Frage an Kai Wegner von Christoph R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Wegener,
nach einem Bericht der Berliner Morgenpost gibt es Bestrebungen, türkisch oder arabisch zwangsweise an Grundschulen zu unterrichten.
Meine Frage an Sie: wie positionieren Sie sich zu diesem Thema?
Was halten Sie von "Multi-Kulti" insgesamt?
Herzlichen Dank für Ihre Antwort
Christoph Ritter
Sehr geehrter Herr Ritter,
herzlichen Dank für Ihre Frage, zu der ich gern wie folgt Stellung nehme:
Die gesellschaftlichen Realitäten zwingen die Politik, durchaus auch neue Wege zu gehen. Wir stellen fest, dass immer mehr Familien sowohl deutscher, wie auch nicht-deutscher Herkunft nicht mehr in der Lage sind, ihre Kinder entsprechend auf ihr Leben vorzubereiten. Dazu gehört unter anderem auch, den Kindern von Geburt an die deutsche Sprache in ausreichendem Maße beizubringen. So kommt es nicht selten vor, dass in bestimmten Teilen Berlins der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund weit über 50 % liegt. Dies erschwert die Arbeit der häufig sehr motivierten Lehrerinnen und Lehrer in erheblichem Maße und behindert die Entwicklung aller Kinder in einem solchen Klassenverbund. Eine generelle flächendeckende Regelung, Grundschulen mit Lehrern auszustatten, die neben Deutsch wenigstens eine andere Sprache wie Türkisch, Arabisch oder Russisch sprechen, halte ich für nicht zielführend. Im Einzelfall jedoch kann dies durchaus sinnvoll sein. Dies sollte in das Ermessen der entsprechenden Grundschule gestellt werden. Die Schulleitungen vor Ort können mit ihren Lehrerinnen und Lehrern am Besten einschätzen, ob eine solche Regelung Sinn macht. Denn es muss auch weiterhin unser oberstes Ziel sein, die Integration in die deutsche Gesellschaft zu fördern. Dabei kommt den Eltern eine entscheidende Rolle zu. Es muss uns gelingen, die Eltern noch stärker in die Pflicht zu nehmen und sie notfalls auch mit Druck davon zu überzeugen, dass die deutsche Sprache sowohl für Kinder als auch für die Eltern ein wichtiger Baustein für eine erfolgreiche Integration ist. Denn alle Bemühungen durch frühkindliche Bildungsangebote und schulische Ganztagsangebote würden sonst weiter konterkariert. Dies können und dürfen wir so nicht hinnehmen.
Grundsätzlich halte ich jedoch eine Menge davon, den Kindern und Jugendlichen das Erlernen möglichst vieler Fremdsprachen anzubieten. Denn für die beruflichen Perspektive ist das Erlernen mehrerer Fremdsprachen durchaus sehr hilfreich. Dabei wird gerade auch die Russische Sprache weiter an Bedeutung zunehmen. Denn schon heute verbinden Deutschland und Russland neben den vielen kulturellen und politischen Beziehungen auch starke wirtschaftliche Verflechtungen. Sie fragen mich auch, was ich von „Multi-Kulti“ insgesamt halte. Grundsätzlich halte ich nichts von diesen völlig unzureichend definierten Schlagworten und „Kampfbegriffen“. Fest steht, dass gerade in Berlin eine Vielzahl von Menschen mit unterschiedlichem Migrationshintergrund leben. Viele davon sind bereits integriert und akzeptiert oder befinden sich auf einem guten Weg dorthin. Unsere weltoffene und kulturell reichhaltige Gesellschaft muss bewahrt und tagtäglich geschützt werden. Minderheiten dürfen nicht als Bedrohung des Gewohnten, sondern müssen als Chance für die Vielfältigkeit unserer Gesellschaft verstanden werden. Es nutzt aber auch nichts, die Augen vor Fehlentwicklungen zu verschließen. Bis weit in die 90er Jahren hinein hat die Politik es versäumt, sich intensiv mit dem Thema Integration zu beschäftigen und ein entsprechendes Maßnahmenpaket zu schnüren. Lange wurde politisch darüber gestritten, ob das Erlernen der deutschen Sprache ein zentraler Bestandteil einer gelungenen Integration ist. Erst viel zu spät wurde dies zu einem gesellschaftlichen Konsens. Auf diesen Versäumnissen beruht noch heute ein Großteil unserer Probleme. Ich befürworte eine Gesellschaft die weltoffen und tolerant ist. Dabei muss das Grundgesetz von allen Menschen, egal mit welchem religiösen oder kulturellen Hintergrund, akzeptiert und anerkannt werden.
Wir müssen eine gemeinsamen Werten verpflichtende Integrationspolitik betreiben. Dazu gehört, in viel stärkerem Maße die Sprachkompetenz im schulischen Bereich zu fördern als auch ausreichende Bildungsangebote für erwachsene Migranten anzubieten. Denn unser aller Ziel sollte es sein, die in Berlin lebenden Migranten nicht abzuschreiben, sondern auf eine erfolgreiche Integration hinzuwirken.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Kai Wegner