Frage an Kai Wegner von Klaus S. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Wegner,
mit nahendem Ende der Legislaturperiode und aktuellem Wahlkampf steigt bei vielen Wählerinnen und Wählern der Bedarf an Informationen zur persönlichen politischen Bilanz ihrer Volksvetreter im Bundestag:
- welche Ergebnisse haben Sie persönlich erreicht (politische Ziele aus Wahlkampf 2005 versus umgesetzte Poiltik)?
- welche Bilanz ziehen Sie aus Ihrer Mitgliedschaft in den Ausschüssen?
- wie begründen Sie Ihr Abstimmverhalten zum Anbauverbot von "Genmais"? Haben Sie sich als Volksvertreter über die Meinung von weiten Teilen der Bevölkerung sachkundig gemacht, die den Anbau von genmanipulierten Lebensmitteln ablehnt?
Weitere Fragen zum aktuellem Wahlkampf:
- wie soll Ihrer Meinung nach die exorbitante Neuverschuldung im Zuge der Wirtschaftskrise gegenfinanziert werden (konkret:erhöhen Sie in der kommenden Legislaturperiode die MWSt?)?
- wollen Sie die Hartzgesetze (insbesondere Hartz IV: derzeit keine Differenzierung zwischen ehemaligen Finanzierern der Sozialsysteme und Hartz-Karrieristen) modifizieren?
- wie wollen Sie die ausufernde Regelungswut der EU (Beispiele: Milchquote, Verbot von Glühbirnen, matt, usw.) wirksam eindämmen?
- wollen Sie ein Tempolimit auf Autobahnen einführen?
- befürworten Sie ein Tempolimit von 30 km/h in Städten?
- befürworten Sie den EU-Beitritt der Türkei?
Vielen Dank im Voraus für die Beantwortung der Fragen.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Scheunemann
Sehr geehrter Herr Scheunemann,
vielen Dank für Ihre Fragen zu verschiedenen Themenbereichen.
Rückblickend auf die vergangene Legislaturperiode denke ich, dass die Große Koalition viele Dinge zufriedenstellend regeln konnte. Hierzu zählen für mich ganz persönlich das Familiengeld, der Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen oder der Hochschulpakt. Aber auch die Steuerboni für Handwerksdienstleitungen, das Gebäudesanierungsprogramm, die deutliche Absenkung der Beiträge der Arbeitslosenversicherung, die Anhebung des Grundfreibetrages bei der Einkommenssteuer oder die Initiierung des nationalen Integrationsplanes sind wichtige und richtige Entscheidungen gewesen.
Auf der anderen Seite lässt sich nicht übersehen, dass wir mit den Sozialdemokraten vor allem bei der Erbschafts- und Unternehmenssteuerreform als auch bei der Gesundheitsreform nicht unsere Ziele erreicht haben. Das ist bedauerlich, zeigt aber auch das die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Parteien mittlerweile aufgebraucht sind. Meine Arbeit im Wirtschaftsausschuss beurteile ich sehr positiv. Hier standen Themen wie z.B. Bürokratieabbau, Senkung der Lohnnebenkosten oder das Maßnahmenpaket zur Beschäftigungssicherung und Wachstumsstärkung im Vordergrund. Ich konnte hier meine Erfahrungen aus der Zeit als wirtschaftspolitischer Sprecher im Berliner Abgeordnetenhaus als auch meine Erfahrungen aus der Zeit als Angestellter in einem mittelständischen Betrieb gut einbringen. Was das Verbot von Genmais angeht, so habe ich gegen den Antrag der Grünen gestimmt, weil der Anbau von der Genmaissorte MON810 bereits einen Monat zuvor verboten wurde. Mit der Verhängung einer sogenannten Schutzklausel durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit wurde das Ruhen der Genehmigung von MON810 angeordnet. Damit ist jeder Anbau und jeder weitere Verkauf von Saatgut von Mais der Linie MON810 unzulässig. Die zuständige Bundesministerin Ilse Aigner begründete den Schritt mit dem Argument, dass es berechtigten Grund zu der Annahme gibt, dass der genetisch veränderte Mais der Linie MON810 eine Gefahr für die Umwelt darstellt. Diese Auffassung wurde auch vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit bestätigt.
Mit dieser Schutzklausel ist allerdings keine Grundsatzentscheidung zum künftigen Umgang mit Grüner Gentechnik gefallen. Vielmehr muss auch zukünftig Fall um Fall einzeln geprüft werden. Ich halte dieses Vorgehen für richtig, schließlich bietet die Gentechnik in Bezug auf die sichere Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung, die Verbesserung der Lebensmittelqualität und eine umweltfreundliche Versorgung mit Energie- und Rohstoffen große Chancen. Wir wollen sie als Zukunftsoption offen halten und weiter erforschen. Die konkrete Anwendung steht jedoch unter dem Grundsatz: „Sicherheit und Unbedenklichkeit haben gegenüber wirtschaftlichen Überlegungen Vorrang“. Das muss in jedem Einzelfall in einem strengen Zulassungsverfahren geprüft werden.
Meine Antworten zu Ihren Fragen zum aktuellen Wahlkampf:
- Keine Erhöhung der Mehrwertsteuer: Im Jahr 2005 bestand ein milliardenschweres strukturelles Haushaltsdefizit der rot-grünen Bundesregierung. In dieser Situation haben CDU und CSU im Wahlkampf klar gesagt, dass wir die Mehrwertsteuer anheben müssen, um z.B. das damalige 3-Milliarden-Loch in der Rentenversicherung zu stopfen. Für diese im Gegensatz zu den Sozialdemokraten ehrliche Analyse und notwendige Maßnahmeneinschätzung mussten wir heftig Kritik einstecken. Im Gegensatz zu damals hat sich die CDU heute klar gegen eine Mehrwertsteuererhöhung ausgesprochen. Eine Steuererhöhung, ob Mehrwert- oder Einkommenssteuer, wäre der falsche Weg. Denn wir kämpfen nicht wie vor vier Jahren mit einem strukturellen Haushaltsdefizit, sondern im Zuge der Kosten der Finanzkrise mit einer starken Neuverschuldung. Ziel der nächsten Legislaturperiode muss es sein, diese nachhaltig abzubauen. Die Voraussetzungen sind ebenfalls ungleich anders als vor vier Jahren, denn wir befinden uns immer noch in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit bestehen der Bundesrepublik. Um den Schuldenberg abzubauen setzt die Union auf Wachstumspolitik. Wir wollen bei der Erholung der Weltwirtschaft so stark partizipieren wie möglich. Damit das gelingt, müssen die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Unternehmen, entlastet werden. Wir dürfen uns in dieser Situation weder kaputt sparen, noch die Steuern anheben - sprich erbrachte Arbeitsleistungen noch stärker belasten. Beides hätte nur zur Folge, dass sich die notwendige konjunkturelle Erholung abflachen und sich damit die Steuermehreinnahmen reduzieren würden. Schuldenabbau kann nur durch Wachstumspolitik gelingen und nicht durch eine Politik die auf Steuererhöhungen setzt.
- Modifizierung der Hartz-Gesetze: Eine gesetzlich geregelte Ungleichbehandlung - wie von Ihnen angedacht - zwischen „Hartz-Karrieristen“ und „ehemaligen Finanzierern“ scheint mir mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Unser Ziel ist es vielmehr nach der schweren Wirtschaftskrise in unserem Land die rechtlichen Rahmenbedingungen für mehr Wachstum und damit Arbeitsplätze zu setzen, damit diejenigen, die sich redlich bemühen eine Arbeitsstelle zu bekommen auch wieder eine finden. Ansonsten stehe ich zu der Grundüberzeugung, dass der, der arbeitet und etwas leistet am Ende des Monats mehr in der der Tasche haben muss als jemand der Sozialtransfers im Rahmen des Arbeitslosengeldes 2 bezieht.
- Regelungswut der Europäischen Union begrenzen: Das vereinte Europa bietet seinen Bürgern alle Möglichkeiten, ihre Zukunftschancen zu verwirklichen und ihr Leben in Frieden und Freiheit zu führen. CDU und CSU wollen ein starkes und bürgernahes Europa. Dazu gehört auch, dass gemäß dem Subsidiaritätsprinzip Aufgaben so nah wie möglich bei den Menschen erledigt werden. Kurz: Brüssel darf sich nicht einmischen, wenn Aufgaben auf bundes-, landes- oder kommunalpolitischer Ebene ausreichend oder besser geregelt werden können. Wir von der CDU/CSU haben uns deshalb in unserem Regierungsprogramm verpflichtet, bei künftigen EU-Vertragsänderungen zu überprüfen, ob Kompetenzen von der europäischen Ebene auf die Nationalstaaten zurückverlagert werden können.
- Kein Tempolimit auf der Autobahn: Ein generelles Tempolimit lehne ich ab. Sinnvoll erscheint mir vielmehr der Ausbau von sogenannten Verkehrsbeeinflussungsanlagen, die das Tempo abhängig von Verkehrsaufkommen und Witterung regeln und so eine optimale Autobahnnutzung ermöglichen.
- Tempolimit in Städten: Hier handelt es sich um ein kommunalpolitisches Thema. Die Regelung der Geschwindigkeitsbegrenzungen in Städten ist kein Bundesthema und soll es im Sinne der Subsidiarität auch nicht werden. Ich persönlich halte Tempo-30-Zonen vor Schulen, Kitas und in kleineren Wohngebieten für sinnvoll. Auf der anderen Seite haben wir in den vergangenen Jahren eine inflationäre Ausweitung der Tempo-30-Zonen in Berlin erlebt. Gerade auf Hauptstraßen sollte genauer geprüft werden, ob eine Tempo-30-Zone wirklich notwendig ist.
- Beitritt der Türkei zur Europäischen Union: Ich habe starke Zweifel daran, ob die Türkei in der Lage ist, die Beitrittskriterien der Europäischen Union zu erfüllen. Darüber hinaus bestätigen mir alle Europapolitiker, dass die Europäische Union nach der Erweiterung um zwölf neue Mitgliedstaaten und einem Beitritt Kroatiens eine Konsolidierungsphase im Erweiterungsprozess geben muss, um die Identität und die Institutionen der EU zu festigen. Vor diesem Hintergrund halte ich zurzeit eine Privilegierte Partnerschaft anstelle einer Vollmitgliedschaft der Türkei mit der EU für die richtige Lösung.
Sollten Sie weitere Fragen zu diesen oder anderen Themen haben, können Sie sich auch gern direkt an mich wenden. Melden Sie sich einfach in meinem Bundestagsbüro unter der Telefonnummer (030) 227 77 610 oder schicken Sie mir direkt eine Email an Kai.Wegner@Bundestag.de.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Kai Wegner