Frage an Jürgen Klimke von Gerhard W. bezüglich Innere Sicherheit
Eine kritische Frage zu Ihrer Wiederwahl:
sind Sie als Abgeordneter verantwortlich für die Ergebnisse ihres Verhaltens und der von Ihnen mitgetragenen Gesetzgebung bzw. ist es die Sache des Bürgers auszubaden, was seine Politiker für ihn beschliessen ?
2 konkrete Fälle:
das Gesetz zum EU-Haftbefehl wurde von Ihnen mitbeschlossen. Hierbei wurden - wie wir mittlerweile wissen - zentrale Grundrechte übergangen und die Auslieferung von Bundesbürger ermöglicht für "Vergehen", die bei uns nicht strafbar sind. Ähnliche Vorfälle gab es mit weiteren Gesetzen des Polizeirechts, der Überwachung usw., in denen Politiker Angriffe auf die verfassungsmässigen Grundrechte vorgenommen haben, so dass der Eindruck entsteht: ohne das Eingreifen des Verfassungsgerichs lebten wir längst in einem Polizeistaat, dank einer grossen Mehrheit der Politiker, die regelmässig die Bürgerrechte und die Verfassung attackieren oder die diese Attacken dulden und absegnen.
Ähnlich im Fall der EU-Verfassung.
Hier haben uns die Politiker die Katze im Sack aufgetischt und verkauft wie eine Mogelpackung: Europa soll grösser, besser und schöner werden, so das großspurige Etikett, das eine grosse Koalition aller Parteien draufgeklebt hat.
Erst wer sich die Mühe machte, hineinzuschauen in diesen Sack erfuhr, welche Folterinstrumente er enthielt: die Verpflichtung zur Aufrüstung Art.I-41 & III-311, Angriffskrieg ohne Parlamentsbeschluss Art.III-309/310, die Verpflichtung öffentliche Dienste dem Wettbewerb / der Privatisierung zu unterwerfen (mit meist erheblichen Nachteilen für den Bürger), Mangel an Demokratie/ein in seinen Rechten verstümmeltes Parlament, keine Sozialverpflichtung des Eigentums mehr, aber viele Dinge, die in eine Verfassung nicht hineingehören bzw. unsere Grundrechte beschädigen - mit Ihrem Segen (info zb: hh-online.net/eu)
Müssen wir immer auf höhere Mächte (die französischen Wähler usw) vertrauen daß sie uns bewahren vor den Kollateralschäden unserer Politik(er) ?
Sehr geehrter Herr Wendebourg,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage auf www.kandidatenwatch.de zum EU-Haftbefehl und zur EU-Verfassung.
Zum EU-Haftbefehl:
Sie haben Recht: Das Europäische Haftbefehlsgesetz wurde vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt, weil es gegen Artikel 16 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz und Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz verstößt. Der Gesetzgeber wird die Gründe für die Unzulässigkeit der Auslieferung Deutscher neu zu fassen haben und die Einzelfallentscheidung über die Auslieferung als abwägenden Vorgang der Rechtsanwendung ausgestalten. Ich werde mich in meiner parlamentarischen Arbeit dafür einsetzen, dass beim europäischen Haftbefehl eine verfassungsgemäße Lösung gefunden wird.
Zur Militarisierung der EU durch die Verfassung:
Der Verfassungsvertrag verpflichtet die Europäische Union auf die „Wahrung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen“ (Artikel I-3, Abs. 4), also insbesondere auch die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Bei den besonderen Bestimmungen über die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (Artikel I-41) wird schon durch die Reihenfolge der Nennung deutlich, dass die zivilen Mittel der Konfliktlösung Vorrang vor den militärischen haben. Auch an dieser Stelle wird betont, dass alle Maßnahmen „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen“ stattzufinden haben.
In der Tat sieht aber der Verfassungsvertrag vor, dass die EU notfalls auch zu militärischen Mitteln greift und diese auch gezielt aufbaut. Ich halte das für richtig, da ich zutiefst überzeugt bin, dass wir unsere Grundwerte – Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit – notfalls auch mit Waffengewalt verteidigen müssen. Der Einsatz militärischer Gewalt ist aber an sehr strenge Voraussetzungen gebunden.
Stattfinden kann eine solche Maßnahme nur, wenn zuvor ein einstimmiger Beschluss des Rats ergeht. Artikel I-41, Abs. 4 und Artikel III-300 Abs. 1 und Abs. 4 des Verfassungsvertrags sind da unmissverständlich. Das betrifft auch die Durchführung einer Mission durch eine Gruppe von Mitgliedstaaten. Keinesfalls können einzelne oder mehrere Staaten nach eigenem Gutdünken im Namen der Europäischen Union militärisch tätig werden. Immer ist ein einstimmiger Beschluss des Rats erforderlich. Das ist bei 25 Mitgliedstaaten eine sehr hohe Hürde.
Ein weiterer Hauptanstoßpunkt der Kritik ist der Artikel I-41 III Unterabsatz 2 Satz 1 VerfV der ausdrücklich von einer Verbesserung der militärischen Fähigkeiten spricht. Satz 2 dieser Vorschrift macht jedoch deutlich, dass damit vor allem eine effizientere Verzahnung der nationalen Militärkapazitäten durch eine Europäische Verteidigungsagentur gemeint ist. Durch europaweite Koordinierung und Abstimmung wird es möglich sein, parallele Strukturen und damit auch Kosten zu reduzieren. Dies ist keineswegs mit Aufrüstung gleich zu setzten.
Nicht zufrieden stellend ist die fehlende gerichtliche Kontrolle der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik durch den Europäischen Gerichtshof. Dieser Mangel sollte im Rahmen einer nächsten Vertragsänderung korrigiert werden. Derzeit besteht jedoch keine Aussicht, eine umfassende Kontrollkompetenz des Europäischen Gerichtshofs durchzusetzen. Das ist nur deshalb hinnehmbar, weil die Handlungen und Entscheidungen der jeweiligen nationalen Regierungen weiterhin der gerichtlichen Überprüfung durch die nationalen Verfassungsgerichte unterliegen. Insofern bleibt das Grundgesetz Maßstab des Handelns der Bundesregierung.
Das gilt auch für die parlamentarische Zustimmung als Voraussetzung eines Auslandseinsatzes der Bundeswehr. Das gerade erst vom Bundestag verabschiedete Parlamentsbeteiligungsgesetz, mit dem der verfassungsrechtliche Parlamentsvorbehalt konkretisiert wird, hat volle Geltung auch für Einsätze der Bundeswehr auf der Grundlage von Beschlüssen nach Art. III-309 des Verfassungsvertrags. Nur deshalb ist auch die äußerst bescheidene Rolle des Europäischen Parlaments in Bezug auf die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik hinnehmbar. Auch ein echtes Mitwirkungsrecht des Europäischen Parlaments muss aber Gegenstand einer zukünftigen Vertragsänderung sein.
Auch unter Berücksichtigung der unbestreitbaren Mängel bin ich doch überzeugt, dass der Verfassungsvertrag den Rahmen für eine verantwortungsvolle, den Zielen einer friedvollen Konfliktlösung verpflichtete Außenpolitik setzt.
Zum Mangel an Demokratie in der EU:
Der Verfassungsvertrag markiert einen erheblichen Fortschritt gegenüber dem derzeit gültigen Nizza - Vertrag. Er stärkt das Demokratieprinzip auf europäischer Ebene und gibt dem Bundestag wichtige Rechte. So können wir in Zukunft bereits im Vorfeld europäischer Gesetzgebungsvorhaben die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips prüfen und zusammen mit anderen Parlamenten die Kommission zu einer Überarbeitung ihrer Vorschläge zwingen. Deutschland bekommt in Zukunft bei Abstimmungen ein höheres Gewicht. Diese Fortschritte gilt es zu sichern.
Durch den Verfassungsvertrag werden Demokratie und Grundrechtsschutz gestärkt. So werden die Befugnisse des Europäischen Parlaments als Mitgesetzgeber verstärkt, indem mehr Gesetzgebungsverfahren die Mitentscheidung durch das Europäische Parlament vorsehen. Gleichzeitig wird – und das ist eine der wesentlichen Neuerungen des Verfassungsvertrages – die direkte Beteiligung der nationalen Parlamente am europäischen Gesetzgebungsprozess eingeführt. Nationale Parlamente erhalten erstmals ein Klagerecht vor dem Europäischen Gerichtshof, falls ihrer Meinung nach ein Rechtsakt der EU das Subsidiaritätsprinzip verletzt. Dieses Recht steht in Deutschland sowohl dem Bundestag als auch dem Bundesrat zu.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Klimke