Josip Juratovic MdB
Josip Juratovic
SPD
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Frage von Jochen H. •

Frage an Josip Juratovic von Jochen H. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Juratovic,

heute habe ich bei Reuters gelesen, dass Griechenland am Wochenende in einem Geheimtreffen nochmal 60 Mrd zusätzlich zu den 110 Mrd versprochen bekam.
Wer ist autorisiert, das Geld zu geben? Läuft das am deutschen Parlament vorbei? Haben Sie da zugestimmt oder hat man es auch an Ihnen vorbei gemacht? Ab wie viel Mrd - nur für Griechenland - würden Sie sagen, dass jetzt Schluss ist?

Mit freundlichen Grüßen,
Helmus

Josip Juratovic MdB
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Helmus,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Sie zitieren die Nachrichtenagentur Reuters. Richtig ist, dass es ein solches Treffen gab. Mir sind allerdings noch keine Details bekannt, dass zu den 110 Mrd. Euro (über die nächsten drei Jahre verteilt) weitere 60 Mrd. Euro versprochen wurden. Über weitere Unterstützungsmaßnahmen finden zur Zeit Verhandlungen auf EU-Ebene statt.

Die bisherigen Regelungen des provisorischen Euro-Stabilisierungsabkommens besagen, dass Deutschland mit einem Bürgschaftsanteil von 123 Mrd. Euro beteiligt ist. Die Gesamtgarantien aller €uro-Länder liegen bei 440 Mrd €.

Bei unvorhergesehenem und unabweisbarem Bedarf kann die Garantieermächtigung um 20 Prozent überschritten werden. Voraussetzung hierfür ist eine Zustimmung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestags. Für Deutschland kann es sich bei einer eintretenden Bürgschaft um eine maximale Summe von ca. 148 Milliarden Euro handeln.

Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) soll ab 2013 den derzeitigen provisorischen Rettungsschirm für in Not geratende Euro-Länder ablösen. Voraussichtlich im Herbst soll über einen dauerhaften Rettungsschirm entschieden werden. Ich werde mir das Konzept für den dauerhaften Rettungsschirm genau anschauen und dann meine Entscheidung treffen.

Für mich steht dabei außer Frage, dass der Deutsche Bundestag bei einen solchem dauerhaften Rettungsschirm auf sein Budgetrecht pochen muss.
Von daher fällt eine Abstimmung über den ESM aus meiner Sicht in den Kompetenzbereich des Deutschen Bundestages.
Ob, wann, und wie Griechenland, Irland und Portugal ihre Schulden zurückzahlen ist eine Frage, die auch mich bewegt und mir große Sorgen macht.
Es wäre allerdings unseriös von mir, wenn ich Ihre Frage mit einem einfachen „Ja“ oder „Nein“ beantworten würde. Denn ob dies gelingt, hängt zentral davon ab, welche Entscheidungen Europa und die betroffenen nationalen Regierungen einleiten. Ich kann Ihnen allerdings sagen, was aus meiner Sicht notwendig ist, um die Frage mit „Ja“ oder mit einer konkreten Mrd-Zahl in € zu beantworten:

Die griechische Regierung hat unter Regierungschef Giorgos Papandreou einen mutigen Reformkurs in die Wege geleitet. Dieser muss jetzt seitens der EU und ihrer Mitgliedsländer unterstützt werden. Erste Erfolge der Konsolidierung sind bereits eingetreten. Griechenland braucht Zeit für diesen grundlegenden Wandel. Es kann sich nicht aus der Krise heraus sparen, wenn nicht Wachstumsimpulse und Wettbewerbsstrategie hinzukommen.

Im Einklang mit meinen Kolleginnen und Kollegen der SPD-Bundestagsfraktion bin ich der Ansicht, dass die bislang ausgehandelten Rettungsmechanismen nicht ausreichen, um das Land dauerhaft aus der Krise zu führen.
Wir haben kritisiert, dass es nicht reicht, den Steuerzahler als Generalbürgen für die Folgelasten der Finanzkrise haften zu lassen, ohne die Finanzakteure substanziell zu beteiligen. Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, die nichts anderes als eine Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte ist, bleibt auf der Tagesordnung. Wir brauchen außerdem eine ausgewogene Gläubigerbeteiligung, damit Länder wie Griechenland wirtschaftlich nicht durch die Zinsschraube stranguliert werden. Letzten Endes kann es nur eine nachhaltige Lösung der Krise geben, wenn nicht nur Deutschland, sondern auch wachstumsschwächere Euro-Länder neue Impulse
wirtschaftlicher Entwicklung setzen können. Das ist eine Aufgabe, die diese Länder selbst angehen müssen, aber Europa darf sie dabei nicht allein lassen.

Nur ein umfassendes Gesamtkonzept und entschiedenes Handeln der Staats- und Regierungschefs können ein klares Signal an die Märkte senden. Dabei geht es nicht darum, einfach mehr Geld bereit zu stellen, sondern den Ländern Perspektiven für wirtschaftliches Wachstum zu eröffnen. Staaten mit Verschuldungsproblemen brauchen Konsolidierung, aber vor allem brauchen sie Wirtschaftswachstum und Beschäftigung, damit sie überhaupt in der Lage sind, aus eigener Kraft ihre Haushalte auszugleichen. Das konservative Spardiktat ist die falsche Antwort auf die Krise. Ein Pakt für Wachstum, Beschäftigung und soziale Stabilität ist überfällig. Nur durch eine verbindliche Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik werden wir in der EU insgesamt wieder auf einen Wachstumspfad zurückkehren.
Die Finanzminister der EU müssen endlich Ernst machen mit der Beteiligung von Gläubigern, der Restrukturierung von unterkapitalisierten Banken und der Einführung einer Finanztransaktionssteuer.
Die Bürgerinnen und Bürger dürfen nicht weiter die alleinigen Zahlmeister der Kosten
der Finanzkrise sein, indem die betroffenen Staaten in rigide Sparprogramme gezwängt werden, die zum Abbau der Sozialsysteme führen.

Das Projekt Europa ist seit dem Ende des 2. Weltkrieges eine Erfolgsstory.
Seit über 60 Jahren ist Europa erstmals in seiner blutigen Geschichte eine Region von Stabilität und Wohlstand. Als überzeugter Europäer, der auch auf Grund seiner Erfahrung auf dem Balkan weiß, wie wichtig diese Werte sind, werde ich weiterhin für die europäische Idee werben. Dazu gehört auch der Euro. Insofern ist für mich der Euro nicht nur ein wirtschaftliches Projekt, von dem Deutschland als Exportnation Nr. 1 in der Eurozone am stärksten profitiert. Nein, es ist auch ein politisches Projekt, denn mit Kleinstaaterei können wir die großen Herausforderungen auf unserer Erde (internationale Sicherheit, Ökologie, Sozialer Fortschritt, Migration) nicht lösen. Der Preis für die Aufgabe dieses Projekts ließe sich dann nicht mehr in Geldsummen fassen.

Mit freundlichen Grüßen

Josip Juratovic

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