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Johanna Voß
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Frage von Gisela W. •

Frage an Johanna Voß von Gisela W. bezüglich Umwelt

Hallo Frau Voß,

Im derzeitigen Bundestagswahlkamp hat besonders die Reaktorschnellabschaltung des AKW Krümmel dazu geführt, daß der Ausstieg aus der Atomenergie ein sehr wichtiges Thema geworden ist.

Wie stehen Sie zur Verlängerung von AKW-Laufzeiten?

Für welche Atomkraftwerke fordern Sie die sofortige Stilllegung?

Welche Chancen sehen Sie in der Rekommunalisierung der Energieversorgung?

Sind Sie für oder gegen die Zerschlagung der vier marktbeherrschenden Energiekonzerne E.on, RWE, Vattenfall und EnBW (s. Junge Welt v. 32.07.09, http://www.jungewelt.de/2009/07-23/001.php)?

Mit freundlichen Grüßen,

Gisela Walk

Portrait von Johanna Voß
Antwort von
DIE LINKE

Hallo Frau Walk,

ich freue mich sehr über Ihr Interesse an diesem Thema. Hoffe, daß meine Antwort nicht zu lang geworden ist. Ich bin da sehr stark involviert.

Nein!! Kein Tag länger ist verantwortbar. Da steht die ganze LINKE zusammen:! Das können sie beiden Wahlprüfsteinen unter: http://die-linke.de/fileadmin/download/wps_linksfraktion/298.pdf nachlesen. Ein konkretes Konzept zur Stilllegung hat Hans-Kurt Hill, umweltpolitischer Sprecher der LINKEN im Bundestag, vorgelegt. Das findet man hier: http://hanskurthill.linkes-cms.de/fileadmin/hanskurthill/pdf/Konzept_-_Atom-Stopp_17.pdf

Diese Forderung nach sofortigem unumkehrbarem Ausstieg war ein starkes Motiv für meinen Parteieintritt. Der Atomkonsens von Rot-Grün 2001 ist Nonsens. Der Atomindustrie hat er eine Bestandsgarantie und den sicheren Weiterbetrieb veralteter Atommeiler gegeben. Ausgehebelt wurde, dass die Sicherheitsanforderungen jederzeit dem Stand von Wissenschaft und Technik angepasst werden müssen und dass ohne Endlager keine Betriebserlaubnis erteilt wird, noch dazu steuerbefreite Rückstellungen, keine Uran-Steuer und keine Pflicht zur Haftpflichtversicherung für Störfälle. Bis 2008 fielen für die Allgemeinheit Rückbau- und Lagerungskosten nuklearer Altlasten in Höhe von 20,852 Mrd. an. Keine Regierung hatte bislang das Rückgrat, die Betreiber dafür aufkommen zu lassen.

Da laut Atomkonsens Reststrommengen zwischen Kraftwerken übertragen werden können.wurde nun schon je AKW 1 Jahr Verzögerung heraus geschunden, um so möglichst viele AKW nach den Wahlen möglicherweise dauerhaft nicht abzuschalten. Die Gefahren beim Betrieb von Atomkraftwerken sowie beim Transport und der Endlagerung von Atommüll sind unkalkulierbar. Als Hamburgerin wird Sie interessieren, dass Hamburg zu einer internationalen Drehscheibe für Nukleartransporte geworden ist. Wie jetzt durch eine Große Anfrage der Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft bekannt wurde, werden von der Hansestadt aus alle zwei Tage radioaktive Stoffe per Bahn, LKW oder Schiff in alle Welt verbracht. Der Physiker Fritz Storim von der Messstelle Arbeits- und Umweltschutz, MAUS e.V., bezeichnet sie als nicht abzuschätzendes Risiko für Mensch und Umwelt.Mehr als 400 Atomtransporte fanden in den letzten fünf Jahren in und über Hamburg statt, davon 61 in diesem Jahr bis Anfang Mai. Das ist eine Zunahme von 55% gegenüber dem Vergleichszeitraum 2008. Weltweit wird mit Rohstoffen wie Uranerz, hoch toxischen chemischen Verbindungen wie Uranhexalfluorid, abgebrannten Brennstäben sowie anderen Produkten im Zusammenhang mit der Nutzung der Atomtechnologie gehandelt. Internationale Drehscheibe für diesen florierenden Atomhandel ist Hamburg. Die Transporte werden vom schwarz-grüne Senat abgesegnet: Innen-, Sozial- und Umweltbehörde werden vorab darüber informiert.

Die Atommeiler entsprechen nicht dem Stand von Wissenschaft und Technik und sind völlig unzureichend gegen Einwirkungen von Außen geschützt. Ein scheinbar sicherer Betrieb kann von RWE, EON, Vattenfall Europe und EnBW nur durch das Vertuschen und Herunterspielen von Gefahren vorgetäuscht werden. Die skandalösen Vorgänge im AKW Krümmel und im Salzstock Asse, der von der Atomwirtschaft illegal als Atomlager missbraucht wurde, zeigen die Skrupellosigkeit der Atombefürworter im Umgang mit radioaktiven Stoffen.

Der schwere Störfall im AKW Krümmel zeigt: Die Risikotechnologie ist nicht beherrschbar. Die jüngsten Ereignisse sind schockierend: Zwei Jahre lang hatte der Reaktor nach einem hochgefährlichen Transformatorbrand stillgestanden, damit der Betreiber Vattenfall die Ursache behebt. Nur gut zwei Wochen nach der Wiederinbetriebnahme ereignet sich der gleiche Fehler noch einmal. Der Reaktor muss notabgeschaltet werden. Dabei versagen diverse Sicherungssysteme. Zudem wird versäumt, die zuständige Aufsichtsbehörde zu informieren.

*Für welche Atomkraftwerke fordern Sie die sofortige Stilllegung? *

*Die Pannenmeiler Krümmel und Brunsbüttel dürfen nicht wieder ans Netz gehen. **Krümmel sticht unter den deutschen AKWs in puncto Pannenanfälligkeit besonders heraus. Auf über 300 meldepflichtige Ereignisse hat es der Reaktor schon gebracht - eines jeden Monat. Traurige Berühmtheit erlangte auch die signifikante Häufung von Leukämie-Fällen bei Kindern rund um den Reaktor.*

*Und 2010 können die nächsten und gefährlichsten Atomkraftwerke stillgelegt werden, mindestens 8. Die gesamte Stromerzeugung aus Atomkraftwerken fiel am 24.7. zeitweise unter 10.000 Megawatt. Damit war nicht einmal mehr die Hälfte aller Kapazitäten am Netz. Und außer den Betreibern hat keiner darunter gelitten.*

*Der Atomkonsens muss durch ein Atom-Ausstiegsgesetz zu ersetzt werden. Bis zur Abschaltung muss der Betrieb der Atomkraftwerke unter staatliche Kontrolle gestellt werden. Eine Enteignung der Anlagen wäre nach Art. 14 Grundgesetz auch verfassungsgemäß, da Allgemeinwohlbelange im Vordergrund stehen. *

*Nach der Bundestagswahl entscheidet sich, ob aus der Atomkraft ausgestiegen wird. Viel hängt vom öffentlichen Druck ab. Tausende werden sich am 5. September zur Großdemonstration nach Berlin aufmachen. Auch die Bauern aus Gorleben kommen mit einem Treck dazu. Kommen Sie am 5. September nach Berlin! Informieren Sie Freunde über die Demo! Ich werde auch dort demonstrieren.*

Welche Chancen sehen Sie in der Rekommunalisierung der Energieversorgung?

Die Rekommunalisierung ist ein wichtiges Ziel auf dem Weg zu stabilen niedrigen Preisen für Strom und Gas.*Gleichzeitig könnten in den nächsten vier Jahren bis zu 120.000 neue Energie-Arbeitsplätze geschaffen und die anvisierten Klimaschutzziele erreicht werden. Eine zuverlässige Versorgung mit elektrischer Energie zu bezahlbaren Preisen wäre zu jeder Zeit gewährleistet.*

Wir wollen eine Energie- und Klimapolitik, die nicht zu neuen sozialen Schieflagen und Ausgrenzungsprozessen führt, sondern global das Recht aller Menschen auf gleiche Wohlstandsentwicklung respektiert.

„Privat geht besser als Staat“ – Diesem Glaubenssatz des Neoliberalismus folgten lange Jahre auch viele Kommunen und Kreise. Vielerorts ist mittlerweile Ernüchterung eingekehrt: die Privatisierung öffentlicher Unternehmen und Dienstleistungen hat nicht die erhofften Wirkungen gebracht, die Leistungen wurden nicht besser, nicht bürgernäher, nicht kostengünstiger, der Einfluss der Kommunen ging rapide zurück. Daher beginnen Kommunen, privatisierte Betriebe zurückzuholen oder bei auslaufenden Betreiberverträgen wieder selbst die Dienstleistungen zu unterstützen. Auch das EU-Wettbewerbsrecht verstärkt den Trend zur Rekommunalisierung, weil nur so Kommunen sich vor der Abhängigkeit von privaten Profitinteressen schützen können.

Öffentliche Dienstleistungen und Güter sollen für alle Bürgerinnen und Bürger unabhängig von ihrem Einkommen oder ihrer gesellschaftlichen Stellung zugänglich sein. Die Kommune ist der richtige Ort für eine bedarfsnahe Planung. Energieeffiziente und klimafreundliche Energieerzeugung in kleinen Anlagen vor Ort entlasten Mensch und Umwelt. Die Skandale im Müllbereich zeigen, dass auch dieser zurück in die öffentliche Hand gehört. Der Schwimmbadbesuch muss bezahlbar sein, die nächste öffentliche Bücherei darf nicht 50 Kilometer weit weg sein. Nur so kann eine Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben sichergestellt werden.

Für DIE LINKE ist Rekommunalisierung ein zentraler politischer Schwerpunkt.
Das gilt für alle Bereiche der Daseinsvorsorge, insbesondere aber für die
Energieversorgung. Denn die Kommune ist der richtige Ort für eine effektive
Energienutzungsplanung im Interesse der Bürgerinnen und Bürger. Deshalb muss
die Rekommunalisierung der Energieversorgung vorangetrieben werden.
DIE LINKE setzt sich für kommunale Stadtwerke und andere Organisationsformen
ein, die als ihren Geschäftszweck die kommunale Daseinsvorsorge definieren
und sich dadurch spürbar von großen Konzernen unterscheiden.

*
Sind Sie für oder gegen die Zerschlagung der vier marktbeherrschenden...*

Ja, ich werde mich dafür einsetzen, dass Strom- und Gasnetze in die
öffentliche Hand überführt und Energiekartelle entflochten werden in
Verbindung mit einer radikale Energiewende hin zu erneuerbaren Energien.

Die Umstellung auf eine nachhaltige Energieversorgung ist eine zentrale
Investition in ein friedliches 21. Jahrhundert. Wer heute auf erneuerbare
Energien setzt und dieses Wissen mit Schwellen- und Entwicklungsländern
teilt, wird sich morgen nicht an Kriegen um Öl und Gas beteiligen. Doch auch
bei der Förderung erneuerbarer Energien muss auf soziale und ökologische
Nachhaltigkeit geachtet werden. So sind die Pläne zur Steigerung des Anteils
von Biosprit durch massive Importe von Nutzpflanzen wie Mais aus tropischen
Ländern ein Irrweg. DIE LINKE setzt sich für einen internationalen
Energiedialog statt der weiteren Militarisierung der Energieaußenpolitik
ein. Die Ausgleichszahlungen für die Folgen des Klimawandels an die Staaten
des Südens müssen deutlich erhöht werden. Energiepartnerschaften in
Lateinamerika zeigen, dass Energiepolitik auch solidarisch gestaltet und mit
einer länderübergreifenden Sozialpolitik verbunden werden kann. Eine
Energiewende mit Friedensdividende kann nur gelingen, wenn auf nationaler
Ebene die demokratische Kontrolle über die Energieversorgung wieder gewonnen
wird.

Sonne, Wasser, Wind, Biomasse und Erdwärme können unendlich viel Energie liefern. Für fossile Energieträger wie Kohle, Mineralöl, Erdgas und Uran gilt: Verbrannt ist verbrannt, sie wachsen nicht nach, hinterlassen aber klimaschädliche Abgase oder gefährliche Strahlenfracht. Für erneuerbare Energien gilt das nicht, ihr Potential ist unerschöpflich. Und um Wind oder Sonnenenergie werden keine Kriege geführt.

Wirtschaft und Wohlstand in Deutschland sind massiv von Importen fossiler Energieträgern abhängig. Der Anteil der erneuerbaren Energien beträgt nur rund acht Prozent am Energieverbrauch. Die Folge: Teures Öl und Gas kosten der Volkswirtschaft Milliarden Euro und zementieren die kartellartigen Strukturen der Energiewirtschaft. Die Zeche zahlen die Verbraucherinnen und Verbraucher mit überhöhten Stromrechnungen. Schon jetzt zahlt sich die Nutzung erneuerbarer Energien aus. Sie spart jährlich 115 Millionen Tonnen klimaschädliches CO2 ein, löst Investitionen in Höhe von 25 Milliarden Euro pro Jahr aus und vermeidet durch weniger Umweltbelastung und eingesparte fossile Brennstoffe rund 6 Milliarden Euro an Kosten.

DIE LINKE fordert einen Ausstieg aus der fossil-atomaren Energieversorgung und setzt auf Energieeffizienz, Energieeinsparung und erneuerbare Energien. Durch einen intelligenten Umgang mit Strom, Wärme und Kraftstoffen kann der Energieverbrauch halbiert werden, ohne dass nennenswerte Einschränkungen in Kauf genommen werden müssen. Damit würde das Potential von Wind, Wasser, Sonne, Bioenergie und Erdwärme weitgehend zur Deckung des Energiebedarfs ausreichen.

Mittelfristig kann in Deutschland der komplette Energiebedarf aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. Als Etappenziele fordern wir: Im Strombereich soll der erneuerbare Anteil mindestens die Hälfte, im Wärme- und Kältesektor mindestens ein Viertel betragen. Nachhaltig erzeugte erneuerbare Energien erhöhen die Wertschöpfung im eigenen Land und schaffen Arbeit. Schon jetzt sind in diesem Bereich 280 000 Menschen beschäftigt. Die Perspektive ist eindeutig: Während in der klassischen Energiewirtschaft bis 2020 bis zu 50.000 weitere Stellen verloren gehen, wird es in der Branche der erneuerbaren Energien rund eine halbe Million Arbeitsplätze geben, vorausgesetzt Wind, Wasser, Sonne, Bioenergie und Erdwärme werden nicht ausgebremst.

Übrigens ist der schnelle Ausstieg aus der Atomwirtschaft eine wichtige Voraussetzung für die Erneuerbaren. Ab 30% Anteil der Erneuerbaren im Stromnetz ist ein Nebeneinander mit Atomkraftwerken nicht möglich, da AKWs nicht beliebig rauf und runter gefahren werden können, also nicht flexibel genug sind. Dezentrale Stromnetze und flexible Blockheizkraftwerke sind dann sinnvoll.