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Jutta Haug
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Frage von Lothar S. •

Frage an Jutta Haug von Lothar S. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Haug.

Auf Grundlage einer EU-Vorschrift müssen alle Kapitalgesellschaften bis hin zu Kleinstunternehmen die jährliche Rechnungslegung im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlichen. Wer nicht rechtzeitig oder unvollständig eingereicht hat, erhält vom Bundesjustizamt eine Ordnungsgeldandrohung zwischen 2.500 und 25.000 Euro. Ein Betrag dem es an jeder Verhältnismäßigkeit fehlt.

Für Kleinstunternehmen bedeutet die Veröffentlichung einen erheblichen bürokratischen und wirtschaftlichen Aufwand.

In Anbetracht dieser Schwierigkeiten hat EU-Kommissar McCreevy Ende September 2008 eine Initiative angekündigt, sog. kleine Kapitalgesellschaften („micro entities“) vom Anwendungsbereich des EU-Bilanzrechts auszunehmen. Gerade bei Kleinstunternehmen sei diese Vorschrift unsinnig und nicht zu vertreten.

Auf eine kleine Anfrage vom 10.12.08 (Drucksache 16/11120) gab die Bundesregierung bekannt, dass das Bundesamt für Justiz bisher 456.488 (!) Ordnungsgeldverfahren in Höhe von 2.500 Euro gegen Unternehmen eingeleitet hat, die nicht rechtzeitig oder unvollständig ihre Rechnungslegung eingereicht hatten.

In seiner Entschließung vom 18.12.08 zu Rechnungslegungsvorschriften für kleine und mittlere Unternehmen und insbesondere Kleinstbetriebe rief das Europäische Parlament die Kommission auf, einen Legislativvorschlag vorzulegen, der es den Mitgliedstaaten gestattet, Kleinstunternehmen vom Anwendungsbereich der Richtlinie 78/660/EWG auszunehmen.

Eine Entscheidung des Europäischen Parlaments liegt meines Wissens nach hierzu immer noch nicht vor.

Inzwischen versendet das Bundesjustizamt massenweise Vollstreckungsbescheide. Viele Kleinstunternehmen werden diese Maßnahme nicht überleben.

Meine Frage an Sie als zukünftiges Mitglied des Europaparlaments:

a) Unterstützen Sie „Kleinstunternehmen vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszunehmen?

b) Wenn ja, würden Sie sich dafür einsetzen, diese Regelung auch rückwirkend gelten zu lassen?

Es grüßt
Lothar Schedereit

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schedereit,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 18. Mai 2009, die Sie mir, einer waschechten Ruhrpottlerin, als Hamburger gestellt haben. Zusätzlich war ich überrascht, zum Thema Kapitalgesellschaften befragt zu werden, da meine eigentlichen Arbeitsgebiete als SPD-Europaabgeordnete der europäische Haushalt sowie industriepolitisch-relevante Umweltthemen sind. Auch hoffe ich nicht einmal, dass Sie sich an meine KMU-Initiative während der Haushaltsberatungen 2001 erinnern. Trotzdem möchte ich Ihnen keine Antwort schuldig bleiben.
Es ist richtig, dass das Europäische Parlament in seiner Entschließung zum Small Business Act (SBA) am 18. Dezember 2008 Vorschläge mit dem Ziel zur Vereinfachung von Verwaltungsvorschriften vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) verabschiedet hat. Dies ist im Zusammenhang mit der europäischen Initiative für eine Vereinfachung der Gesetzgebung (Stichwort "better regulation") zu sehen. Wie Sie sicherlich wissen, liegt die Gesetzgebungsinitiative bei der Europäischen Kommission. Das Europäische Parlament erwartet nach dem Sommer entsprechende Vorschläge und wird dann unverzüglich mit den Beratungen beginnen. Ein Ziel für die sozialdemokratische Fraktion wird sein, Verwaltungshürden für KMU - dort wo nötig und möglich - entsprechend abzusenken.
In Bezug auf die von Ihnen erwähnten Ordnungsgeldandrohungen im Rahmen der jährlichen Rechnungslegung ist es richtig, dass die Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen in Artikel 51/Absatz 3 vorsieht, dass "Mitgliedstaaten in ihre Rechtsvorschriften geeignete Sanktionen für den Fall" vorsehen können, wenn "der Jahresabschluss oder der Lagebericht dieser Gesellschaften nicht nach dieser Richtlinie erstellt" ist. Es ist also dem deutschen Gesetzgeber überlassen, welche Art von Sanktionen vorgesehen werden. Ich kann Sie nur ermutigen, mit Ihren zuständigen Bundestagsabgeordneten Kontakt aufzunehmen und die Art und Weise der deutschen Maßnahmen zu hinterfragen, vor allem auch mit Blick auf die zu erwartende Gesetzgebung auf europäischer Ebene.

Es grüßt Sie
Jutta Haug