Frage an Jürgen Klimke von Alexander P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Klimke,
als Abgeordneter für meinen Wahlkreis würde ich gerne von Ihnen wissen, wie Sie zu dem Gesetzentwurf zur Sperrung kinderpornographischer Seiten im Internet stehen.
Zusätzlich ergeben sich weitere Detailfragen:
1. Warum wird bewußt auf rechtsstaatliche Mittel verzichtet? (Wer kontrolliert die Kontrollierer?)
2. Warum sollen ausgerechnet Schulen freien Zugriff zu kinderpornographischen Seiten haben?
3. Ist es erstrebenswert die umfangreichen Zensurmaßnahmen Chinas als Vorbild für unsere Demokratie heranzuziehen? (Bundestagsgutachten: Ausarbeitung WD 10 - 3000 - 010/2009)
4. Warum werden nicht in den verantwortlichen LKA zusätzliche Stellen geschaffen, die sich ausschließlich um die Verfolgung und Abschaltung der betreffenden Seiten kümmern. Der Verein CareChild hat innerhalb eines Tages 16 Seiten aus dem Netz nehmen können. Bei real ca. 1500 existierenden KiPo Seiten wäre das Internet innerhalb 100 Manntagen frei von KiPo. Wäre das nicht ein Ziel bis zur Wahl...
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Pilarczyk,
vielen Dank für Ihre Anfrage auf abgeordnetenwatch.de.
Lassen Sie mich zunächst einige Vorbemerkungen machen:
Kinderpornographie ist ein abscheuliches Verbrechen. Kinder werden missbraucht und anschließend wird der Missbrauch auch noch vermarktet und damit Geld verdient oder – was genauso schlimm ist – getauscht. Dabei werden die Opfer immer jünger; betroffen sind auch kleine, ja sogar kleinste Kinder. Da packt alle das kalte Grauen. Selbstverständlich muss man diese Verbrechen an der Wurzel bekämpfen, die Kriminellen ergreifen und ihrem Tun ein Ende setzen.
Bei der Kinderpornographie geht es rechtlich grundsätzlich um zwei Komplexe:
Zum einen bedroht § 184b des Strafgesetzbuches (Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften) all diejenigen mit Strafe,
• Die kinderpornographische Schriften, wozu auch Ton- und Bildträger sowie Datenspeocher gehören verbreiten,
• Solche Schriften öffentlich ausstellen, anschlagen, vorführen ode sonst zugänglich machen oder
• Die diese Machwerke herstellen, beziehen, liefern, vorrätig halten, anbieten, ankündigen, anpreisen, einzuführen oder auszuführen unternehmen.
Dies sind – grosso modo – diejenigen, die kinderpornographische Inhalte ins Netz stellen. Hier genügt oft ein Hinweis an die Betreiber der Server, um dem Spuk ein Ende zu bereiten. In manchen Ländern allerdings bleibt dies leider fruchtlos.
Gemäß § 184b des Strafgesetzbuches gilt grundsätzlich aber auch, dass sich strafbar macht, wer es unternimmt, sich kinderpornograpische Schriften – dazu gehören auch Dateien und das Betrachten von Bildern im Netz – zu verschaffen. Der Bundesgerichtshof hat dies folgendermaßen präzisiert: „Auch mit der bloßen Speicherung solcher Dateien im Cache-Speicher eines PC-Systems erlagt dessen Benutzer Besitz, weil es ihm möglich ist, jederzeit diese Dateien wieder aufzurufen, solange sie nicht manuell oder systembedingt automatisch gelöscht wurden „ (BGH 1StR 430/06 – Beschluss vom 10.10.2006). Entsprechend ist die Sperrung einer derartigen Seite als die Verhinderung einer Straftat zu qualifizieren. Dies unterscheidet diesen Fall z.B. von dem der Sperrung einer Seite, die vielleicht einen strafwürdigen Inhalt hat, wobei es aber nicht strafbar ist, sich diesen Inhalt zu verschaffen.
Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist es unerträglich, dass wir in Deutschland bisher noch nicht umfassend gegen die in der zweiten Alternative genannte Beschaffung von kinderpornographischen Schriften vorgegangen sind und nicht alle Möglichkeiten nutzen, diese Straftaten zu verhindern. Die Bundesregierung hat darüber Verhandlungen mit der betroffenen Wirtschaft geführt. Dabei sind zwei Dinge deutlich geworden: Erstens sind die Access-Provider dazu bereit, den Zugang zu kinderpornographischen Inhalten zu erschweren und so die Beschaffungskriminalität einzudämmen. Fünf große Unternehmen haben sich inzwischen auf vertraglicher Basis dazu verpflichtet. Und zweitens brauchen wir eine gesetzliche Regelung. Lassen Sie mich deren wichtigste Punkte hervorheben:
• Alle großen Internetzugangsanbieter werden verpflichtet, durch geeignete technische Maßnahmen den Zugang zu kinderpornograpischen Inhalten zu erschweren. Basis sind täglich aktualisierte Sperrlisten des Bundeskriminalamts.
• Aus präventiven Gründen wird gegenüber den betroffenen Nutzern über eine Stopp-Meldung klargestellt, warum der Zugang zu einem kinderpornographischen Angebot erschwert wird.
• Die Zugangsanbieter haften nur, wenn und soweit sie die Sperrliste des Bundeskriminalamts nicht ordnungsgemäß umsetzen. Die anfallenden Daten können für die Strafverfolgung genutzt werden, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen.
• Da mit den Regelungen gesetzgeberisches Neuland betreten wird, sollen sie innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten evaluiert werden.
Besonders wichtig ist mir klar zu stellen, dass es sich bei der genannten Sperrliste und bei der Verpflichtung der Internet Provider, die auf dieser Liste enthaltenen Interten-Seiten zu sperren, eben nicht um eine Zensur des Internets handelt, bei der der Staat – aus welchen Gründen auch immer – einige Internetseiten sperren lässt, um seine Bürgerinnen und Bürgern mehr oder weniger willkürlich an der Nutzung des Internets zu hindern. Läge die Sache so, würde ich Ihre Bedenken – insbesondere hinsichtlich der Zusammenstellung der Sperrliste und Ihrer Überprüfung – uneingeschränkt teilen und den Gesetzentwurf nicht unterstützen. Die Sache liegt aber anders, denn hier geht es um die Verhinderung von Straftaten gem. § 184b des Strafgesetzbuches.
In der öffentlichen Diskussion ist leider bisher nicht ausreichend verdeutlicht worden, dass die Einschränkungen des Zugangs und die Strafverfolgung sich nur auf die besondere Struktur des § 184b des Strafgesetzbuches beziehen, d.h. – wie schon oben gesagt – auf die Verschaffung der Kinderpornographie. Es ist nicht daran gedacht, ähnliche Maßnahmen auch bei anderen Rechtsverletzungen zu ergreifen, bei denen z.B. das Betrachten der Seite straflos ist und eine weitere Handlung – möglicherweise ein Download einer Datei – hinzutreten muss, um ein Rechtsgut zu verletzen.
Insofern bin ich fest davon überzeugt, dass durch dieses Gesetzvorhaben die Grundrechte der Bürger nicht tangiert werden.
Es ist sehr schwer, konkret quantitativ zu beurteilen, in welchem Maße dieses Gesetz den Konsum von Kinderpornographie und die Produktion von Kinderpornographie verhindert oder erschwert. Eine Patentlösung wird es nicht geben. Dies sollte uns aber nicht daran hindern, Maßnahmen zu ergreifen, die zumindest einige Straftaten verhindern. Ich vertrete in jedem Fall die Auffassung, dass der Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch eine wichtige Aufgabe der Politik ist, in der wir sowohl bei Angeboten im Internet, Kinderprostitution, Sensibilisierung der Bevölkerung als auch bei Täterprävention ansetzen müssen. Insofern kann der jetzt zu beratende Gesetzentwurf hier nur einen Baustein bilden. In meiner Arbeit in den Ausschüssen für Tourismus und für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung setze ich mich aktiv für eine stärkere Sensibilisierung der Reisenden, für bessere Verfolgung von Straftätern und für eine Verhinderung der Grundlagen von Kinderprostitution gerade in Entwicklungsländern ein.
Zu den anderen Detailfragen:
Über einen freien Zugang von Schulen auf kinderpornographische Seiten ist mir nichts bekannt, er erscheint mir auch nicht als möglich. Da es um die Sperrung der Seiten geht, ist folglich auch ein Zugriff für bestimmte Nutzergruppen nicht möglich.
Die Frage der Stellen beim LKA ist Ländersache, sie wird allerdings auch nicht im Gesetz geregelt. Vielmehr muss in der Folge bei der Umsetzung des Gesetzentwurfes dafür gesorgt werden, dass entsprechende personelle Ressourcen bereitgestellt werden.
Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass der Gesetzentwurf derzeit noch in den Gremien des Bundestages beraten wird. So wird am 27. Mai eine Anhörung des Wirtschaftsausschusses des Deutschen Bundestages stattfinden, in der mit Sicherheit auch von Ihnen angesprochene Themen zur Sprache kommen werden. Dabei ist es durchaus denkbar, dass es im Detail noch zu Änderungen am Gesetzentwurf kommt.
Grundsätzlich halte ich den Gesetzentwurf der Bundesregierung als einen von mehreren Ansätzen für die Bekämpfung des Missbrauchs von Kindern jedoch für sehr unterstützenswert. Ich würde mich deshalb freuen, wenn auch Sie unser Anliegen mittragen würden.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Klimke