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Kai Wegner
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Frage von Christoph W. •

Frage an Kai Wegner von Christoph W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Wegner,

auf Ihrer Homepage haben Sie am 23.02.17 eine "Geschlechterquote" für Asylbewerber vorgeschlagen. Dazu einige Fragen:

1. Sie schreiben: "Im Jahr 2016 wurden laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 722.370 Asylerstanträge gestellt. 65,7% davon von Männern." Dieser Prozentsatz bezieht sich jedoch nicht auf volljährige Männer, sondern auf männliche Asylbewerber, also auch auf Kinder und Jugendliche, die für Sie "besonders schutzbedürftig" sind. Von den 474.566 männlichen Bewerbern waren 114.533 jünger als 18 Jahre. Der Anteil Männer liegt deshalb bei 54,4%. Warum versuchen Sie, einen anderen Eindruck zu vermitteln?

2. Weiter schreiben Sie: "Häufig sind diese Männer alleinstehend und haben auch im Herkunftsland keine Partnerin." Worauf stützen Sie ihre Aussage? Wie häufig ist "häufig"?

3. In Art. 3 GG steht ganz klar: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes […] benachteiligt oder bevorzugt werden." Wie verträgt sich das mit Ihrem Vorschlag?

4. Viele Familien schicken Männer vor, weil die Flucht nach Europa für Frauen und Kinder zu gefährlich ist. Wenn Sie für ein ausgeglicheneres Geschlechterverhältnis sind, warum setzen Sie sich dann nicht für legale Fluchtmöglichkeiten ein, damit Frauen und Kinder nicht mehr der Gefahren der Flucht ausgesetzt werden?

5. Nach einem erfolgreichen Asylverfahren können diese Männer ihre Familien nachholen und so – wie von Ihnen gefordert – das Geschlechterverhältnis ausgleichen. Allerdings haben Sie am 25.2.2016 im Bundestag für eine Einschränkung des Familiennachzugs gestimmt. Wie erklären Sie diesen Widerspruch?

6. Im Gegensatz zu Frauen droht vielen Männern in ihren Heimatländern die Zwangsrekrutierung. In Syrien müssen sie entweder für das Assad-Regime oder seine Gegner kämpfen. Letztere haben aber – mit Ausnahme des IS – militärisch keinerlei Optionen. Wollen Sie also tatsächlich Menschen in die Arme des Regimes, der Terroristen oder in den sicheren Tod treiben?

Vielen Dank
Christoph Wickert

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Sehr geehrter Herr Wickert,

vielen Dank für Ihre Anfrage und das damit zum Ausdruck gebrachte Interesse an meiner Positionierung zur Flüchtlingssituation. Gerne nehme ich zu Ihren Ausführungen Stellung.

Zunächst erlaube ich mir eine Klarstellung zu den von Ihnen aufgeführten Zahlen. Im Jahr 2016 wurden laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 722.370 Asylerstanträge gestellt, 65,7% davon von männlichen Antragstellern, 34,3% von weiblichen Antragstellern. Von den insgesamt 722.370 Antragstellern waren 261.386 jünger als 18 Jahre (154.533 männlich, 106.853 weiblich). Betrachten wir im Folgenden nur die Antragsteller, die mindestens 18 Jahre alt waren, so stehen 320.033 männlichen Antragstellern über 18 Jahren lediglich 140.951 weibliche Antragsteller über 18 Jahren gegenüber. Von den volljährigen Antragstellern waren mithin 69,4% männlich, und lediglich 30,6% weiblich. Wir sehen hier also statistisch belegt ein klares Ungleichgewicht zulasten von Frauen, die gemeinhin als besonders schutzbedürftig anzusehen sind.

Ihre Überlegungen zum Familiennachzug gehen insofern fehl, als dass es bei der Einschränkung des Familiennachzuges nicht um Asylberechtigte geht, sondern um Flüchtlinge mit subsidiärem Schutzstatus. Asyl erhält, wer in seinem Heimatland politisch verfolgt wird. Asylberechtigte genießen das Recht zum Familiennachzug. Flüchtlinge hingegen sind Menschen, die aus Kriegsgebieten fliehen. Die Koalition aus CDU, CSU und SPD hat sich darauf verständigt, den Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutz für zwei Jahre auszusetzen. So können Kapazitäten für weitere Integrationsleistungen geschaffen werden. Dieser gemeinsamen Entscheidung der Koalition habe auch ich im Bundestag meine Stimme gegeben, wie Sie richtigerweise anmerken. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bereits im letzten Jahr ihre Erwartung an diese Personengruppe mit temporärem Schutzstatus zum Ausdruck gebracht, „dass, wenn wieder Frieden in Syrien ist und wenn der IS im Irak besiegt ist, dass ihr auch wieder, mit dem Wissen, was ihr jetzt bei uns bekommen habt, in eure Heimat zurückgeht.“ Der Aufenthalt der Flüchtlinge in Deutschland ist vom Grundsatz her also temporär angelegt. Da erscheint ein erleichterter Familiennachzug nicht als das drängendste Problem.

Es wird Sie sicher freuen zu hören, dass ich es befürworte, Angehörige von in Deutschland befindlichen Flüchtlingen, die in Flüchtlingscamps in der Türkei, Jordanien und dem Libanon sind, vorrangig mit Kontingenten nach Deutschland zu holen, wie es im Rahmen des Asylpakets II vereinbart wurde.

Damit leite ich über zu einer rechtlichen Betrachtungsweise hinsichtlich der Flüchtlingsaufnahme. Unser Grundgesetz stellt in Artikel 16a Absatz 2 klar, dass sich auf Asyl nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist. Laut § 18 Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes ist Personen gar die Einreise zu verweigern, wenn diese aus einem sicheren Drittstaat einreisen. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu festgestellt: „Wer aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG anreist, bedarf des Schutzes der grundrechtlichen Gewährleistung des Absatzes 1 in der Bundesrepublik Deutschland nicht, weil er in dem Drittstaat Schutz vor politischer Verfolgung hätte finden können.“ Weiterhin hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt: „Da nach der derzeit geltenden Rechtslage (Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG und Anlage I zu § 26a AsylVfG) alle an die Bundesrepublik Deutschland angrenzenden Staaten sichere Drittstaaten sind, ist ein auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland einreisender Ausländer von der Berufung auf Art. 16 a Abs. 1 GG ausgeschlossen.“

Dass Abweisungen an der Grenze nicht nur rechtlich, sondern auch faktisch möglich sind, verdeutlicht der Umstand, dass die Bundespolizei im letzten Jahr insgesamt 620 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufgrund fehlender Einreisevoraussetzungen an der deutschen Grenze abgewiesen hat. Wenn sogar minderjährige unbegleitete Flüchtlinge an der deutschen Grenze faktisch abgewiesen werden, sollte dies erst Recht bei alleinreisenden volljährigen Männern möglich sein. Besonders wichtig in diesem Zusammenhang ist für mich der Umstand, dass niemand, der an der deutschen Grenze abgewiesen würde, sich in einem Bürgerkriegsgebiet oder in einen Staat, in welchem ihm eine persönliche Verfolgung aus politischen Gründen drohte, befände. Vielmehr könnte er in dem betreffenden sicheren Drittstaat – beispielsweise Österreich oder die Schweiz – Schutz suchen. Im Übrigen regelt die Dublin-III-Verordnung der EU, welcher Mitgliedsstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, nämlich grundsätzlich immer das Land, in dem der Flüchtling zum ersten Mal den Boden eines EU-Landes betreten hat. Ziel der Verordnung ist, dass Flüchtlinge nicht wahllos durch Europa irren, während sich jeder Staat, in dem ein Flüchtling Asyl beantragt, für unzuständig erklärt.

Hinsichtlich einer möglichen Differenzierung bei der Aufnahme von schutzsuchenden Personen verweise ich auf das liberale Kanada, welches entschieden hat, keine alleinreisenden, syrischen Männer als Flüchtlinge aufnehmen. Stattdessen werden Frauen, Kinder, Familien und Menschen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt werden, als Flüchtlinge akzeptiert. Ziel der Regelung ist es, den verletzlichsten Flüchtlingen vorrangig Schutz zu gewähren.

Was Deutschland in den letzten Jahren angesichts des großen Zustroms von Schutzsuchenden vollbracht hat, war eine ganz beachtliche humanitäre Leistung, die sich in dieser Form aber nicht wiederholen lässt. Die Menschen in Deutschland haben keine Angst vor Veränderungen, wollen aber auch kein anderes Land. Deshalb müssen wir die Flüchtlingszahlen weiter reduzieren, insbesondere den besonders schutzbedürftigen Personen vorrangig helfen und sicherstellen, dass alle Schutzsuchenden in der EU einen Schutz bekommen, wenn die rechtlichen Voraussetzungen dafür vorliegen. Darüber hinaus wird natürlich auch der Bekämpfung der Fluchtursachen in den Krisengebieten des Nahen Ostens und Afrikas eine zentrale Rolle zukommen. Hierfür werde ich mich gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auch in Zukunft mit Nachdruck einsetzen.

Mit den besten Grüßen

Kai Wegner

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