Frage an Jürgen Klimke von Frank T. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Klimke,
das Bundesverfassungsgericht hat am 26.02.2008 die Verfassungsgemäßheit des § 173 StGB, des sogenannten Inzest-Paragraphen, bestätigt.
Meines Erachtens wäre hier der Gesetzgeber gefragt, die Regelung aufzuheben, wie schon in vielen unserer europäischen Nachbarstaaten geschehen. Wie stehen Sie dazu?
Mit freundlichen Grüßen
Frank Tarcikowski
Sehr geehrter Herr Tarcikowski,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 13.03.08 zum Inzest-Paragraphen. Kaum eine andere Vorschrift im Strafgesetzbuch ist so umstritten wie der § 173 Abs. 2 S.2 StGB. Das Bundesverfassungsgericht hat nunmehr die Verfassungsmäßigkeit des so genannten Inzest-Paragrafen aus Gründen des Schutzes der Familie bestätigt, womit dieser seine Rechtfertigung unmittelbar im Grundgesetz findet. Abzustellen ist also auf den Schutzzweck der Norm.
Das Bundesverfassungsgericht betont in seiner Begründung, dass es durch Inzestverbindungen zu einer Überschneidung von Verwandschaftsverhältnissen und sozialen Rollenverteilungen und damit zu einer Beeinträchtigung der in einer Familie Struktur gebenden Zuordnungen kommen kann. Zudem ist es nicht unwahrscheinlich, dass Kinder aus solchen Beziehungen Schwierigkeiten haben, ihren Platz im Familiengefüge zu finden und eine vertrauensvolle Beziehung zu ihren nächsten Bezugspersonen aufzubauen.
Das Urteil ist deshalb grundsätzlich zu begrüßen, da die lebenswichtige Funktion der Familie durch inzestuöse Beziehungen gefährdet ist. Eine Streichung bedeutete symbolisch, dass der Geschwisterinzest als moderne Form sexuellen Verhaltens akzeptiert, ja sogar gutgeheißen wird. Der Staat ist jedoch verpflichtet, seinem Auftrag für den Bestandsschutz der Familie nachzukommen und dementsprechende Regelungen zu treffen. Wie Sie richtig ansprechen, haben andere Staaten die Problematik bisher zum Teil anders geregelt. Jedoch besteht das Verbot auch in vielen Staaten weiterhin fort. Die Regelung in Deutschland ist durch unsere kulturpolitische und rechtspolitische Entwicklung sowie durch den den staatlichen Schutzauftrag bedeutender Rechtsgüter bedingt.
Auf europäischer Ebene ist das Thema Inzest bisher noch nicht behandelt worden. Es bestehen keine Vorgaben zur Umsetzung von europäischem in nationales Recht. Zudem hat der EuGH in diesem Bereich derzeit noch keine Rechtsetzungs- und Rechtsprechungskompetenz. Eine Entscheidung bleibt also abzuwarten.
Dieses sehr heikle Thema wird in Zukunft sicherlich weiterhin kontrovers diskutiert werden.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Klimke