Frage an Johannes Lichdi von Wolfgang K. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Lichdi,
in Ihrer Antwort an Herrn Seibert gebrauchen auch Sie die an sich wunderschönen Worte: "... der unglaubliche Vorzug der Demokratie ist, dass man Politiker ... einfach abwählen kann!" Die Wahrheit ist doch, dass etablierte Parteien, die sicher über die Fünfprozenthürde kommen, entsprechenden Kandidaten über vordere Listenplätze ihre Positionen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit garantieren. Der Wähler hat letztendlich nur einen vernachlässigbaren Einfluss.
Aus meiner Sicht ist dies ein wesentlicher Grund für die jetzt in Deutschland üblichen Wahlbeteiligungen um die 40 %. Sehen Sie es noch als wirklich demokratisch an, wenn ein "Wahlsieger" mit in der Regel auch etwa 40 % Stimmenanteil erklärt, im Namen der Bevölkerung die Verantwortung zu übernehmen? 84 % der Wahlberechtigten haben dann diesem kein (Wahl anderer Parteien) bzw. kein ausdrückliches (ungültige Stimmen, Nichtwähler) Mandat erteilt.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Kind
Sehr geehrter Herr Kind,
vielen Dank für Ihre Frage und dass sie meine Antworten auf Abgeordnetenwatch so sorgfältig verfolgen.
Sie bemängeln, dass die Parteien über ihre Landeslisten letztlich über die in den Landtag einziehenden Personen entscheiden würden. Aber immerhin müssen die Bürgerinnen und Bürger diese Partei auch erstmal wählen! Für viele dürfte es eine Erleichterung sein, Parteien wählen zu können, denn so können sie auch Ihnen unbekannte Personen auf das jeweilige Parteiprogramm festnageln, ohne sich jeden einzelnen Kandidaten anzusehen. Die Wahl einer Landesliste durch Parteimitglieder gibt zudem die Möglichkeit regonale und strömungspolitische Eigenheiten der jeweiligen Partei auzustarieren - eine Bündelungsfunktion von Parteien, die ich nicht nachteilig finde. Eine Vorwahl durch alle Bürger, wie sie teilweise in den USA stattfinden, klingt erstmal demokratischer, fördert aber den Wahlantritt reicher Populisten, wie die Erfahrung zeigt.
Ich hätte aber auch nichts dagegen, auf Landes- oder Bundesebene das Kumulieren und Panaschieren einzuführen, also jede/r Wähler/in kann bis zu drei Stimmen auf KandidatInnen verteilen, egal auf welcher Liste sie stehen. In Bayern ist das glaube ich möglich.
Sie kritisieren, dass Politiker, die letztlich von 20% der BürgerInnen gewählt worden sind, sich anmaßen für die gesamte Bevölkerung sprechen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass einmal getan zu haben. Ich versuche für die zu sprechen, die mich gewählt haben.
Ich glaube aber auch nicht, dass es gut wäre, wenn wir Quoren für die Gültigkeit von Wahlen einführen würden, etwa, dass die Wahl nur gültig sei, wenn über 50% der Wahlberechtigten abgestimmt haben. Würde das Quorum nicht erreicht, müsste trotzdem regiert werden. Dies wäre nach Lage der Dinge die bisherige Regierung, die geschäftsführend im Amt bleiben muss. Diese Regierung ist aber bestimmt weniger demokratisch legitimiert, als eine Regierung die eine Mehrheit unter 50% der Wahlberechtigten gefunden hat! Eine Wahlpflicht halte ich auch für daneben.
Es bleibt eben dabei: die Demokratie ist eine Sache, die Engagement und Einsatz erfordert, wenn sie leben soll. Ich meine schon, dass es so etwas wie eine moralische (nicht rechtliche) Bürgerpflicht gibt, an freien, gleichen und geheimen Wahlen teilzunehmen. Davon entbindet Dummheiten von PolitikerInnen, die sich selbst mit dem Ganzen verwechseln, oder die Gleichgültigkeit seiner Mitbürger nicht. Wer nicht wählt, gibt damit sein kleines Fünkchen demokratische Macht aus der Hand.
Mit freundlichen Grüssen
Johannes Lichdi