Frage an Josip Juratovic von Günther H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag Herr Juratovic,
Sie haben der Vorratsdatenspeicherung zugestimmt, was für Datensicherheitsexperten wie mich einem Ausverkauf der Privatsphäre gleichkommt.
Haben Sie sich vorher mit dem Thema fachlich wie sachlich auseinandergesetzt und glauben Sie ernsthaft, dass diese Entscheidung Terrorismus und Kriminalität effektiv verhindern kann?
Sehr geehrter Herr Heermann,
was länge währt... Zuallererst möchte ich mich für die Verspätung meiner Antwort entschuldigen. Die von Ihnen angesprochene Vorratsdatenspeicherung ist weiterhin ein aktuelles Thema, deswegen möchte ich mich trotz der verstrichenen Zeit mit Ihrer Frage beschäftigen und hoffe, dass meine Antwort auf Ihr Interesse stößt.
Als Bundestagsabgeordneter ist es meine Pflicht, mich mit allen Entscheidungen, die ich in Berlin treffe, gründlich auseinanderzusetzen, und dieser Pflicht komme ich mit bestem Gewissen nach. So habe ich das selbstverständlich auch bei der Vorratsdatenspeicherung getan, zumal dies eine in der Öffentlichkeit und im Parlament breit diskutierte Entscheidung war.
Im November 2007 hat der Bundestag die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung beschlossen und ist damit der europarechtlichen Verpflichtung nachgekommen, die Richtlinie in deutsches Recht umzusetzen. Nun möchte ich nicht den "Schwarzen Peter" auf die EU schieben und sagen, dass uns gar nichts anderes übrig geblieben wäre. Der Bundestag hat bereits bei Entstehen der Richtlinie auf europäischer Ebene Einfluss ausgeübt und bewirken können, dass in vielen Bereichen grundrechtsfreundlichere Regelungen als ursprünglich vorgesehen getroffen werden konnten. Gespeichert werden lediglich Verkehrsdaten, also wann welche Mobilfunknummer von welchem Standort aus telefoniert hat, ähnlich ist es bei Internetverbindungen. Telekommunikationsinhalte werden, entgegen weit verbreiteter Meinungen, nicht gespeichert. Viele Telekommunikationsunternehmen haben die nun erhobenen Daten schon vor dem Gesetz zu Abrechnungszwecken gespeichert.
Auch weiterhin werden die Daten bei den Telekommunikationsunternehmen gespeichert sein. Neu ist lediglich, dass die Strafverfolgungsbehörden innerhalb der sechs Monate, die die Daten gespeichert werden müssen, mit einem richterlichen Beschluss auf die Daten zugreifen können. Damit staatliche Behörden Einsicht in die Daten haben, muss also bereits ein Ermittlungsverfahren laufen, die Dateneinsicht muss der Aufklärung einer konkreten Straftat dienen und richterlich angeordnet sein. Dies erleichtert die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden, schränkt aber gleichzeitig den Zugriff des Staates auf die Daten effektiv ein. Ich bin davon überzeugt, dass dies eine Lösung mit Augenmaß ist.
Ich stimme Ihnen aber zu, dass wir bei jeder Entscheidung, die im Bereich der Inneren Sicherheit gefällt wird, Datensicherheit und Freiheitsrechte bedenken müssen. Ich stemme mich immer gegen die in der Politik leider ab und an vertretene Ansicht - übrigens meist aus den Reihen der CDU -, dass staatliche Zugriffe in die Privatsphäre ausgeweitet werden müssen, um für mehr "Sicherheit" zu sorgen. Ich bin davon überzeugt: Bürgerinnen und Bürger mit Freiheitsrechten sind kein Sicherheitsrisiko, sondern nötig für eine lebendige Demokratie.
Ich bitte nochmals um Entschuldigung für meine verspätete Antwort.
Freundliche Grüße
Josip Juratovic MdB