Frage an Julian Theiß von Dennis R. bezüglich Politisches Leben, Parteien
Wie stehen Sie zur Wahlpflicht als ein Instrument, um den politischen Einfluss der unteren Einkommenshälfte zu stärken?
Sehr geehrter Herr Ritter,
vielen Dank für Ihre spannende Frage. Wir sind uns in der Problemdiagnose
einig: Menschen mit niedrigerem Einkommen gehen seltener wählen, was dazu
führt, dass ihre Interessen schlechter repräsentiert sind. Ich denke, eine
Wahlpflicht stellt das falsche Mittel zur Bekämpfung dieses Problems dar.
Es gibt im Einzelfall durchaus politische Erwägungen, die zum Verzicht des
Gebrauchs des Wahlrechts führen. Auch dass viele Menschen mit niedrigen
Einkommen nicht das Gefühl haben, dass ihr Stimme etwas bewegt, kommt nicht
von Ungefähr. Ihre materielle Situation hat sich in den letzten Jahren
nicht verbessert. Unter rot-grün, also der vermeintlich sozialsten
Koalition der letzten Jahrzehnte, hat sie sich durch die Agenda 2010 sogar
deutlich verschlechtert. Nicht zuletzt zeigen Erfahrungen aus Ländern mit
Wahlpflicht, dass auch dort viele Menschen - insbesondere aus den unteren
Klassen - nicht wählen gehen und dann ggf. noch Strafen zahlen müssen.
Ich glaube, der bessere Ansatz als eine Wahlpflicht ist es, wieder
glaubhaft vermitteln zu können, dass die Stimmabgabe die individuelle
Lebenssituation verbessern kann. Dass also Politik im Allgemeinen und
Parteien im Besonderen einen erlebbaren Gebrauchswert im Alltag haben.
Hierfür streiten wir Linke. Das ist nicht immer einfach, aber meines
Erachtens der bessere Weg.
Mit freundlichen Grüßen
Julian Theiß