Kennen sie Bremerhaven? Wenn ja, woher? Was würden sie für Bremerhaven Unternehmen?
Sehr geehrter Herr T.
Bremerhaven würde ich als meine Heimatstadt bezeichnen. Ich bin zwar in einem etwa 20km entfernten Dort aufgewachsen, aber Bremerhaven ist mein Geburtsort und - was noch viel wichtiger ist - die Stadt, in der und mit der ich aufgewachsen bin. Für meine Familie, meine FreundInnen und mich war Bremerhaven die nächste große Stadt und spätestens, seit ich dort auf ein Gymnasium gegangen bin, habe ich sehr viel Zeit in Bremerhaven verbracht, z.B. um Sport zu machen, ins Theater oder Kino zu gehen, die Stadtbibliothek zu nutzen oder FreundInnen in der Bürger und am Deich zu treffen. Eine kurze Zeit habe ich sogar in Bremerhaven in Geestemünde gelebt und bin von dort aus wegen des Studiums nach Bremen gependelt. Aufgrund der Tatsache, dass das Pendeln im Zug oft mit Stress und Schienenersatzverkehr einherging, bin ich schließlich vor etwa vier Jahren nach Bremen gezogen.
Das bringt mich zu dem ersten Punkt, den ich in Bremerhaven anpacken würde und der eines meiner Herzensthemen für unsere Region ist: Der ÖPNV in und um Bremerhaven sowie die Anbindung an den Schienenfernverkehr müssen dringend ausgebaut werden. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass selbst die vergleichsweise kurze Strecke Bremerhaven - Bremen häufig nicht reibungslos läuft. Eine bessere Erreichbarkeit erleichtert das Pendeln und macht Bremerhaven als Besuchsziel attraktiver. Ein in meinen Augen sehr wichtiger Aspekt, um die Mobilität innerhalb der Stadt zu verbessern, sind endlich flächendeckend gute und sichere (bzw. überhaupt erstmal vorhandene) Fahrradwege, die Bremerhavens Potential zu einer Fahrradstadt nutzbar machen. Hier muss endlich in den Fahrradverkehr investiert werden, damit sich Bremerhaven tatsächlich auf den Weg zu einer Klimastadt macht.
Die Havenwelten entwickeln sich zu einem Tourismus-Magneten. Das ist eine schöne und positive Entwicklung, jedoch dürfen die Havenwelten nicht das alleinige Ziel der Investitionen und Bemühungen sein. Bremerhaven soll nicht primär für den Tourismus, sondern vor allem für die Menschen dort, die BremerhavenerInnen, attraktiv und lebenswert sein!
Neben einem konsequenten Ausbau des Fahrradverkehrs, der die Stadt automatisch lebendiger macht, halte ich vor allem folgende Bereiche für essentiell:
Bildung: Bremerhaven (bzw. Bremen) darf nicht hinter anderen Bundesländern zurückbleiben; es muss aktiv um Fachkräfte aus verschiedenen Disziplinen geworben werden, damit diese Bremerhaven als Arbeitsplatz in Erwägung ziehen; ein verpflichtendes Kita-Jahr vor Schuleintritt für mehr (sprachliche) Chancengleichheit halte ich für diskutabel; Bildung soll aber nicht nur an Schulen, Kindertagesstätten und anderen Einrichtungen stattfinden: vielmehr braucht es Konzepte, welche die Familien bzw. das soziale Umfeld der Kinder von Anfang an mit ins Boot holen.
Innenstadt/Wirtschaft: die Bürger, die Innenstadt Bremerhavens, muss wieder mit Leben gefüllt werden; hier sollte sich um potentiell langfristig erfolgreiche Konzepte bemüht werden statt Ladenflächen nach kurzer Zeit immer wieder neu zu vermieten oder leerstehen zu lassen; es gilt, innovative, moderne und attraktive Geschäftsideen bspw. mit geringen Einstiegsmieten zu unterstützen; ebenso muss die Innenstadt aber auch ein Ort der Begegnungen und mit einer gewissen Aufenthaltsqualität sein, der nicht nur das Bedürfnis nach Konsum erfüllt: hier brauchen wir mehr Grün statt mehr Beton (als Negativbeispiel vgl. die Sitzgelegenheiten am zugepflasterten Deich), abwechslungsreiche und ansprechende Innen- und Außengastronomie sowie öffentliche Räume für Kultur, Kunst, Lesungen, Sprach-Cafés und vieles mehr. Ich bin mir sicher, wenn wir daran arbeiten, die BürgerInnen wieder mehr in die Planung und Gestaltung der Innenstadt einzubeziehen, wird es viele gute Ideen geben und Menschen werden bereit sein, Verantwortung für ihre Stadt zu übernehmen.
Arbeitslosigkeit: Arbeit gewährt uns nicht nur einen Lohn oder ein Gehalt, sondern kann auch Sinn stiften und bei der Integration helfen. Die Arbeitslosigkeit ist dementsprechend auf jeden Fall dringend anzugehen. Wenn sich die Innenstadt wieder erholt, werden einige Arbeitsplätze geschaffen. Ein Mangel an Arbeitsmöglichkeiten ist aber nicht die alleinige Ursache für Arbeitslosigkeit. Weitere wichtige Ursachen müssen genau analysiert und anschließend angegangen werden. Ich denke, dass langfristiger Erfolg nur dann möglich ist, wenn man die Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, da abholt, wo sie stehen. Sanktionen in Form von Hartz IV-Abzügen bzw. die Androhung dieser spaltet nur mehr und exkludiert Menschen immer stärker aus der Arbeitswelt und somit auch aus der Gesellschaft.
Selbstverständlich gibt es viel mehr zu tun. Deshalb habe ich mich in dieser Antwort auf die aus meiner Sicht zentralen Punkte beschränkt. Es wird auf jeden Fall Zeit, dass in Bremerhavens Zukunft investiert wird. Ich sehe in meiner Heimatstadt viel Potential und möchte mich dafür einsetzen, dass sie nicht nur einen schicken touristischen Hafen hat, sondern eine Stadt ist, in der man gut und gerne lebt.