Frage an Johannes Singhammer von Michael B. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Singhammer,
Sie haben anlässlich des BGH-Beschlusses XII ZR 109/05 geäussert, dass das neue Unterhaltsrecht "maßgeschneiderte Lösungen und fairen Interessensausgleich" ermöglichen soll.
Als großer Bewunderer solcher Juristen, die klare, logische, nachvollziehbare Aussagen tätigen, wie z. B. Herr Prof. Rüssmann, habe ich folgende Fragen an Sie:
A)
Wie stehen Sie zu der Aussage Herren Rüssmanns:
"Das Gleichbehandlungsgebot verlangt die Heranziehung genereller und allgemeiner Normen. Kadijustiz ist nicht erlaubt."
vis-a-vis der nun ausgebrochenen Einzelfallgerechtigkeit?
B)
Man sollte meinen, dass die Gerichte die Gesetzestreue vor der Gesetzesauslegung setzen sollten.
§1569 BGB (Grundsatz der Eigenverantwortung) wurde vom Gesetzgeber im Zuge der Unterhaltsrechtsreform dahingehend geändert, dass sein Wortlaut noch klarer den Grundsatz "Unterhalt erst wenn außerstande für sich selbst zu sorgen." zum Ausdruck bringt.
Erst wenn die Voraussetzung "außerstande" gegeben ist, kommen die §§ 1570ff zur Anwendung.
Nun hat der XII BGH-Senat in seiner "maßgeschneiderten" Lösung allerdings die Prüfung der Voraussetzung "außerstande" nicht durchgeführt.
Damit ergeben sich zwei Auslegungsmöglichkeiten:
1)
Wenn sich das Gericht am Gesetz hält, gemäß Art. 20 GG, dann bedeutet dieser Beschluss, dass Frauen grundsätzlich "außerstande" wären für sich selbst zu sorgen.
2)
Da vorangehende Schlussf. wohl kaum mit den Zielen der Emanzipation zu vereinbaren ist, hat das BGH mal wieder die Rolle des Gesetzgebers übernommen und seine eigene zutiefst patriarchalische Gesinnung (Frau=Heimchen am Herd, Mann=lebenslanger Ernährer) zum Range eines Gesetzes erhoben.
Daher die Frage:
Welche der beiden Schlussfolgerungen würden Sie persönlich bzw. die CDU/CSU für korrekt halten?
Mit freundlichen Grüßen
Michael Baleanu
Sehr geehrter Herr Baleanu,
aus den neuen Regelungen im Unterhaltsrecht ziehe ich grundsätzlich positive Schlussfolgerungen -- v.a. im Hinblick auf die Kinder.
Ich halte die Reform des Unterhaltsrechts für einen wichtigen Schritt zu einer modernen Familienpolitik. Kinder sind bei einer Trennung ihrer Eltern besonders schutzbedürftig, deshalb stellen wir ihr Wohl an die erste Stelle. Zentrales Anliegen des Gesetzes ist neben der Stärkung der Eigenverantwortung getrennt lebender oder geschiedener Ehegatten daher die Förderung des Kindeswohls. Dieses Ziel soll dadurch erreicht werden, dass dem Kindesunterhalt der Vorrang vor den Unterhaltsansprüchen aller anderen Berechtigten eingeräumt, der Mindestunterhalt für Minderjährige Kinder wieder eingeführt, die Regelbeträge als Bemessungsgrundlage für den Kindesunterhalt abgeschafft werden und das Kindergeld unterhaltsrechtlich als bedarfsdeckendes Einkommen des Kindes behandelt wird.
Ist nicht genügend Geld für alle Unterhaltsberechtigten vorhanden, sollen also die Kinder Vorrang vor allen anderen haben, d.h. sie erhalten den ersten Rang unter den Unterhaltsgläubigern. Im zweiten Rang stehen alle Väter und Mütter, die Kinder betreuen.
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Singhammer