Frage an Josip Juratovic von Heike R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Juratovic,
an "Kollege Jürgen" gerichtet schreiben Sie, dass immer weniger Beitragszahler immer mehr Rentner versorgen müssen, deshalb die Rente mit 67. Gilt gleiches nicht auch für die Pensionäre, die von immer weniger Steuerzahlern bestens versorgt werden müssen?
Weshalb ist bei der Rentenerhöhung auf 67 breiter und schnellster Konsens erzielt worden, bei dem Problem der Pensionshöhen- und lasten aber gibt es nur Sprechblasen?
Weshalb ist die Möglichkeit des Vorruhestandes (mit Leistungskürzung!) für normale Arbeiter und Angestellte abgeschafft worden, gleichzeitig führt soeben auch Niedersachsen die Möglichkeit von Frühpensionierungen für Beamte ab 60 ein?
Noch eine Frage, die SPD hat die Rente mit 67 durchgesetzt, weshalb werden aber Arbeitslose ab 58, die sozialversicherungspflichtige Jobs dringend brauchen und suchen, nicht mehr in der Arbeitslosenstatisk aufgeführt????Was passiert offiziel mit denen, bis sie 67 sind? Um wieviel Menschen handelt es sich dabei?
Mit freundlichem Gruß
Heike Rogall
Sehr geehrte Frau Rogall,
vielen Dank für Ihre Zuschrift zu einem Thema, das Sie hier auf Abgeordnetenwatch ja schon lange beschäftigt.
1. Sie haben Recht, dass die demographische Entwicklung, die ich in der Antwort an meinen Kollegen zur Erhöhung des Renteneintrittsalters anführe, natürlich auch für Pensionen gilt. Wie Sie sicherlich wissen, lassen sich das Rentensystem, das über Rentenversicherungen funktioniert, und das Pensionssystem nur schwer vergleichen. In der Rentenversicherung berechnet sich die Rentenhöhe dadurch, wie hoch die Rentenbeiträge im Laufe des Arbeitslebens sind. Die Pensionshöhe nimmt die Anzahl der Dienstjahre des Beamten und die Höhe des Einkommens zur Grundlage. Es gibt immer wieder Studien über die Gerechtigkeit der beiden Systeme. Ich bin der Meinung, dass nach der Erhöhung des Renteneintrittsalters auch das Pensionseintrittsalter angepasst werden muss. Wie Sie sicher wissen, wurde im Zuge der Föderalismusreform festgelegt, dass Bund und Länder das Beamtenversorgungsgesetz jeweils für ihren Bereich regeln. Die Erhöhung auf 67 Jahre als Regeleintrittsalter von Pensionären ist mittlerweile im Bund und in vielen Ländern beschlossen. Damit ist in diesem Bereich eine Gleichstellung erreicht.
Nicht zuletzt durch die aufgeteilten Kompetenzen, aber auch durch die schwierige Vergleichbarkeit – Pensionäre haben außer der Pension keine zusätzlichen Leistungen wie beispielsweise eine betriebliche Altersvorsorge, zudem sind bei Beamten durchschnittlich höhere Bildungsabschlüsse und damit verbunden höhere Einkünfte während der Berufstätigkeit verbunden – ist eine einheitliche Regelung sehr kompliziert. Für mich gilt der Grundsatz, dass Renten und Pensionen so weit es geht gleichgestellt werden sollen. Die Erhöhung des Einstiegsalters ist für mich dabei ein Beispiel, wie dies funktionieren kann. Aber auch die Absenkung des Pensionsanspruches von 75 auf 71,75 %, die Einkommenssteuerpflichtigkeit von Pensionen und die Einführung der Versorgungsrücklage, an der sich die aktiven Beamten beteiligen müssen, dienen der schrittweisen Gleichstellung.
Wie Sie unter anderem meiner von Ihnen zitierten Antwort an meinen früheren Kollegen bei Audi entnehmen, war die Entscheidung für die Erhöhung des Renteneintrittsalters in meiner Fraktion alles andere als ein „breiter und schneller Konsens“. Sie können davon ausgehen, dass diese Entscheidung niemandem leicht gefallen ist. Dass es bei den Pensionen zu großen Debatten und verschiedenen Regelungen kommt, ist sicher der geschilderten Vielzahl der Akteure geschuldet.
Übrigens, um einem weit verbreiteten Vorurteil zu begegnen: Bundestagsabgeordnete sind nicht generell Beamte. Die meisten meiner Kollegen, und auch ich, erhalten eine Rente, die sich neben der Bundestagstätigkeit aus den Rentenversicherungsbeiträgen der früheren Arbeit speist. Und auch in der Krankenversicherung bin ich bewusst gesetzlich und nicht privat versichert!
2. Mit dem Vorruhestand sprechen Sie ebenso ein breit diskutiertes Thema an. Die SPD-Bundestagsfraktion hat dazu ein Konzept zur Flexibilisierung des Rentenzugangs beschlossen. Ich befürworte die Fortführung der Altersteilzeit. Altersteilzeit ist ein Konzept, um Frühverrentungen zu vermeiden. Eine Beschäftigung mit Altersteilzeit kann sichern, dass Ältere weiterhin im Arbeitsleben bleiben können. Dies gehört für mich zu einer humanen Arbeitswelt, wie ich sie in der Antwort auf meinen Kollegen beschrieben habe. Ich habe mich immer für eine Verlängerung der geförderten Altersteilzeit eingesetzt. Die SPD-Bundestagsfraktion hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, um die Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit um fünf Jahre zu verlängern. Leider hat die Union nicht erkannt, wie wichtig dieses Thema ist. Die Förderung ist somit seit 1.1.2010 ausgelaufen.
Altersteilzeit bedeutet nicht, wie beschrieben, eine Frühverrentung. Auch Frühpensionierungen stehe ich skeptisch gegenüber. Wir dürfen unsere älteren Arbeitnehmer nicht aus dem Arbeitsmarkt vertreiben, sondern müssen Chancen für sie schaffen – und dazu gehört die Altersteilzeit.
3. Ihre dritte Frage bezieht sich auf die Berechnung der Arbeitslosenstatistik. Nicht als Arbeitslose zählen erwerbsfähige Hilfebedürftige, die nach Vollendung des 58. Lebensjahres mindestens für die Dauer von zwölf Monaten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bezogen haben, ohne dass ihnen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung angeboten worden ist, nach Ablauf dieses Zeitraums für die Dauer des jeweiligen Leistungsbezugs. Nicht in der Arbeitslosenstatistik aufgeführt werden übrigens unter anderem auch ausbildungssuchende Schulabgänger.
Als die so genannte 58er-Regelung noch bestand und damit der Zugang zum Arbeitslosengeld für über 58Jährige erleichtert war, waren laut Angabe der Bundesregierung im Jahr 2008 225.000 Arbeitslosengeldbezieher von dieser Regel betroffen. Mit dem Auslaufen der 58er-Regelung müssen sich auch wieder erwerbsfähige Hilfebedürftige über das 58. Lebensjahr hinaus aktiv um ihre Eingliederung in Arbeit bemühen und müssen unverzüglich durch die Bundesagentur für Arbeit in eine Arbeit oder in eine Arbeitsgelegenheit vermittelt werden. Die Definition von Arbeitslosigkeit und Erwerbslosigkeit ist immer umstritten. In Deutschland ist definiert, dass alle als arbeitslos anzusehen sind, die weniger als 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig sind. In der Definition der ILO wird dafür nur eine Arbeitsstunde angesetzt. Daher ist die Arbeitslosenstatistik, die nach den deutschen Kriterien von der BA berechnet wird, regelmäßig höher als die Statistik, die nach ILO-Kriterien vom Statistischen Bundesamt aufgestellt wird. Was in den jeweiligen Statistiken aufgeführt wird, ist ein wissenschaftlicher Streitfall, in den die Politik immer wieder regulierend eingreift. Zuletzt wurde im Rahmen des SGB II die Arbeitslosigkeit sichtbarer gemacht, indem sich bis dahin nicht registrierte Sozialhilfebezieher und Partner von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen erstmals arbeitslos melden mussten. Wie Sie sehen, kümmern wir uns insbesondere seit dem Auslaufen der 58er-Regelung um die Arbeitsvermittlung für Ältere. Auch mehrere Kampagnen wie die Initiative 50plus sorgen für eine bessere Arbeitsmarktbeteiligung für ältere Arbeitnehmer.
Ich freue mich, dass ich einen Ihrer zahlreichen Beiträge auf Abgeordnetenwatch beantworten durfte.
Mit freundlichem Gruß
Josip Juratovic