Frage an Justus Wingert von Gerda O. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Lieber Herr Wingert
Seit vielen Jahren unterstütze ich jetzt schon die Freien Wähler in meiner Gemeinde. Die Entscheidung einiger Personen, unsere Bewegung in eine Partei zu verwandeln und an Landtags und Bundestagswahlen teilzunehmen lehnte ich entschieden ab. Die Ambitionen dieser Menschen verwässern unser Selbstverständnis als kommunale Kraft. Ihre Kandidatur war für mich eine Überraschung. Bei meiner Recherche in Google finde ich nur bei der Piratenpartei Informationen über Sie. Meine Frage an Sie: Wie kommt es, dass Sie als Mitglied der Piratenpartei für diese Bundesvereinigung der Freien Wähler Partei kandidiert?
Obermüller
Liebe Frau Obermüller,
ich habe mein politisches Engagement Anfang 2009 begonnen. Dies geschah im Rahmen der Debatte um ein Verbot sogenannter "Killer-Spiele" nach dem tragischen Amoklauf von Winnenden. Für mich war in diesem Moment klar, dass es keine politische Kraft gibt die mich und meine politischen Überzeugungen vertritt. Gegen Ende des Jahres trat ich dann der Piratenpartei bei, weil ich in deren liberalen Werten und Streben nach mehr Teilhabe meine eigenen Überzeugungen wieder finden konnte. Leider entwickelten sich die Piraten weg von diesen Idealen hin zu einer Partei wie es sie schon zu Dutzenden in Deutschland gibt. Bereits 2011 musste ich akzeptieren, dass ich dort nicht mehr in den mir wichtigen Punkten politisch vertreten werde. Mit Beginn diesen Jahres musste ich dann aber feststellen, dass ich eine Mitgliedschaft in der Piratenpartei - mir selbst gegenüber - nicht mehr vertreten kann. So verließ ich die Piraten.
Ich hatte nie ein politisches Amt oder Mandat inne und habe bislang auch keines angestrebt, weil ich immer hoffte jemanden zu finden der mich vertreten kann. Ich bin der festen Überzeugung, dass die kommenden Jahre noch viele wichtige und richtungsweisende Entscheidungen für unsere Volksvertreter bereithalten werden. Leider bin ich ebenso fest überzeugt, dass im Rahmen der bisher in Parlamenten vertretenen Parteien genau diese Entscheidungen darunter leiden, dass viele Politiker mehr Kontakt zu Lobbyisten als zu normalen Bürgern haben. Die freien Wähler waren in meinen Augen immer das Gegenteil dieses Prinzips. Freie Wähler sind keine Partei linientreuer Soldaten, sondern Vereinigung von Menschen die sich persönlich zur Wahl stellen. Sie sind vor Ort aktiv und nah am Bürger und damit für mich das eigentliche Ideal von Bürgerbeteiligung. Ich finde es daher auch Schade, dass ausgerechnet in Baden-Württemberg eine Trennung zwischen den kommunalen Vereinigungen und der Bundesvereinigung besteht. In Offenburg sollte eigentlich jemand kandidieren der mehr Zeit hat als ich, der näher an den Menschen dort lebt. Leider gab es keinen solchen Freiwilligen. Doch viele der Ziele die in den Kommunen von Mitgliedern der Freien Wähler vertreten werden erfordern für die Umsetzung Bundesgesetze. Wie sollen diese Ziele je erreicht werden wenn kein Freier Wähler für den Bundestag kandidiert?
Meine Beweggründe zu kandidieren sind recht einfach. Zunächst könnte ich es mir nicht vorstellen in jedem Wahlkreis zu kandidieren. Dass ich ausgerechnet in Offenburg kandidiere hat einen Grund: Ich habe meine Wurzeln in der Ortenau, fast meine gesamte Familie lebt dort. Als ich gefragt wurde ob ich mir eine Kandidatur dort vorstellen könne war meine Entscheidung also schnell klar. Doch selbstverständlich vermag ich meine Chancen auf einen Einzug in den Deutschen Bundestag recht gut einzuschätzen. Auch ohne mein Licht unter den Scheffel zu stellen kann ich wohl sagen, dass ich keine nennenswerte Gefahr für den Wiedereinzug Wolfang Schäubles darstelle. Durch meine Kandidatur helfe ich also in erster Linie unserem Spitzenkandidaten Herrn Bossler: Die Erfahrung zeigt, dass man mehr Wähler überzeugen kann eine Zweitstimme zu vergeben wenn es einen Direktkandidaten gibt, und ich schätze Herrn Bossler sehr. Doch auch wenn mein eigener Einzug in den Bundestag äußerst unwahrscheinlich ist, ist eine Stimme für mich keinesfalls vergebens: Ein starkes Ergebnis der Freien Wähler bei der Bundestagswahl wäre ein Zeichen. Ein Zeichen für mehr Demokratie, mehr Bürgerbeteiligung und mehr Kontakt zwischen Bürgern und Volksvertretern. Freie Wähler, normale Menschen wie Sie und ich, müssen bereit sein Politiker wieder zu Volksvertretern zu machen. Wir brauchen diesen frischen Wind im Bundestag, wir brauchen neue Impulse für Berlin, wir brauchen frische Ideen im Parlament.
Ich hoffe, dass sie sich auch bei der Bundestagswahl für die Freien Wähler und für mich entscheiden.
Mit freundlichen Grüßen,
Justus Wingert