Frage an Josip Juratovic von Albert G. bezüglich Gesundheit
Sehr gehrter Herr Juratovic,
Ihnen ist sicher bekannt das es in der Krankenversicherungspflicht einen erheblichen Unterschied, bei der Beitragsberechnung, zwischen Pflichtversicherten und freiwillig versicherten Mitgliedern gibt.
Freiwillig versicherte Mitglieder ( die letzendlich auch Pflichtversicherte sind, da es eine Krankenversicherungspflicht gibt) müssen aus privaten Riester-, Rürup- oder sontigen Renten, sowie aus Miteinkünften und Kapitaleinkünften einen Krankenkassenbeitrag in Höhe von 15,5 % bzw. 14,9 % abführen. Für Pflichtversicherte fallen hierfür keine Beiträge an.
Wird die Politik dies Ungleichbehandlung in absehbarer Zeit abschaffen und werden Sie und Ihre Partei sich dafür einsetzen.
Des weiteren erwarten Arbeitnehmer (und Arbeitgeber) eine böse Überraschung wenn der Arbeitgeber für seinen Arbeitnehmer eine Alterrsversorgung in Form einer Direktversicherung abgeschloßen hat. Der Arbeitgeber hat, wenn es sich um ältere Verträge handelt diese Pauschal versteuert und dies Steuer und Kirchensteuer an das Finanzamt abgeführt. Bei Vertragsabschluß und mit jährlicher Information wurde den Arbeitnehmer mitgeteilt welchen Betrag Sie mit 65 Jahren, oft als Kapitalzahlung, erwarten konnten. Kommt es heute zu einer Auszahlung werden hierauf 15,5 % Krankenkassenbeiträge fällig. Selbst dann wenn der Arbeitnehmer während seiner Tätigkeit oft oder dauernd über der Krankeversicherungsgrenze lag.
Das kann alles nicht im Sinne einer betrieblichen Altersversorgung für Arbeitnehmer sein.
Wie wird Ihre Partei und Sie bei einer Mehrheit bei der nächstenn Wahl mit diesem Thema umgehen ?
Mit frreundlichen Grüßen
Albert Gräßle
Sehr geehrter Herr Gräßle,
vielen Dank für Ihre Mail vom 29. Juli, die über abgeordnetenwatch.de bei mir eingegangen ist. In Abstimmung mit den Experten der SPD-Bundestagsfraktion möchte ich Ihnen gern unsere Positionen zu den angesprochenen Themen Krankenversicherung und Beiträge aus Direktversicherungen aufzeigen.
Die SPD wird nach der Bundestagswahl - sofern sie von den Wählerinnen und Wählern in Regierungsverantwortung gewählt wird - unmittelbar mit der Umsetzung der Bürgerversicherung beginnen. Dabei werden wir auch einige überkommene Regelungen bei der Finanzierung und der Beitragsberechnung zeitgemäßer und gerechter neu regeln. Die bisherige Unterscheidung zwischen Pflicht- und freiwillig Versicherten ist nur noch historisch zu erklären und macht keinen Sinn mehr, zumal - wie Sie richtig anführen - heute eine allgemeine und umfassende Versicherungspflicht für die gesamte Bevölkerung existiert.
Die Finanzierung der Bürgerversicherung wird sich aus drei Beitragssäulen zusammensetzen: Bürgerbeitrag, Arbeitsgeberbeitrag und dynamisierter Steuerbeitrag.
1) Der Bürgerbeitragssatz wird von den Krankenkassen individuell selbstständig festgelegt. Die Regelungen für beitragsfrei mitversicherte Personen bestehen fort. Zusatz- und Sonderbeiträge fallen ersatzlos weg.
2) Mit einem neu ausgestalteten Arbeitgeberbeitrag wollen wir die tatsächliche Bedeutung der Arbeitswelt für die Gesundheit der Bevölkerung in der Krankenversicherung abbilden. Der Arbeitgeberbeitrag wird als ein linearer, prozentualer Anteil an der gesamten Lohnsumme für bürgerversicherte Arbeitnehmer beglichen. In dieser Lohnsumme enthalten sind neben den regulären Löhnen und Gehältern auch einmalige Bonuszahlungen etc..
Mit einem dynamisierten Steuerbeitrag wollen wir weitere Einkommensarten zur Finanzierung der Krankenversicherung heranziehen, die Beitragsbelastung in vertretbarem Rahmen halten und die Krankenversicherung nachhaltig finanziell stabilisieren. Zukunftsszenarien zeigen, dass wir diese stärkere Steuerfinanzierung auch im Gesundheitssystem brauchen. Diese Antwort ist sehr technisch. Das Thema Gesundheitsfinanzierung ist jedoch hochkomplex und ich möchte Sie nicht mit Phrasen beschwichtigen. Es ist mir wichtig, Ihnen deutlich zu machen, dass wir als SPD ein solidarisches Gesundheitssystem wollen, in dem alle ihren Beitrag leisten.
Zu Ihrer Frage zur Direktversicherung:
Das Bundesverfassungsgericht hat sich in zwei Urteilen im Jahr 2010 dahingehend geäußert, dass die Einbeziehung von Zahlungen aus Direktversicherungen in die Beitragspflicht verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, da die Direktversicherung, wie Sie korrekt schreiben, als eine Form der betrieblichen Altersvorsorge anzusehen ist. Eine solche Versicherung ist lediglich dann nicht als betriebliche Altersvorsorge anzusehen, wenn der Versicherungsvertrag auf den Arbeitnehmer lief.
Häufig wird bei Direktversicherungen die so genannte doppelte Beitragszahlung kritisiert. Das trifft nach meinem Informationsstand jedoch nicht immer zu, da zumindest in einigen Fällen die Direktversicherungsprämien durch Entgeltumwandlung von Einmalzahlungen bezahlt wurden, oder aus Arbeitsentgelt, das wegen Überschreitens der Beitragsbemessungsgrenze beitragsfrei war.
Sie sind sicherlich mit den finanziellen Problemen in der Krankenversicherung vertraut. Die Beiträge der Rentner decken die für sie entstehenden Leistungsaufwendung nur zum Teil; der größere Teil dieser Aufwendungen wird aus den Beiträgen der Aktiven mitfinanziert. Das finde ich vollkommen in Ordnung, da das die Solidarität zwischen den Generationen leisten muss. Problematisch ist jedoch, dass der Anteil, für den die Aktiven an den Leistungen für die Rentner aufkommen müssen, kontinuierlich gestiegen ist. 1973 wurden die Leistungsaufwendungen der Krankenkassen für Rentner noch zu rund 72 Prozent durch für sie gezahlte Beiträge gedeckt. Im Jahr 2008 finanzierten Rentner nur noch etwa 47 Prozent ihrer Leistungsaufwendungen. Diese „Finanzierungslücke“ ist im Rahmen der Solidargemeinschaft der Versicherten auszugleichen. Zwar haben auch die heutigen Rentner während ihres Arbeitslebens die damaligen Rentner mitfinanziert. Wegen der damals niedrigeren Beitragssätze in der GKV war der von ihnen zu tragende prozentuale Anteil an den Leistungsaufwendungen, die in der Zwischenzeit erheblich gestiegen sind, deutlich geringer als der, der heute von den übrigen Beitragszahlern aufgebracht werden muss. Dies war einer der politischen Beweggründe zur Neuregelung im Jahr 2004.
Der damalige Beschluss war ein Konsens zwischen SPD, Bündnis90/Die Grünen und der CDU/CSU. Auch angesichts der Finanzlage der Krankenkassen halte ich eine Rücknahme der Regelung für ausgeschlossen, auch wenn ich Ihre Argumentation und Ihren Ärger gut nachvollziehen kann.
Wichtig ist mir, dass diese Regelung in der Öffentlichkeit stärker bekannt gemacht wird. Nur so können wir sicherstellen, dass es kein böses Erwachen für Bezieher von Direktversicherungen gibt, wenn sie merken, dass ihre Leistungen geringer sind als ursprünglich erwartet.
Ich hoffe, dass ich Ihnen damit zumindest die Hintergründe zu Ihren beiden Fragen erläutern konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Josip Juratovic