Frage an Jutta Haug von Erika K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Haug, durch die Berichterstattung zum TTIP-Freihandelsabkommen zwischen USA und Europa wurde deutlich , wie wenig selbst EU-Abgeordnete über dieses Abkommen informiert sind. Fühlen Sie sich ausreichend informiert über Inhalte und Klauseln? Z.B. hinsichtlich der Einhaltung europäischer Lebensmittelstandards, der Beweislastpflicht des Verbrauchers in den USA oder der Schadensersatzforderungen seitens us-amerikanischer Firmen bei nicht eingetroffenen (fiktiven) Gewinnen?
Sind die geringen positiven Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum das Risiko der Standardabsenkungen in der EU wert?
Interessant dazu die Dokumentation des Senders 3Sat am 20.3.14 "Gefährliche Geheimnisse - wie USA und EU den Freihandel planen".
Ist es Ihnen möglich, sich für Transparenz bei der Vorbereitung zu diesem Abkommen einzusetzen?
Sehr geehrte Frau Krenzer,
seit langem fordern wir Sozialdemokarten mehr Transparenz mit Blick auf die Verhandlungen zu allen Freihandelsabkommen, die die Europäische Union abschließen möchte. Denn mit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags ist die Handelspolitik mit all ihren Aspekten in Bezug auf Handel, ausländische Direktinvestitionen, wirtschaftliche Fragen und geistige Eigentumsrechte unter die ausschließliche Zuständigkeit der EU gefallen. Aber ohne die Zustimmung des Europäischen Parlaments (EP) kann kein EU-Handelsabkommen in Kraft treten. So ist im Lissabon-Vertrag festgeschrieben, dass das EP vor und nach Verhandlungsrunden vollumfänglich von der Europäischen Kommission über den Stand der Verhandlungen informiert wird und dabei denselben und gleichberechtigten
Zugang zu Informationen und Dokumenten wie die Mitgliedstaaten im Ministerrat hat. Außerdem ist auf Druck der Sozialdemokraten durchgesetzt worden, dass die Informationspolitik der EU-Kommission sich änderte. Alle Positionspapiere der Europäischen Kommission sind dem EP zugänglich und werden zu einem Teil auch ins Internet gestellt. Ebenso wurde durchgesetzt, dass es einen regelmäßigen Dialog zwischen der Europäischen Kommission und Vertretern der Zivilgesellschaft vor und nach den Verhandlungsrunden gibt. Die Ablehnung des geplanten ACTA-Abkommens (Schutz geistigen Eigentums im digitalen Bereich) durch das EP hat bewiesen, dass das Europäische Parlament sich ernsthaft und seriös mit Handelsfragen und Handelsabkommen beschäftigt.
Hinsichtlich der TTIP-Verhandlungen hat es vier Sondierungstreffen gegeben.
Die bisherigen Gespräche sind ernüchternd: einerseits scheinen wichtige Bereiche wie Verfahren zur Standardsetzung und Produktzulassung aufgrund der großen
Unterschiede zwischen der EU und den USA nicht in das Abkommen integriert werden zu können, andererseits haben sich die US-Unterhändler in anderen Bereichen nicht bewegt bzw. völlig unzureichende Angebote vorgelegt. Darüber hinaus weigert sich die USA, Dokumente zum Verhandlungsstand der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Auf Initiative des EP hat die Europäische Kommission einen Dialog im Rahmen der TTIP-Verhandlungen durch eine permanente Beratungsgruppe mit 15 Experten von Gewerkschaften, Umwelt- und Verbraucherverbänden institutionalisiert: Diese Gruppe hat ebenfalls Zugang zu den Dokumenten.
Bereits im Mai 2013 hat das Europäische Parlament ganz klare Eckpunkte und rote Linien für die TTIP-Verhandlungen definiert ( http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-2013-0227+0+DOC+XML+V0//DE ).
Die SPD-Europaabgeordneten lehnen die TTIP-Verhandlungen nicht grundsätzlich ab. Chancen und Probleme einen solchen Abkommens müssen am Ende gegeneinander abgewogen werden. Allerdings sind für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokarten geltende europäische Arbeitnehmerrechte, Verbraucherschutz-, Lebensmittel-, Umwelt- und Gesundheitsschutzvorschriften nicht verhandelbar.
Datenschutz, kulturelle Vielfalt in der EU und Erhalt der öffentlichen
Daseinsvorsorge dürfen nicht in Frage gestellt werden. Zudem sind wir nicht der Auffassung, dass ein sogenannter Investor-Staats-Schutz-Mechanismus verabredet werden muss. Sowohl die USA als auch die Europäische Union sind Rechtsstaaten mit einer funktionierenden Gerichtsbarkeit. Ein Unternehmen –egal wie groß- kann sich an die vorhandenen Gerichte wenden, wenn es sich in seinen Rechten beschnitten fühlt. Deshalb lehnen wir den ISSM in diesem Falle ab.
Ich werde bei einer möglichen Abstimmung zum TTIP im Europäischen Parlament in der nächsten Legislaturperiode nicht mehr dabei sein, da ich am 25. Mai 2014 nicht mehr für ein Mandat kandidiere. Aber ich werde weiterhin versuchen, die Diskussion objektiv zu begleiten.
Es grüßt Sie
Jutta Haug