Frage an Jürgen Klimke von Jürgen K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag sehr geehrter Herr Klimke,
vielen Dank für Ihre Anwort auf meine Frage zur Problematik „lobbyistische Beeinflussung der Gesetzgebungsprozesse.“
Ich habe aber nicht den Eindruck, dass Ihre Antwort meine Frage hinreichend beantwortete.
Wie ich den Publikationen verschiedener Organisationen entnehme, scheint sich seit geraumer Zeit die Beeinflussung der Gesetzgebungsprozesse durch interessierte Industriekreise, von den traditionellen Interessenvertretungsorganisationen hin zu indirekteren Strukturen zu verschieben, wie scheinbar neutralen Public Relations Agenturen, wissenschaftlichen Stiftungen, Denkfabriken, Meinungsforschungsinstituten usw.
Die mit diesem „deep lobbying“ für die Öffentlichkeit entstehend Intransparenz und die damit verbunden Informationsverluste weisen auch nach meinem eigenen Eindruck deutlich auf Desinformationsstrategien hin.
Welche Schritte und Massnahmen halten Sie für erforderlich, um dem „deep lobbying“
entgegenzuwirken, um die demokratischen Entscheidungsfähigkeit unseres Parlaments
sicherzustellen und zu bewahren? Welche Massnahmen halten Sie für erforderlich, um die notwendige Transparenz für den Bürger wieder herzustellen?
Sehr geehrter Herr Klinger,
herzlichen Dank für Ihre Nachfrage zum Thema Lobbyismus.
Die Beobachtung, dass sich die traditionelle Interessenvertretung zu indirekteren – scheinbar neutralen – Institutionen verschiebt, kann ich aus meinem Arbeitsbereich nicht bestätigen. Ich habe in erster Linie mit klassischer Interessenvertretung durch Verbände und Unternehmen zu tun. Ihre Bedenken gegenüber PR-Agenturen, wissenschaftlichen Stiftungen und anderen Institutionen teile ich nicht. Zudem erwarte ich bei PR-Agenturen keine Neutralität – zumeist haben sie ja auch einen Auftraggeber. Bei wissenschaftlichen Stiftungen ist in der Regel zumindest ein Aufbau auf wissenschaftlichen Erkenntnissen gegeben, natürlich muss man hier im Einzelfall schauen, wer die Stiftung trägt oder unterstützt. Ich habe allerdings den Eindruck, dass Unternehmen, die Wissenschaftliche Stiftungen finanzieren, an wissenschaftlicher Seriosität gelegen ist. Ziel ist hier eher eine Imageverbesserung durch Forschungsförderung. Um Ihnen ein Beispiel zu nennen: Die Arbeit der Bertelsmann-Stiftung genießt einen guten Ruf. So ist der Bertelsmann Transformationsindex der Entwicklungsländer ein gutes Arbeitsmittel für mich als Entwicklungspolitiker. Das ist aber nur der Fall, weil er von Fachleuten als seriös anerkannt ist.
Insgesamt muss sich jede in diesem Bereich tätige Organisation von den mir bereits bekannten und anerkannten Fachleuten aber auch Interessenvertretern messen und bewerten lassen. Insofern würde ich in meinen Kompetenzfeldern sehr schnell von anderer Seite auf fragwürdige Argumentationen oder mangelnde Seriosität einer Institution hingewiesen werden.
Lobbying – das ich grundsätzlich für richtig und wichtig halte – sollte trotzdem für den Politiker als Vertretung eigener Interessen erkennbar bleiben. Auch deutlich gekennzeichneter Lobbyismus sollte an seriösen Erkenntnissen festhalten und nicht mit falschen Zahlen oder Halbwahrheiten operieren. Wenn Regeln eingehalten werden, geben uns die Interessenvertreter eine Rückmeldung zu den Folgen unserer politischen Entscheidungen, egal ob es sich um Umweltverbände, Unternehmerverbände oder sonstige Interessenvertretungen handelt. Auf diese Weise wird eine realitätsfremde Politik vom „grünen Tisch“ verhindert.
Insofern sehe ich insgesamt keine Gefahr, dass durch Lobbying die politische Entscheidungsfähigkeit des Parlaments gefährdet ist und sehe demzufolge auch derzeit keine Notwendigkeit für die von Ihnen angesprochenen Maßnahmen.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Klimke