Frage an Karin Binder von Corinna O. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Frau Binder,
in Erlangen wurden 160000 Enten im Zuge der Vogelgrippebekämpfung getötet. Dabei wird im Stroh nach Wildvogelkot als Infektionsquelle gesucht. An die Wild- und Zugvogeltheorie glaubt heute keiner mehr, da sie sich nie bewahrheitet hat! Weshalb wird bei der Analyse der Ursache stets die Massentierhaltung nicht berücksichtigt? Nur dort hat der Virus die Möglichkeit in kurzer Zeit unter Einschaltung eines extrem hohen Vermehrungszyklus Mutationen zu produzieren. Schnell kann so aus einem nichtpathogenen Virus ein hochpathogener werden. Bitte teilen Sie mir mit, was Sie zu unternehmen gedenken, damit die Massentierhaltung und ihr Güterverkehr hinsichtlich der Verbreitung des Vogelgrippevirus endlich genauer unter die Lupe genommen werden?
Mit freundlichen Grüßen
Corinna Orthey
Sehr geehrte Frau Orthey,
zwei Streitpunkte sind schon seit langer Zeit in der Diskussion und haben bis heute leider noch nicht zu einem positiven Ergebnis geführt:
1. Die Stallpflicht:
In Risikogebieten können die amtlichen Veterinäre beim Auftreten der Vogelgrippe eine generelle Stallpflicht verordnen. Dieses trifft dann alle Geflügelhalter der betroffenen Regionen. Hintergrund ist, dass wiederholt bei Wildvögeln der gefährliche Subtyp der Vogelgrippe H5N1 aufgetreten ist und befürchtet wird, dass Hausgeflügel, insbesondere Hühner infiziert werden. Nachgewiesen ist nach letzten Darstellungen des Friedrich Löffler Instituts, dass gerade Hühner besonders empfindlich auf die Infektion reagieren. Eine direkte Behandlung erkrankter Tiere ist nicht möglich. Beim Auftreten von Infektionen werden betroffene Bestände getötet. Nach unseren Informationen ist es auch so, dass eben nicht nur große industrielle Geflügelbestände betroffen sind oder sein können, sondern zum Teil auch sehr kleine Betriebe. In Betrieben mit Massentierhaltung erzeugt die Tötung so vieler Tiere naturgemäß eine sehr viel größere mediale Aufmerksamkeit. Das Problem der Mutation gering pathogener Virenstämme in die hoch pathogenen Subtypen, womöglich gefördert durch die industrielle Tierhaltung verschärft die Situation. In der neuen Verordnung ist es daher möglich (nach EU Recht) auch bei dem Auftreten gering pathogener Viruserkrankungen schon vorsorglich das ganze Programm der Seuchenbekämpfung eintreten zu lassen. Dabei ist für uns in der Linken klar, dass die Seuchenbekämpfung nicht dazu führen darf, dass die Freilandhaltung von Geflügel nicht mehr möglich ist.
2. Die Impfung:
Die Auffassungen von Wissenschaftlern zu präventiven Impfung gegen die Vogelgrippe sind leider unterschiedlich. Darauf beruhten die verschiedenen Maßnahmen zur Eindämmung der Seuche zum Beispiel in den Niederlanden und in Deutschland. Eindeutig scheint aber zu sein, dass ein wirksamer und den europäischen Kriterien entsprechender Impfstoff schlichtweg noch nicht vorhanden ist. Ein Zeitraum, bis wann ein solcher Impfstoff denn verfügbar ist, wird noch nicht konkret genannt! Der in Holland eingesetzte Impfstoff in Kleinbetrieben scheint leider nicht die erwartete Wirkung zu zeigen.
Selbstverständlich ist eine Impfstrategie gegen H5N1 unbedingt erforderlich. Zu überlegen ist auch, ob nicht etwas unterschiedlicher Verfahren durchgeführt werden können für Wirtschaftsbetriebe und für Hobbyhalter und Kleinbetriebe. Es darf allerdings auch nicht passieren, dass zu Gunsten der Pharmaindustrie vorschnell ein Impfstoff zugelassen wird der unzureichend ist.
Es ist klar, dass wir im Augenblick noch nicht über befriedigende Antworten verfügen. Aus unserer Sicht dürfen auch nicht die verschiedenen Interessengruppen gegeneinander ausgespielt werden. So darf es weder passieren, dass die Freilandhaltung von Geflügel verdrängt wird, noch ist aus unsere Sicht allein der Wirtschaftsgeflügelhaltung die Schuld an der Vogelgrippe vorzuwerfen. So wie die Erkenntnisse heute liegen, sind die Risiken in den Massentierhaltungsbetrieben zwar größer (rein zahlenmäßig), sie liegen aber eben nicht allein dort.
Mit freundlichen Grüßen
Karin Binder