Frage an Josip Juratovic von Rainer P. bezüglich Recht
Hallo Herr Juratovic!
wie stehen sie zu der Forderung, den Schutz der deutschen Sprache im Grundgesetz zu verankern, und was halten sie von der gegenwärtigen Sprachverunstaltung, Stichwort "Denglisch"?
Sehr geehrter Herr Pribil,
vielen Dank für Ihre Frage zur Sprachpolitik. Leider komme ich aufgrund der Weihnachtsfeiertage erst jetzt im neuen Jahr dazu, Ihre Frage zu beantworten.
Sie sprechen ein Thema an, das für große Schlagzeilen gesorgt hat, nachdem die CDU - übrigens gegen den Willen von Angela Merkel - auf ihrem Bundesparteitag in Stuttgart Anfang Dezember beschlossen hat, das Grundgesetz ändern zu wollen und darin die deutsche Sprache zu verankern.
Als ich selbst mit 15 Jahren aus Kroatien nach Deutschland gekommen bin, war die deutsche Sprache sehr wichtig für mich. Ich bin direkt nach meiner Ankunft in ein Zeltlager gefahren und war mit der neuen Sprache konfrontiert. Mir hat damals zur Integration die Sprachpraxis geholfen - einen Grundgesetzartikel hätte ich überhaupt nicht wahrgenommen.
Genau darin besteht auch meine Kritik an dem Vorstoß der CDU: Die Aufnahme der deutschen Sprache ins Grundgesetz hätte keinerlei praktische Auswirkung. Zumal bereits in zahlreichen Verwaltungsgesetzen geregelt ist, dass man der deutschen Sprache mächtig sein muss, um staatsbürgerliche Rechte und Pflichten ausüben zu können. Kinder mit und ohne Migrationshintergrund, die die deutsche Sprache zu Hause, im Kindergarten und in der Grundschule erlernen, Migrantinnen und Migranten, die sich in Kursen die deutsche Sprache aneignen - all dies ist Realität. Menschen, die unsere Sprache erlernen, hilft der Artikel nicht. Vielmehr wäre es wichtig, mehr in Bildungsanstrengungen zu investieren: Wie können wir erreichen, dass im Kindergarten Sprachkompetenz vermittelt wird? Wie sorgen wir dafür, dass alle Kinder bei Schuleintritt gut deutsch sprechen können? Wie fördern wir die deutsche Sprache in den Schulen? Im Übrigen haben nicht nur Kinder mit Migrationshintergrund oftmals Probleme mit ihrer Sprachkompetenz, wie zahlreiche Studien beweisen. Alle diese Initiativen scheinen mir deutlich sinnvoller als eine rein auf Symbolpolitik ausgerichtete Grundgesetzänderung. Der Umgang mit der Sprache kann nicht gesetzlich verordnet werden, sondern muss in der Praxis gefördert werden.
Auch der Gebrauch von "Denglisch" lässt sich nicht gesetzlich verhindern. Sprache ist lebendig, sie wird im Alltag immer wieder neu erfunden. Daher wird ja auch der Duden immer wieder aktualisiert. Natürlich lässt sich der Einbruch von englischen Wörtern in die deutsche Sprache beobachten - und übrigens ebenso in die französische, auch wenn die Académie française dies immer wieder heldenhaft zu verhindern versucht. Ich halte die Gefahr eine sprachlichen ,Überfremdung´ und eine Übernahme der deutschen Sprache durch das Englische jedoch für übertrieben. Auch hier hilft keine gesetzliche Regelung, sondern eine Bildungspolitik mit Fokus auf Sprachförderung.
Ein "Gschmäckle" hat der CDU-Vorstoß auch insofern, dass bisher immer betont wurde, man wolle das Grundgesetz nicht noch einmal ändern - und damit die Initiative der SPD blockiert, Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen.
Ich sehe die Sprache als wichtige Komponente unserer Bildungspolitik. Hier müssen wir ansetzen, um allen Menschen eine gute Bildung und Ausbildung zu gewährleisten. Ohne Sprache ist alle Bildung nichts. Daher ist Sprachpolitik für mich deutlich mehr als eine rein auf vermeintlich patriotische Gefühle ausgerichtete und folgenlose Symbolpolitik.
Mit freundlichen Grüßen
Josip Juratovic