Frage an Josef Schmid von Helmut S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Herr Schmid,
Sie waren am sog. BDS-Beschluß des Münchner Stadtrats beteiligt.
Wie beurteilen Sie diesen Beschluss im Nachhinein hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die politische Kultur in München und Bayern im Lichte seiner Anwendung durch die Exekutive in München bzw. seiner Interpretation durch bayerische Gerichte. Ich frage nicht nach der Vereinbarkeit mit Meinungs- und Informationsfreiheit. Ich frage nach den Auswirkungen auf die politische Kultur.
Anwendung durch die Exekutive:
Kulturreferent Küppers begründete das gerichtlich abschlägig beschiedene Verbot einer Veranstaltung des Films "Broken", in dem die Mauer zwischen Israel und Palästina thematisiert wird, mit Verweis auf den BDS-Beschluss wie folgt:
„dass bei lebensnaher Betrachtung die Diskussionsveranstaltung nicht ohne eine Befassung mit den Inhalten, Themen und Zielen der BDS-Kampagne auskommt, da insbesondere ein zentrales Ziel der BDS-Kampagne der Abriss der Mauer – verbunden mit der Aufforderung, die Besetzung und Kolonisation allen arabischen Landes zu beenden – ist“.
Interpretation durch Verwaltungsgericht München
VG-Urteil vom 12.12.2018 / M 7 K 18.3672 / S. 18
"Ziel des Stadtratsbeschlusses ist es (...) sämtliche städtische Räumlichkeiten nicht mehr für Veranstaltungen - sowohl befürwortende als auch kritische - die sich mit den Inhalten, Themen und Zielen der BDS-Kampagne befassen, diese unterstützen, diese verfolgen oder für diese werben, zur Verfügung zu stellen."
Im Ergebnis heißt dies, dass Veranstaltungen mit Bezug zum Nahostkonflikt in Räumlichkeiten der Stadt München nicht mehr stattfinden können. Dies geschieht in einer Zeit, in der die israelische Regierung sich offen wie nie zuvor gegen die Zweistaatenlösung stellt, die im BDS-Beschluss als Ziel einer Friedenslösung ausgegeben wird: Nethanyahu spricht offen von der Annektion von Teilen der Westbank und legalisiert die sog. Outposts (Siedlungen, die auch nach israelischem Recht bisher illegal waren)
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Frage vom 02. Juni 2019. Sie nehmen darin Bezug auf den Stadtratsbeschluss vom 13.12.2017 (Gegen jeden Antisemitismus! - Keine Zusammenarbeit mit der antisemitischen BDS-Bewegung („boykott, divestment and sanctions“), Sitzungsvorlage Nr. 14-20 / V 10165) und dessen praktische Anwendung. Besonderes Augenmerk richten Sie auf die Veranstaltung des Films „Broken“, die am 17.03.2019 im Eine-Welt-Haus in München stattgefunden hat.
Grundsätzlich gilt für alle städtischen Einrichtungen und Räume der Beschluss des Münchner Stadtrates nach dem Veranstaltungen, die eine Befassung mit BDS erwarten lassen, nicht durch die Überlassung städtischer Räume gefördert werden. Außerdem orientiert sich der Beschluss an der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit. Diese verpflichtet die Landeshauptstadt München nicht dazu, ihre Widmungshoheit über städtische Räume aufzugeben und diese für alle angefragten Veranstaltungen zu überlassen. Das zuständige Referat der Landeshauptstadt München hat nach eingehender Prüfung der vorhandenen Informationen zu der genannten Veranstaltung von diesem Recht Gebrauch gemacht und die angefragten Räumlichkeiten nicht zur Verfügung gestellt.
Es ist den Veranstaltern darüber hinaus selbstverständlich frei, nicht-städtische Räume anzumieten.
Der Stadtratsbeschluss wird auch künftig für alle städtischen Räumlichkeiten Gültigkeit besitzen und Einzelfallentscheidungen erfordern. Dennoch bleibt die politische, wie auch kulturelle Vielfalt Münchens erhalten.
Mit besten Grüßen
Josef Schmid