Frage an Josip Juratovic von Martin H. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Juratovic,
Als Mitglied im Auswärtigen Ausschuss machen Sie sich sicher auch Gedanken zu grundsätzlichen Fragen. Meine Frage ist: Warum ist es sinnvoll, dass die Bundesrepublik Mitglied in einem von den USA dominierten Militärbündnis (der NATO) ist? In der Nachkriegszeit mag das für Westdeutschland sinnvoll gewesen sein, um einer expansiven autoritär-kommunistischen Bewegung entgegenzutreten, aber heutzutage? Deutschland wird von keinem anderen Land bedroht, und die USA verteidigen Deutschland nicht, sondern zwingen unser Land, sinnlose (und zum Teil völkerrechtswidrige) Angriffskriege wie gegen Jugoslawien, Irak und Afghanistan zu unterstützen oder gar zu führen. Und im Augenblick sehen wir, wie die Expansion der NATO nach Osten unseren ganzen Kontinent destabilisiert, also genau das Gegenteil von Sicherheit bringt. Wäre es nicht besser gewesen, in den 1990er Jahren als Antwort auf die Auflösung des Warschauer Pakts auch die NATO aufzulösen? Was antworten Sie denen, die die NATO gar nicht als Verteidigungsbündnis, sondern als US-Einflusszone ansehen, mit der die USA nicht Frieden schaffen, sondern ihre Macht ausdehen will?
Dies ist eine große Frage, aber vielleicht können Sie mich auf ein Dokument hinweisen, wo diese Fragen beantwortet werden. In der Presse liest man jedenfalls nichts dazu – mich erinnert das in gespenstischer Weise an die DDR-Presse, in der die brüderliche Verbundenheit mit der Sowjetunion nicht kristisiert werden durfte.
Vielen Dank,
Ihr
Prof. Dr. Martin Haspelmath (Leipzig)
Sehr geehrter Herr Haspelmath,
vielen Dank für Ihre Fragen zur Sicherheitspolitik der SPD und der Bundesregierung. Gern möchte ich Ihre Fragen beantworten.
1) Deutschland als Teil der Nato?
Die Nordatlantische Allianz (NATO) bleibt ein zentraler Pfeiler der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Mit derzeit 28 Mitgliedern ist sie ein wichtiger Garant für Sicherheit und Stabilität im euroatlantischen Raum.
In unserer vernetzten Welt kann kein Land internationale Konflikte allein lösen. Genauso gilt, dass sich kaum ein Land allein umfassend gegen grenzüberschreitende Risiken und Bedrohungen schützen kann. Deshalb sind wir auf Partner und Bündnisse angewiesen, die auf gegenseitige Unterstützung und Solidarität gründen. Kollektive Verteidigung, Krisenmanagement und kooperative Sicherheit - das sind die drei Kernaufgaben der NATO, die ihre Mitglieder gemeinsam beschlossen haben. Auf dem Gipfel in Lissabon 2010 haben die NATO-Staaten diese drei Aufgaben in dem Strategischen Konzept der Allianz festgeschrieben, das seitdem Bestand hat.
2) Warum beteiligt sich die Bundeswehr an Auslandseinsätzen?
Sie schreiben, dass die Vereinigten Staaten von Amerika Deutschland zwingen „sinnlose Angriffskriege zu führen oder zu unterstützen“. Dem widerspreche ich. In der Bundesrepublik Deutschland entscheidet der Bundestag nach Abwägung der jeweiligen Lage souverän über den Einsatz der Bundeswehr. Deswegen hat sich Deutschland nicht am Irakkrieg beteiligt. Die Entscheidung, im ehemaligen Jugoslawien einzuschreiten, um Schlimmeres zu vermeiden, war in deutschem Interesse – ebenso die Teilnahme an der Mission in Afghanistan in der vergangenen 13 Jahren. Die Bundesrepublik Deutschland verfolgt dabei generell einen vernetzten Ansatz: Sicherheitspolitik ist für uns zivile Arbeit, polizeiliche Arbeit und militärische Arbeit. Die SPD setzt sich dafür ein, dass vor allem die erste und zwei Komponenten eingesetzt werden, wenn sich Deutschland im Ausland engagieren muss.
3) 1990er Jahre: Auflösung der NATO?
Es ist ein schönes Gedankenspiel, darüber nachzudenken. Möglicherweise wäre es zum unserem Wohl gewesen, möglicherweise auch nicht. Entscheidend ist für mich, dass die NATO heute als gegenseitiges Verteidigungsbündnis funktioniert und das sie eine friedliche und auf Partnerschaft basierende Grundausrichtung hat. Die NATO führt keine Angriffskriege. Sie verteidigt, wo dies notwendig sein sollte.
Zum Themenbereich sozialdemokratischer Sicherheitspolitik empfehle ich Ihnen auch die Publikationen der Friedrich-Ebert-Stiftung ( http://www.fes.de/gpol/inhalt/sicherheitspolitik.htm ). Aktuelle Stellungnahmen finden Sie auch immer auf den Seiten der SPD-Bundestagsfraktion und der SPD-Bundeszentrale.