes getroffen wurden, nun so leichtfertig übergangen werden?
Müsste nicht jeder Abgeordnete vor Gericht zitiert werden, da er ganz klar und ohne Zweifel dem deutschen Volke schadet, in dem große finanzielle Belastungen entstehen, welche nur schwer zu verkraften sind.
Bei Harz 4 etc. wird über wenige Millionen diskutiert und beraten bis man schwarz wird, hier aber werden dann Milliarden um Milliarden feil geboten. Für den einfachen Bürger bleibt da nichts mehr übrig und an der Masse der Menschen muss dann gespart werden, da man ja bei den Vermögenden nur schwerlich zulangen kann, da man ja Abwanderung befürchtet, oder andere eigene Interessen verfolgt, welche einer solchen Entscheidung entgegen stehen.
Was kann ich als Bürger von Ihnen also erwarten? Wie kann ich also für die Zukunft sicher sein, das Sie in meinem Interesse abstimmen, und so meine Meinung im Bundestag repräsentieren?
Daher würde ich gern eine ausführliche Stellungnahme von Ihnen zu diesem Thema erhalten, damit ich auch in Zukunft mit Gewissheit sagen kann ob ich Ihnen meine Stimme wieder anvertrauen kann oder nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Walter
Sehr geehrter Herr Walter,
für Ihr Schreiben, in dem Sie mir Ihre Sorgen und Bedenken in bezug auf die Euro-Rettung uns insbesondere Euro-Bonds erläutern, möchte ich Ihnen danken. Zunächst bitte ich Sie jedoch um Entschuldigung, dass ich Ihnen erst jetzt antworte. In Anbetracht der Vielzahl an Schreiben, die mich täglich erreichen, war Ihre Anfrage in meinem Büro untergegangen und wurde mir erst jetzt vorgelegt.
Die Rettung unserer gemeinsamen Währung gehört zu den wichtigsten, aber auch zu den schwierigsten Aufgaben dieser Legislaturperiode. Nicht zuletzt hängt hiervon die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes ab. Als Abgeordneter ist es jedoch meine Aufgabe, zum Besten für unser Land und seine Bevölkerung zu handeln. Auch wenn es bisweilen unbeliebte und nur schwer nachvollziehbare Entscheidungen sind. Bedenken kann ich durchaus verstehen. Ich möchte jedoch klar sagen, dass ich die Alternativen und sämtliche Vor- und Nachteile in Bezug auf jede Maßnahme zur Euro-Rettung – seien es nun die Finanzhilfen für Griechenland, die Einrichtung des dauerhaften Euro-Rettungsschirms ESM oder der Fiskalvertrag – genauestens abgewogen habe.
Am 29. Juni wurden die Verträge zum europäischen Fiskalpakt und zur Einrichtung und Finanzierung des ESM vom Deutschen Bundestag mit großer Mehrheit von CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen verabschiedet. Beide Vorhaben – der Fiskalpakt als Schuldenbremse sowie der ESM als ständiger Euro-Rettungsschirm – gehören zusammen und sollen unsere gemeinsame Währung dauerhaft stabilisieren.
Ein automatischer Ausgleichsmechanismus würde unser Land überfordern und gleichzeitig den Grundgedanken, auf dem die europäische Union beruht, aushöhlen. Insofern müssen wir auch aus Rücksicht auf künftige Generationen die Belastungen beschränken. Hier unterstütze ich Sie in Ihrem Anliegen. Eine „EU-Transferunion“, einen dauerhaften Länderfinanzausgleich, wird es daher mit uns nicht geben. Jedes Land muss zuallererst selbst dafür Sorge tragen, dass der Haushalt in Ordnung ist und die geforderten Kriterien erfüllt werden.
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hat sich stets gegen die Einführung von Euro-Bonds gestellt und versichert, dass es unter ihrer Kanzlerschaft nicht zu einer Einführung dieses umstrittenen Instruments kommen wird. Euro-Bonds, das bedeutet Vergemeinschaftung von Schulden. Euro-Bonds sind ein Instrumentarium, um sich günstig neu zu verschulden. Sie erleichtern die Fortsetzung der Schuldenpolitik, die Europa in die Krise geführt hat. Hierin sind wir uns sicher einig. Sie setzen keinerlei Anreize für hochverschuldete Länder zu sparen. Im Gegenteil: Sogar Länder, die kurz vor der Insolvenz stehen, bekämen wieder leichteren Zugang zum Kapitalmarkt. So bekämen wir neue Wachstumsprogramme auf Pump. Euro-Bonds bedeuten für Deutschland letztlich höhere Zinsen, obwohl es an den Finanzmärkten eine hohe Bonität genießt. In hochverschuldeten Ländern hingegen würden die Zinsen sinken. Das wollen wir dem deutschen Steuerzahler nicht zumuten!
Der Fiskalvertrag dagegen ist der zentrale Baustein einer neuen Stabilitätskultur in Europa. Mit ihm geht die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten eine der fundamentalen Ursachen der Schuldenkrise in der Euro-Zone an: Ausufernden Staatsschulden und mangelnder Haushaltsdisziplin werden klare Grenzen gesetzt. Nur Länder, die auch den Fiskalvertrag ratifiziert haben, werden Mittel aus dem ESM erhalten, unter strikten Auflagen und zu angemessenen Zinsen. Die Schulden-Länder werden zu Reformprogrammen verpflichtet, Defizite müssen reduziert und die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden.
Sollte es jedoch tatsächlich so kommen, dass sich Schulden-Länder wie Griechenland, Italien oder Spanien an keine der gemachten Zusagen bezüglich Reformen und Sparprogrammen halten, sind der Unterstützung durch die Euro-Gemeinschaft selbstverständlich Grenzen gesetzt. Denn Solidarität ist keine Einbahnstraße, hierin sind wir uns sicher einig.
Durch die umfassenden Maßnahmen zur Euro-Rettung, insbesondere durch den dauerhaften Rettungsschirm ESM in Kombination mit dem Fiskalpakt, wäre beispielsweise bei einem möglichen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone oder einer geordneten Insolvenz die Infektionsgefahr für die übrigen Euro-Staaten dann aber wesentlich geringer, als dies noch vor einigen Monaten der Fall gewesen wäre. Insgesamt bin ich von der Notwendigkeit des Fiskalpakts sowie des ESM überzeugt und habe daher im Deutschen Bundestag für die Annahme des Gesetzespakets gestimmt.
Mit freundlichen Grüßen
Karl A. Lamers