Frage an Jürgen Klimke von Heidi L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Klimke,
wie stehen Sie zum Antidiskriminierungsgesetz und warum sagen Sie nirgendwo etwas zur Integration von schwerbehinderten Menschen?
Wenn es um Gerechtigkeit geht, sind die schwerbehinderten Menschen immer ganz weit hinten.
Oder warum wurde der Steuerfreibetrag für sie seit fast dreißig Jahren nicht angeglichen?
Warum wird die berufliche Integration immer mehr erschwert?
Warum haben Schwerbehindertenvertretungen kein Mitbestimmungs-, sondern nur ein Anhörungsrecht?
Auch schwerbehinderte Menschen sind Wähler und sie möchten ihre Themen in der Politik wiederfinden, werden aber als "Randgruppe" immer wieder vergessen.
Ich selber bin schwerbehindert (GdB 90), seit über 30 Jahren berufstätig (Vertrauensfrau für schwerbehinderte Menschen), habe ein Kind zur Welt gebracht, bin Wählerin und erwarte, auch im Namen aller schwerbehinderten Menschen, von der Politik wahr- und ernstgenommen zu werden.
Mit freundlichem Gruß
Heidi Liebchen
Sehr geehrte Frau Liebchen,
vielen Dank für Ihre Fragen über www.Kandidatenwatch.de
Das von den Koalitionsfraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachte ADG (Antidiskriminierungsgesetz) geht weit über die Vorgaben der EU-Richtlinien hinaus, die in deutsches Recht umgesetzt werden sollen. Die dadurch entstehenden bürokratischen Auflagen für Betriebe und Arbeitgeber gefährden Arbeitsplätze.
Da das Regierungsprogramm der CDU für die kommende Legislaturperiode „Vorfahrt für Arbeit“ heißt, ist alles was zusätzlich Arbeitsplätze gefährdet, abzulehnen bzw. mit Vorsicht zu behandeln.
Bezüglich der Integration von schwerbehinderten Menschen setzt sich die CDU/CSU-Fraktion dafür ein, die Interessen behinderter Menschen auf ein menschenwürdiges diskriminierungsfreies Leben zu sichern. Zum Beispiel setzen wir uns dafür ein, weitere finanzielle Einschnitte bei behinderten Menschen zu verhindern und haben mit einem eigenen Antrag für den vollständigen Erhalt des Zusatztaschengeldes für Heimbewohner, die einen Eigenbeitrag zur Heimunterbringung leisten, eingebracht.
Dieser Antrag ist jedoch an der rot-grünen Mehrheit gescheitert, so dass ab dem 1. Januar 2005 die neu hinzukommenden Heimbewohner kein Zusatztaschengeld mehr erhalten.
Weiterhin wird sich die Union konsequent für Barrierefreiheit einsetzen, insbesondere bei baulichen Einrichtungen, im Verkehr und der Informationstechnologie. Bis Ende 2005 muss die BITV (Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung) umgesetzt sein. Die Union wird genau beobachten, ob die Umsetzung bis dahin realisiert ist.
Zum Thema Steuerfreibetrag ist folgendes zu sagen:
Wir setzen zum 01.01.2007 eine Reform der Einkommen- und Körperschaftsteuer in Kraft. Bei der Lohn- und Einkommensteuer senken wir den Eingangsteuersatz auf 12 % und den Spitzensteuersatz auf 39 %. Das sind die niedrigsten Steuersätze in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Wir werden einen einheitlichen Grundfreibetrag für jede Person, sei sie Erwachsener oder Kind, von 8.000 Euro einführen.
Wir werden ggf. eine Änderung bei den Behindertenpauschbeträgen nach § 33 b Einkommensteuergesetz prüfen.
Die Integration in das Arbeitsleben – im Angesicht von über fünf Millionen Arbeitslosen – ist für uns eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen für Teilhabe in anderen gesellschaftlichen Bereichen wie Wohnen, Bildung, Kultur und Freizeit.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat zahlreiche Initiativen zum Thema Arbeit eingebracht, und damit das Thema auf die politische Agenda gesetzt. In der Kleinen Anfrage „Zukunft der beruflichen Ersteingliederung und Wiedereingliederung gesundheitlich beeinträchtigter und behinderter Menschen“ (Bundestagsdrucksache 15/4101) hat die Union die Bundesregierung kritisch zu den Themen Berufsbildungs- und Berufsförderungswerke befragt. Weiterhin hat die Kleine Anfrage ans Tageslicht gebracht, dass die Anzahl der in der Zentrale und den Regionaldirektionen der Bundesagentur für Arbeit (BA) beschäftigten Mitarbeiter, die für den Reha-Bereich zuständig sind, halbiert worden ist.
Die Union hat durch ihre Kleine Anfrage „Vermittlung behinderter und schwerbehinderter Menschen“ (Bundestagsdrucksache 15/5377) politischen Druck auf die BA und die Bundesregierung aufgebaut, um die derzeitigen Missstände bei der Vermittlung sowie bei der Gewährung von Rechtsansprüchen behinderter Menschen zu beseitigen.
Im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hat die CDU/CSU einen Bericht der Bundesregierung zur beruflichen Ausbildungsförderung von behinderten Menschen eingefordert. Darin wurden endlich Zahlen der BA zum Reha-Bereich geliefert. Entgegen der vorherigen Darstellungen musste das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit einräumen, dass die Eintritte in berufsvorbereitende und berufsfördernde Bildungsmaßnahmen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund 34 % zurückgegangen sind.
Die berufliche Eingliederung behinderter Menschen ist ein solidarischer Nachteilsausgleich. Sie hat sich an den Fähigkeiten und Möglichkeiten behinderter Menschen und den Erfordernissen des Arbeitsmarktes auszurichten, um die begrenzten Ressourcen zielgenau und effizient einzusetzen. Bewährte Strukturen werden wir erhalten, aber es sollten auch neue Wege gegangen werden: Es ist zu prüfen, ob Leistungen der beruflichen Eingliederung künftig als „Persönliches Budget für Arbeit“ zusammengefasst und im Rahmen des im Regierungsprogramm vorgesehenen Kombi-Lohn-Modells gewährt werden können. Dies würde es den betroffenen Menschen ermöglichen, ein höheres Maß an Selbstbestimmung auszuüben. Außerdem würde dies den Bürokratieabbau fördern.
Bezüglich der Schwerbehindertenvertretungen ist zu sagen, dass ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht im Gesetz verankert werden sollte.
Mit dem SGB IX wurde ein modernes und leistungsfähiges System der Teilhabe behinderter Menschen eingeführt. Durch die Ausgestaltung dieser Ansprüche ergeben sich in der praktischen Umsetzung jedoch immer noch Probleme. Deshalb sollte auch der „arbeitsrechtliche“ Teil des SGB IX Verbesserungen erfahren. Gerade bei der Erfüllung der Aufgaben der Schwerbehindertenvertretungen sollte mindestens die Mitwirkungspflicht zwingend erforderlich sein.
Die Stärkung der Schwerbehindertenvertretungen ist der CDU/CSU seit langem ein besonderes Anliegen. Schon im Vorfeld des Gesetzes zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen, mit dem das SGB IX im Jahr 2004 novelliert wurde, haben Vertreter der CDU/CSU-Fraktion in einer Kleinen Anfrage auf die Notwendigkeit einer rechtlichen Verbesserung hingewiesen. Auch im Lauf der Gesetzesverhandlungen ist die CDU/CSU vehement für ein Anhörungsrecht der Schwerbehindertenvertretungen eingetreten.
Zu unserem großen Bedauern fand ein entsprechender Änderungsantrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion keinen Eingang in den Gesetzesentwurf. Das war ein wesentlicher Grund dafür, warum die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nicht für die Verabschiedung des Gesetzes gestimmt hat.
Die von Ihnen vorgebrachte Tatsache, dass sich Behinderte in unserer Gesellschaft zurückgesetzt und als „Randgruppe“ fühlen, bedauere ich sehr. Ich sehe das auch etwas anders, weil ich weiß, dass sich viele Kollegen meiner Fraktion sowie auch ich selbst, sich sehr für eine bessere Teilhabe von Menschen mit Behinderung stark machen. So setzt sich mein Kollege Hubert Hüppe, MdB, - mit dem ich einen regen Kontakt halte - als Beauftragter unserer Fraktion für die Belange der Menschen mit Behinderungen sehr intensiv mit diesen Themen auseinander. Er ist Mitglied in diversen Verbänden und Arbeitsgemeinschaften, die sich um die Belange von Menschen mit Behinderung kümmern. Auf diese Art und Weise halten wir in der Fraktion u.a. den direkten Kontakt zu Betroffenen und setzen uns wie oben genannt für sie und ihre Belange ein. Ich selbst habe mit Herrn Hüppe zusammen zwei Kleine Anfragen zur beruflichen Erst- und Wiedereingliederung behinderter Menschen sowie zum barrierefreien Tourismus in den Deutschen Bundestag eingebracht, die zum Ziel haben, Defizite in der Teilhabe behinderter Menschen zu thematisieren und Verbesserungen herbeizuführen.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Klimke