Frage an Jutta Haug von Thomas R. bezüglich Gesundheit
Richtlinie über traditionelle Heilpflanzen- THMPD
Sehr geehrte Frau Haug,
Ich habe kürzlich mit großer Betroffenheit vom europäischen Projekt bezüglich des Verbots von Heilpflanzen erfahren und teile Ihnen hiermit meine tiefste Missbilligung angesichts dieser grundlegenden Verletzung der Menschenrechte mit.
Zahlreiche Personen haben sich seit Urzeiten mit Pflanzen geheilt und deren bedeutende Effizienz festgestellt.
Sollen wir keine Alternative mehr haben und zu Versuchskaninchen der pharmazeutischen Lobby werden? Sollen wir lediglich über Medikamente verfügen, die zwar ein spezifischen Problem behandeln, aber gleichzeitig verheerende Auswirkungen auf anderen Niveaus hervorrufen können?
Ich bin der Meinung, dass man altüberliefertes medizinisches Wissen zur Heilung mit Pflanzen nicht für den alleinigen Profit multinationaler Pharmaunternehmen opfern darf.
Der Zeitpunkt ist ernst und ich bitte Sie, diese Warnung zu beachten, bevor es zu ernsthaften Problemen kommt.Die Zeit drängt, denn termin ist der 30.4.2011.
Diese Richtlinie muss dringend dahingehend abgeändert werden, außereuropäische Zubereitungen auf Pflanzenbasis mit einzubeziehen.
Ich bitte Sie inständig darum, den notwendigen Druck diesbezüglich beim europäischen Parlament sowie bei der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher (GD SANCO) auszuüben, um entsprechende Abänderungen zu präsentieren.
Gerne erwarte ich Ihre Stellungnahme.
Mit freundlichem Gruß,
Thomas Reichau
Sehr geehrter Herr Reichau,
ich bedanke mich für Ihre Anfrage.
Ihre Frage bezieht sich auf eine Gesetzgebung der Europäischen Union (EU), die sich allerdings nicht in der Planung befindet, sondern schon seit 2004 bzw. 2001 besteht. Es handelt sich um den Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel von 2001 mit einer Sonderregelung für traditionelle pflanzliche Arzneimittel, die 2004 ergänzt wurde (Kapitel 2a des Gemeinschaftskodex).
Arzneimittel müssen in der Europäischen Union, bevor sie auf den Markt gebracht und verkauft werden dürfen, eine Zulassung von den zuständigen Behörden erhalten. Dies ist notwendig, um die Sicherheit und Wirksamkeit der Arzneimittel gewährleisten zu können. Das Verfahren und die Voraussetzungen für eine Zulassung sind in der Richtlinie RL 2001/83/EC über Humanarzneimittel festgehalten. Die Gesetzgebung zu Humanarzneimitteln gilt dabei lediglich für industriell gefertigte Arzneimittel - nicht aber für Arzneimittel, die auf Rezept in der Apotheke hergestellt werden.
Für pflanzliche Arzneimittel wurde in der Europäischen Union eine Sonderregel geschaffen. In der Vergangenheit wurde die Zulassung von pflanzlichen Arzneimitteln in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich gehandhabt. Die unterschiedlichen nationalen Bestimmungen und Vorschriften haben zu ungleichen Situationen in den einzelnen Mitgliedstaaten geführt. Auch die Patientinnen und Patienten in der EU waren nicht gleichgestellt und hatten unterschiedlichen Zugang zu pflanzlichen Arzneimitteln.
Deswegen wurde 2004 die Richtlinie 2004/24/EC verabschiedet, die die Zulassung der traditionellen pflanzlichen Arzneimittel harmonisieren und verbessern soll. Produkte wie Salbeibonbons oder Brennnesseltee fallen nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie, da es sich dabei um Lebensmittel handelt.
Für alle pflanzlichen Arzneimittel wurde mit der neuen Richtlinie ein vereinfachtes Zulassungsverfahren vereinbart. Demnach müssen die Hersteller traditioneller pflanzlicher Arzneimittel weniger Dokumente vorlegen und Tests durchführen und auch anders als bei chemischen Arzneimitteln nicht den Nachweis der Wirksamkeit erbringen. Stattdessen reicht der Nachweis, dass das Medikament in den letzten 30 Jahren (davon mindestens 15 Jahre innerhalb der EU) sicher verwendet wurde. Für Arzneimittel, die bereits auf dem Markt waren, wurde in der Gesetzgebung eine 7-jährige Übergangsfrist vereinbart. 7 Jahre ist eigentlich eine legitime Zeit, um die Sicherheit und Qualität der Arzneimittel nachzuweisen. Diese 7-jährige Frist endete am 31.3.2011.
Arzneimittelhersteller, die dies in den letzten 7 Jahren nicht getan haben, sind entweder grob fahrlässig durch Nichtstun und Ignorieren der Fristen oder sie haben Probleme mit den Qualitätsstandards ihrer Arzneimittel. In diesen Fällen wäre eine Zulassung aus guten Gründen nicht akzeptabel.
Insgesamt müssen traditionelle pflanzliche Arzneimittel also nicht mehr sondern weniger Auflagen erfüllen als andere Arzneimittel, die im Rahmen der Gesetzgebung für Humanarzneimittel zugelassen werden. Die Gesetzgebung für traditionelle pflanzliche Arzneimittel und die damit verbundenen Privilegien für pflanzliche Medikamente war ein großer Erfolg des Europäischen Parlamentes, an der die sozialdemokratische Fraktion intensiv mitgearbeitet hat.
Trotz aller Unterstützung für pflanzliche Arzneimittel müssen natürlich auch diese sicher und unbedenklich sein. Und dies müssen die Hersteller auch nachweisen können. Anders ist Patientensicherheit nicht zu gewährleisten.
Ich hoffe, mit dieser Antwort etwas Klarheit hinsichtlich der "THMPD-Richtlinie" ("Traditional Herbal Medicinal Products Directive") geschaffen haben zu können.
Es grüßt Sie
Jutta Haug