Frage an Jürgen Klimke von Uwe B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Klimke,
Wie stehen Sie zum Thema Fracking.
Gruß
Uwe Buchholtz
Sehr geehrter Herr Buchholtz,
für den 3. Juli 2015 war die Verabschiedung des sogenannten Fracking-Pakets im Deutschen Bundestag vorgesehen. Leider hat die SPD-Fraktion kurzfristig weiteren internen Beratungsbedarf angemeldet und sah sich nicht in der Lage, das Gesetzgebungsverfahren wie geplant – und von den beiden federführenden SPD-Ressorts BMUB und BMWi seit Langem angestrebt – noch vor der Sommerpause abzuschließen. Diese unnötige Verzögerung ist sehr bedauerlich, denn damit gilt bis auf weiteres die derzeitige, aus Umweltsicht unbefriedigende und für die Wirtschaft mit erheblichen Unsicherheiten behaftete Rechtslage weiter. Nun gilt es, das Gesetzgebungsverfahren möglichst zügig nach der Sommerpause abzuschließen.
Das Regelungspaket der Bundesregierung sieht umfassende Änderungen unter anderem am Wasserhaushaltsgesetz, dem Bundesnaturschutzgesetz und dem Bundesberggesetz vor. Diese führen bereits zu einer massiven Verschärfung der Anforderungen an den Einsatz der Fracking-Technologie. Wichtige konkrete Neuregelungen aus den Entwürfen der Bundesregierung (Kabinettbeschluss: 1. April 2015), die uns zur parlamentarischen Befassung übermittelt wurden, betreffen u.a. folgende Punkte:
- Fracking jeglicher Art soll in sensiblen Gebieten wie Wasserschutz und Heilquellenschutzgebieten sowie an Seen und Talsperren zur Trinkwassergewinnung vollständig verboten werden.
- Die Länder sollen darüber hinaus an weiteren sensiblen Trinkwasserentnahmestellen Verbote erlassen können, zum Beispiel zum Schutz von privaten Mineral- und Brauereibrunnen.
- In Nationalparks und Naturschutzgebieten soll die Errichtung von Anlagen zum Einsatz der Fracking-Technologie untersagt werden.
- Für jede Form von Fracking soll künftig eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung mit umfassender Bürgerbeteiligung verpflichtend eingeführt werden.
- Die Wasserbehörden sollen künftig ein Vetorecht bei den Genehmigungen haben.
- Fracking-Gemische müssen künftig beim konventionellen Fracking „nicht wassergefährdend“ oder allenfalls „schwach wassergefährdend“ sein.
- Die eingesetzten Stoffe sollen zudem umfassend offengelegt werden.
- Beim Umgang mit Rückfluss und Lagerstättenwasser sollen strenge Vorgaben gelten. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung soll auch hier Pflicht sein.
- Das Verpressen von Lagerstättenwasser soll künftig grundsätzlich verboten sein. Ausnahmen sollen nur in den Fällen möglich sein, bei denen der sichere Einschluss in druckabgesenkte kohlenwasserstoffhaltige Gesteinsformationen gewährleistet ist.
- Verschärft werden soll auch das Bergschadensrecht. So soll die Beweislast für mögliche Bergschäden auch bei der Erdgas- und Erdölförderung sowie bei Kavernenspeichern den Unternehmen auferlegt werden.
Anders als bei der o. g. konventionellen Gasförderung gibt es in Deutschland noch keine Erfahrungen mit der Gasförderung in sogenannten unkonventionellen Lagerstätten, also in Schiefer- und Kohleflözgestein. Deshalb ist in den Regierungsentwürfen geregelt, dass zum jetzigen Zeitpunkt und mit dem derzeitigen Wissensstand kein kommerzielles unkonventionelles Fracking in Deutschland möglich ist. Für Schiefer-, Ton-, Mergel- und Kohleflözgestein oberhalb 3000-Metern Tiefe wurde ein generelles und unbefristetes Frackingverbot vorgesehen. Lediglich eine eng begrenzte Zahl von wissenschaftlich begleiteten und überwachten Probebohrungen ist unter strengsten Umweltanforderungen möglich.
Nach 2018 sollen in absoluten Ausnahmefällen Fördergenehmigungen erteilt werden können. Die Voraussetzungen hierfür sind jedoch äußerst streng gefasst:
- eine unabhängige Expertenkommission aus sechs Mitgliedern (davon drei Umweltinstitute) muss den beantragten Einsatz der Fracking-Technologie in der jeweiligen geologischen Formation mehrheitlich als grundsätzlich unbedenklich einstufen,
- die Kommission zur Bewertung wassergefährdender Stoffe beim Umweltbundesamt muss die verwendeten Fracking-Gemische als nicht wassergefährdend einstufen und
- alle sonstigen umfassenden öffentlich-rechtlichen Zulassungsvoraussetzungen (d.h. insbesondere zum Wasser-, Boden- und Umweltschutz) müssen vorliegen.
Die endgültige Entscheidung über die Genehmigung liegt ausschließlich bei den zuständigen Bergbau- und Wasserbehörden der Länder. Diese sind also an das Votum der o.g. unabhängigen Expertenkommission nicht gebunden. Dies hat auch der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages in einem Gutachten bestätigt. Sollte eine Fracking-Maßnahme unter all diesen Voraussetzungen genehmigt werden, so gelten hier die im Bereich der konventionellen Erdgasförderung neu eingeführten strengen Auflagen ebenfalls vollumfänglich. Insgesamt sind die vorgesehenen Umwelt- und Trinkwasserschutzmaßnahmen also bereits im Regierungsentwurf sehr weitreichend. In den letzten Wochen haben die Koalitionspartner diese Vorschläge der Bundesregierung ausführlich im Parlament beraten. Die CDU/CSU-Fraktion konnte in diesen Gesprächen ihre – vorher fraktionsintern abgestimmten – Forderungen nach weiteren Schutzvorkehrungen für Umwelt und Wasser fast vollständig durchsetzen. So wurden folgende weitere Verschärfungen der Anforderungen an den Einsatz der Fracking-Technologie gegenüber den Regierungsentwürfen vereinbart:
- Klarstellung, dass auch Brunnen, aus denen Wasser zur Verwendung in Lebensmitteln gewonnen wird, ebenfalls in die Ausschlussgebiete für Fracking einbezogen werden sollen.
- Einschränkung des Bestandsschutzes für die bestehenden Genehmigungen zur Verpressung von Lagerstättenwasser, um zu erreichen, dass die Verpressung aufgrund bestehender Genehmigungen schneller beendet wird.
- Konkretisierung des Standes der Technik (also die beste zum Zeitpunkt verfügbare Technik) bei der Verpressung von Lagerstättenwasser,
- Aufhebung der bisherigen Unterscheidung zwischen Fracking zur Erdgas- oder Erdölförderung. Es sollen jeweils die gleichen strengen Anforderungen gelten.
- Streichen der aus unserer Sicht willkürlichen 3000-Meter-Grenze, unter der Fracking unter strengen Auflagen möglich wäre. Damit wird Fracking in unkonventionellen Lagerstätten auch unterhalb von 3000 Metern verboten.
- Einführung einer zusätzlichen Regelung, nach der Vorranggebiete für die künftige Gewinnung von Trinkwasser über die Raumordnung durch die Länder als Ausschlussgebiete gesichert werden können.
- Begrenzung der wissenschaftlichen Erprobungsmaßnahmen auf die für den Erkenntniszuwachs unbedingt notwendige Anzahl
- Nochmalige Ausweitung der Bergschadenshaftung nun auch auf Schäden durch Erderschütterungen.
Für die CDU/CSU bleibt der Schutz von Gesundheit, Umwelt und Trinkwasser oberstes Gebot. Gleichzeitig muss der gesetzliche Rahmen für die Erdgasförderung schon aus verfassungsrechtlichen Gründen einen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn offen halten sowie die seit Jahrzehnten praktizierte konventionelle Erdgasförderung in Deutschland auch weiterhin ermöglichen. Tatsache ist: Die Fracking-Technologie ist ein in der konventionellen Gasförderung in Deutschland seit Anfang der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts bewährtes Verfahren und steht derzeit für rund ein Drittel der heimischen Erdgasförderung. Auch die unkonventionelle Erdgasgewinnung kann einen erheblichen Beitrag für den Umbau der Energieversorgung leisten, denn wir brauchen Gaskraftwerke als Sicherheitsreserve für die schwankende Stromerzeugung aus Wind und Sonne. Mit einem geschätzten Vorkommen von bis zu 2.300 Milliarden Kubikmetern, liegen die Schiefergasreserven in Deutschland deutlich über den konventionellen Reserven (ca. 150 Milliarden Kubikmeter). Laut der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe könnte Schiefergas den derzeitigen jährlichen Gasverbrauch Deutschlands für 13 Jahre decken. Gerade die Abhängigkeit von russischem Erdgas zeigt, dass Deutschland alles tun muss, um neue einheimische Energiequellen zu erschließen - selbstverständlich unter den weltweit strengsten Umweltschutzvorkehrungen.
Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf bestehende Ängste und Vorbehalte gegenüber der Fracking-Technologie ist eine Versachlichung der Debatte erforderlich. Es ist deshalb richtig und zielführend, dass die Bundesregierung in ihren Entwürfen Wissenschaft und Forschung eine zentrale Stellung einräumt.
Bedauerlich ist, dass in der SPD-Fraktion derzeit noch Vorbehalte gegenüber den Gesetzentwürfen der eigenen Minister bestehen. Damit ist die Chance vertan, die für den Umweltschutz unbefriedigende bestehende Rechtslage noch vor der Sommerpause durch anspruchsvolle Vorgaben zum Schutz von Menschen und Umwelt zu verbessern. Wir werden uns dafür einsetzen, dass das Gesetzgebungsverfahren nach der Sommerpause zügig abgeschlossen wird. So haben wir es im Koalitionsvertrag vereinbart.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Klimke