Frage an Julien Bender von Simon B. bezüglich Wirtschaft
Seit den 80ern überschreitet die Menschheit die ökologischen Grenzen der Erde. Wenn alle Menschen den gleichen materiellen Wohlstand hätten wie in Deutschland, bräuchten wir sogar drei Erden. Wir betreiben also ein Wirtschaftswachstum auf Pump. Die Folgen dieser Grenzüberschreitung werden die meisten von uns noch erleben und wir können dieses Problem nicht mit Effizienzsteigerungen lösen.
"Nachhaltiges Wachstum", wie Sie es auf S. 112 Ihres Programms fordern, ist laut Rechnungen des britischen Regierungsberaters und Ökonomen Tim Jackson aber unmöglich. Er sagt: "Das Problem besteht schon darin, dass wir bei weiterem Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum unsere Ressourcenproduktivität um den Faktor 140 steigern müssten, um das 2-Grad-Ziel zu erreichen: 14.000 Prozent bis 2050."
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftswissen/wachstumskritiker-tim-jackson-wohlstand-besteht-nicht-nur-aus-einkommen-1628402.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2
Warum ist das große Ziel eigentlich weiterhin Wirtschaftswachstum, obwohl uns mehr Konsum doch gar nicht glücklicher macht?
Sehr geehrter Herr B.,
herzlichen Dank für Ihre Hinweise. Das von Ihnen angesprochene Thema wird innerhalb der SPD in verschiedenen Formaten intensiv diskutiert. Dabei geht es immer um die Frage: Wie muss eine sozialdemokratische Weiterentwicklung des Prinzips Nachhaltigkeit aussehen, die den Staat auf den verschiedenen Ebenen in die Lage setzt, ökologische und soziale Politikziele gemeinsam zu realisieren?
An einer Neuausrichtung wirtschaftspolitischer Ziele führt auf Grund der enormen ökologischen Herausforderungen natürlich kein Weg vorbei. Daher ist es für uns grundsätzlich erforderlich, wirtschaftlichen Erfolg neu zu bewerten: Der internationale Verdrängungswettbewerb muss durch einen internationalen Gestaltungswettbewerb um nachhaltige Problemlösungen ersetzt werden. Diese Neuausrichtung muss auf drei Ebenen stattfinden: Ein nachhaltiges Mobilitätssystem muss entwickelt werden, die Energieversorgung muss zur Gänze auf erneuerbare Energien setzen, Produkte und Prozesse müssen energie- und materialeffizienter werden.
Die ökologische Neuausrichtung kann aber ohne die Betriebe im industriellen Sektor und insbesondere ohne die darin tätigen Beschäftigten nicht gelingen. Der erforderliche Strukturwandel wird zu großen Teilen auf den Innovationsleistungen der Beschäftigten aufbauen. Daher muss bei jeglichen industriepolitischen Entscheidungen neben ökologischen Nachhaltigkeitskriterien die soziale Tragfähigkeit gewährleistet sein. Beteiligung und Mitbestimmung sind meines Erachtens hierbei der Schlüssel zur Wahrung der Interessen der Beschäftigten im Strukturwandel. Ohne faire Arbeitsbedingungen, Mitbestimmung und tarifliche Bezahlung ist eine ökologische Neuausrichtung entlang nachhaltiger Kriterien nicht denkbar.
Mit freundlichen Grüßen
Julien Bender