Frage an Jutta Haug von Uwe K. bezüglich Verkehr
Wie können Sie die, durch die EU geplante europaweite Privatisierungsgefahr des Trinkwassers an private Großkonzerne, im Rahmen einer EU-Dienstleistungskonzessionsvergabe, verhindern?
Was haben Sie diesbezüglich schon unternommen ?
Sehr geehrter Herr Kirsch,
ich habe mir zum Grundsatz gemacht, auf Anfragen, die jegliche korrekte und höfliche Form der Korrespondenz missen lassen, nicht zu antworten. Allerdings wird die Diskussion um die Dienstleistungskonzessionen von so vielen Fehlinformationen begleitet, dass ich Ihnen dennoch eine Antwort zukommen lassen möchte.
Wie Sie wissen, hat die Europäische Kommission im November 2011 den entsprechenden Richtlinienvorschlag vorgelegt. Darin kommt sie früheren Aufforderungen des Europäischen Parlamentes nach, die notwendige Rechtssicherheit zu schaffen. Denn derzeit übernimmt dies eine fragmentierte Rechtsprechung durch den EuGH und nachrangiges Recht in Form von Leitlinien der Europäischen Kommission. Der Vorschlag der Europäischen Kommission beinhaltet, dass Städte und Gemeinden die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen öffentlich ausschreiben müssen, wenn sie die Dienstleistung nicht selbst erbringen. Ich darf erinnern: Konzessionen sind exklusive Rechte, die zum Beispiel von einer Kommune als Teil der öffentlichen Aufgaben an Dritte delegiert werden. Es ist also möglich, dass die Wasserversorgung in einer Kommune eine Dienstleistungskonzession ist, wenn die Kommune die Wasserversorgung nicht mit einem städteeigenen Betrieb gewährleistet, sondern ein privatrechtlich organisiertes Unternehmen damit beauftragt. Darunter fallen auch die Unternehmen, die mehrheitlich oder ganz im kommunalen Besitz sind, die aber privatrechtlich - also in Form von GmbHs oder AGs, damit sind sie rechtlich gesehen privatisiert - organisiert sind. Die Richtlinie muss deshalb regeln, unter welchen Bedingungen eine Dienstleistungskonzession an diese Unternehmen vergeben werden kann. Denn es muss unterschieden werden können zwischen privatrechtlichen, aber in öffentlichem Eigentum befindlichen Unternehmen und Privatunternehmen im landläufigen Sinne. Deshalb ist sicherzustellen, dass Städte und Gemeinden ihre eigenen oder mehrheitlich eigenen Unternehmen auch ohne vorherige Ausschreibung mit der Wasserversorgung im jeweiligen Hoheitsgebiet betrauen dürfen. Ein Blick in den KOM-Vorschlag, aber erst recht in die Beschlussfassung des federführenden Binnenmarktausschusses als zur Zeit einzig gültigen Textfassung der Richtlinie widerlegt die Behauptungen, Kommunen dürfen ihre Unternehmen nicht direkt beauftragen und diese müssten sich in eine europaweite Ausschreibung begeben. Über Artikel 8 (Ausschluss von der Richtlinie) und Artikel 11 ("Verbundene Unternehmen") des Vorschlages wird definiert, welche Bedingungen für eine Direktvergabe erfüllt sein müssen. Mindestens 80% des Umsatzes eines solchen Unternehmens (Stadtwerk) muss die Konzession abdecken, d.h. maximal 20% des Umsatzes darf außerhalb des Konzessionsbereichs erfolgen, um eine Direktbeauftragung zu erlauben. Der KOM-Vorschlag geht dabei allerdings vom 100%igen Eigentum der Kommune am betroffenen Unternehmen aus. Das ist der restriktiven Rechtsprechung des EuGH bezüglich "Inhouse"- Geschäften geschuldet. Die Beschlussfassung des Binnenmarktausschusses hält dieses Kriterium nicht aufrecht und hat darüber hinaus durch einen zusätzlichen Erwägungsgrund festgelegt, dass dies nur für die konzessionierte Sparte selber gilt. Sollte mehr als eine Kommune ein gemeinsames Unternehmen mit einer Konzession betrauen, ist das 80%-Kriterium rein mathematisch nur für maximal eine Kommune erreichbar. Art. 15 regelt auch dies: "die öffentlichen Auftraggeber (...) üben gemeinsam über die betreffende juristische Person eine Kontrolle aus, die der gleichkommt, die sie über ihre eigenen Dienststellen ausüben." Bleiben die wirklich privatisierten oder zu privatisierenden (im Sinne von Privateigentum - nicht öffentlichem Eigentum) Konzessionen übrig. Dies liegt in der alleinigen Entscheidung der Kommune. Hat sie sich allerdings dazu entschieden, gibt die Richtlinie die Kriterien vor, unter denen das zu organisieren ist. Aber auch hier ist die Realität eine andere, als sie in der öffentlichen Debatte gezeichnet wird. Keine Kommune muss für diesen Fall die Konzession am geringsten Preis ausrichten, sondern an vom Konzessionsnehmer zu erfüllende qualitative Vorgaben, zu denen auch umweltpolitische und sozialpolitische Vorgaben zählen. Das muss nur, wie im normalen Vergaberecht auch, zu Beginn des Verfahrens klargestellt und transparent und diskriminierungsfrei sein. Darüber entscheidet die vergebende Stelle, im Zweifelsfall also der Rat der Kommune.
Sehr geehrter Herr Kirsch, ich bin für eine Wasserversorgung im Verantwortungsbereich der öffentlichen Hand. Allerdings bin ich mitnichten für eine Herausnahme des Wassersektors aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie. Ich bin dafür, dass die Kommunen die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen - und das in einem gesetzlich klaren Rahmen.
Es grüßt Sie
Jutta Haug