Frage an Jutta Krellmann von Kurt R. bezüglich Umwelt
Wie beurteilen SIe das Problem der Energiewende. Ich bitte um eine ausführliche Beantwortung.
Sehr geehrter Herr Roller,
danke für Ihre Frage. Ich sehe das Problem der Energiewende genau wie meine Partei:
Die Energiewende in Deutschland kann in eine Zukunft ohne Atomkraft, Kohle und Öl führen, hin zu einer vollständigen Versorgung mit Strom, Wärme und Mobilität aus regenerativen Quellen. Die Energiepolitik der Regierung orientiert sich im Kern jedoch weiterhin an den Profitinteressen der fossilen Energie- und Industriezweige. Darum wird eine sozial gerechte Weiterentwicklung von umweltpolitischen Instrumenten und eine wirksame Politik zur Einsparung von Energie und Ressourcen behindert.
Zwar wird die regenerative Energieerzeugung rasant ausgebaut, gleichzeitig werden aber zentralistische und undemokratische Konzernstrukturen festgeschrieben. Im Ergebnis werden die Lasten der Energiewende einseitig auf die Schultern privater Verbraucherinnen und Verbraucher sowie des Klein- und Mittelstandes abgeladen. Sie zahlen für die Profite der Konzerne.
DIE LINKE streitet dafür, die Energieversorgung als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge zu betrachten. Darum fordern wir:
Langfristig wird ein Masterplan für Deutschland für eine Eigenenergieversorgung erarbeitet und umgesetzt.
Dabei sollen die Strom- und Wärmeversorgung aus 100 Prozent erneuerbaren Energien (im ersten Schritt Stromversorgung bis 2020 50 Prozent, Wärmeversorgung auf 20 Prozent) erfolgen.
Strom- und Wärmenetze gehören konsequent in öffentliche Hand oder in die Hand unter demokratischen Gesichtspunkten geführter Unternehmen. In diesem Zusammenhang werden Stadtwerke und genossenschaftliche Versorger gestärkt.
Strompreise werden dem Profitstreben entzogen und dauerhaft als Grundversorgung garantiert und sozial gestaltet.
Deutschland ist als Forschungsland Nummer 1 in diesem Bereich zu etablieren und die Förderung darauf auszurichten.
Gerade lokale Energieverbünde eignen sich dazu, selbstbestimmt, ökologisch nachhaltig und jenseits der Profitlogik ihren Energiebedarf in gemeinwirtschaftlichen ("commons-basierten") Strukturen zu produzieren.
Um dies voranzutreiben, wollen wir das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in seinen zentralen Säulen - vorrangige Einspeisung von Ökostrom, garantierte, kostenorientierte Vergütungssätze - erhalten. Gleichzeitig wollen wir im EEG Anreize dafür schaffen, dass regenerative Erzeugungsanlagen stärker der Funktionsfähigkeit des gesamten Energiesystems dienen. Dringend erforderlich ist die Erstellung eines realistischen, an den Zielen Kosteneffizienz, Nachhaltigkeit, Flächeneffizienz und Landschaftsplanung orientierten Fahrplans für die Energiewende. Ein deutlich geringerer Netzausbau ist erforderlich, wenn eine dezentrale Energieversorgung, ein angemessener Ausbau der Speichersysteme und nicht länger die Profitinteressen der Kohlekraftwerksbetreiber berücksichtigt werden. Der Netzentwicklungsplan muss anhand dieser Kriterien überarbeitet werden.
Wir werden uns weiterhin für den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien einsetzen. Jedoch überteuerte Großprojekte der Energiekonzerne wie z.B. die Off-Shore-Windparks in der Nordsee lehnen wir ab.
Ein zukunftsfähiges Energiesystem aufzubauen, heißt zudem:
Der Ausstieg aus der Atomwirtschaft muss unumkehrbar sein und soll im Grundgesetz festgeschrieben werden. Atomkraftwerke müssen sofort abgeschaltet werden. Die Fertigung von atomaren Brennelementen in Gronau muss beendet werden.
Den Im- und Export von Atommüll wollen wir verbieten. Die beschleunigte Rückholung des Atommülls aus der Asse muss als verbindliches Ziel festgeschrieben, das geplante Endlager Schacht Konrad und der Endlagerstandort Gorleben endgültig aufgegeben werden. Wir wollen der Entwicklung von Konzepten und Verabschiedung von Gesetzen über die zukünftige Art der Aufbewahrung von Atommüll eine offene gesellschaftliche Debatte anstatt Parteiengekungel in Hinterzimmern voranstellen.
Wir wollen den Ausstieg aus der Kohlestromversorgung. Der Emissionshandel hat das nicht geleistet, seine Bilanz der vergangenen acht Jahre ist verheerend. Wir wollen stattdessen ein Kohleausstiegsgesetz durchsetzen, das ein Verbot für den Neubau von Kohlekraftwerken und für den Neuaufschluss von Braunkohletagebauen vorsieht. Feste Restlaufzeiten sollen zudem für ein schrittweises Abschalten der bestehenden Kohlekraftwerke sorgen, das letzte Kohlekraftwerk soll bis spätestens 2040 vom Netz gehen. Um bis dahin die gravierenden Folgen des Abbaus von Braunkohle zu begrenzen, erneuern wir unsere Forderung nach Änderung des Bundesberggesetzes: Es ist so zu reformieren, dass der im geltenden Recht verankerte Vorrang der Interessen der Konzerne und der Rohstoffgewinnung vor den Interessen der Umwelt und Bevölkerung gebrochen wird. An dessen Stelle sollen Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfungen und entsprechende Beteiligungs-, Informations- und Klagerechte treten. Beim Rohstoffabbau unter besiedelten Gebieten ist der besondere Nachweis der Erforderlichkeit vorzulegen. So wollen wir einen Klimaschutzpfad im Stromsektor vorgeben und Planungssicherheit herstellen.
Der Übergang zu einem erneuerbaren Energiesystem erfordert die flexible Steuerung von Stromerzeugung und -verbrauch sowie die Zwischenspeicherung von Elektrizität. Dafür brauchen wir eine Speicher-Offensive im Bereich Forschung und Entwicklung.
Wir wollen ein schärferes Wettbewerbs- und Kartellrecht für Strom-, Gas- und Mineralölkonzerne schaffen.
Unberechtigte Industrierabatte bei Ökosteuer, Netzentgelten, Emissionshandel oder im Erneuerbare-Energien-Gesetz zu Lasten der Privathaushalte wollen wir zügig abschaffen. Um die dezentrale Energiewende voranzubringen, wollen wir Förderprogramme für Kommunen ausbauen, die ihre Energieversorgung in die eigene Hand nehmen wollen.
Zentral für uns ist: Um Energiearmut zu vermeiden, muss der Basisverbrauch für alle bezahlbar bleiben. Vielverbraucher sollen mehr bezahlen, um diese Maßnahme mitzufinanzieren.
Energieversorger werden dazu verpflichtet, einen Sockeltarif für Strom einzuführen, durch den jeder Privathaushalt ein kostenloses, an der Haushaltsgröße orientiertes Grundkontingent an Strom erhält, das einen Teil des durchschnittlichen Verbrauchs abdeckt (eine Regelung, wie es sie z.B. in Belgien schon gibt). Der über einen durchschnittlichen Verbrauch hinausgehende Stromverbrauch würde teurer als heute. Damit werden einerseits Anreize für sparsame Stromverwendung geschaffen und gleichzeitig einkommensschwache Haushalte gestützt.
Die Absenkung des Strompreises ist möglich und sozial gerecht. Die Gestaltung der Strompreise muss effektiv überwacht werden. Der zuständigen staatlichen Behörde soll dafür ein Beirat zur Seite gestellt werden, in dem Verbraucher, Umwelt- und Sozialverbände sowie Gewerkschaften vertreten sind. Bis dies umgesetzt ist, fordern wir ein Strompreismoratorium für Privathaushalte.
Zahlungsschwierigkeiten dürfen nicht dazu führen, dass Menschen im Dunkeln sitzen oder frieren müssen. Strom, Gas, Wasser, Heizung dürfen nicht abgestellt werden!
Unternehmen müssen verbindliche gesetzliche Vorgaben erhalten, damit sie den Energieverbrauch minimieren. Energieversorger sollen verpflichtet werden, jährliche Energieeinsparungen von 1,5 Prozent bei ihren Kunden zu erzielen. Für das Energiesparen privater Haushalte, von Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung soll ein Energiesparfonds eingerichtet werden. Dieser soll mit jährlich 2,5 Mrd. Euro ausgestattet werden. Insbesondere sollen spezielle Förderprogramme für einkommensschwache Haushalte aufgelegt werden. Neben der verbesserten Förderung der energetischen Gebäudesanierung und von Blockheizkraftwerken wollen wir den verpflichtenden Anteil erneuerbarer Energien an der Wärmeversorgung für Neubauten schrittweise steigern und bei grundlegenden Sanierungen auch auf den Gebäudebestand ausweiten. Um die Sanierungsraten bei der energetischen Gebäudesanierung zu verdoppeln, soll ein bis 2050 reichender verbindlicher Plan erstellt werden, der anspruchsvolle, stufenweise zu erreichende Klassen für den energetischen Zustand von Gebäuden enthält. Wir setzen uns dafür ein, dass sowohl die unterirdische Verpressung von CO2 (CCS) als auch die Erdgasförderung mittels Verpressung giftiger Chemikalien in den Untergrund (Fracking) verboten wird. Fracking bedeutet nicht nur große Gefahren für das Grundwasser, sondern auch enorme Schäden an Natur und Landschaft. Die demokratischen Mitentscheidungsrechte müssen bei der Erdgasförderung und in anderen Bereichen des Rohstoffabbaus gesichert werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Jutta Krellmann