Frage an Johanna Voß von Jörn K. bezüglich Wirtschaft
Liebe Frau Voß,
unsere Politiker betreiben Insolvenzverschleppung, die nach dem HGB strafbar ist. Mit der Staatsverschuldung von 2,1 Billionen Euro plus Schulden der Haushalte und Unternehmen übersteigen die Gesamtschulden 260% des BIP in Deutschland. Hinzu kommen ungedeckte Verbindlichkeiten von über 2 Billionen Euro für Rentenleistungen, Krankenkassenzuschüssen und Pflegeleistungen bis 2020. Die Renten und Sozialleistungen sind nicht mehr sicher!
Die Gesamtverschuldung incl. Verbindlichkeiten übersteigt 5,3 Billionen Euro. Was werden Sie und die LINKE unternehmen, dieses Problem zu beseitigen?
Trotz dieser hohen Verschuldung ist Deutschland eine Reihe von Bürgschaften für unsere Nachbarn eingegangen. Bürgschaften haben die Eigenschaft fällig zu werden, ohne Wenn und Aber.
Noch mehr Wahlgeschenke, die wir selbst bezahlen müssen, wollen wir nicht.
Die bisher von der Politik praktizierte Ignoranz ist zerstörerisch.
Gerne höre ich von Ihnen eine Stellungnahme zur Probelmbehandlung.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Kerlin,
vielen Dank für Ihre Frage. Ja, die hohen Schulden der öffentlichen Haushalte sind ein großes Problem. Allein in den letzten vier Jahren stiegen diese Schulden um fast ein Viertel auf nun über 2,1 Billionen Euro an, wie Sie zurecht feststellen. Das Problem der Überschuldung betrifft aber nicht nur den Bund, sondern auch die Länder und vor allem die Kommunen. Diese sind strukturell unterfinanziert und bekommen gleichzeitig immer mehr Aufgaben aufgelastet. So entsteht ein großer Investitionsstau bei Schulen, Kindergärten, Schwimmbädern und anderer öffentlicher Infrastruktur.
Aus meiner Sicht sind die übermäßigen Schulden in erster Linie ein Einnahmeproblem der öffentlichen Haushalte. Dieses Einnahmeproblem wurde durch milliardenschwere Steuergeschenke der vergangenen Bundesregierungen an diejenigen, die diese nicht nötig hatten, verstärkt. Durch die Senkung des Spitzensteuersatzes, den Verzicht auf eine Vermögenssteuer, die Begünstigung von Kapitaleinkommen und die Senkung von Steuern für Unternehmen entgingen den öffentlichen Haushalten mindestens 600 Milliarden Euro. Die Zinsen, die auf die öffentlichen Schulden zu zahlen sind, verschärfen die Verteilungsungerechtigkeit. Die Verschuldung der öffentlichen Haushalte wird über die Zinszahlungen zu einer sicheren Einkommensquelle vor allem für vermögende Anlegerinnen und Anleger.
So steht zunehmender Armut und Unsicherheit sowie steigender Staatsverschuldung ein wachsendes Vermögen auf der anderen Seite gegenüber. Während die Staatsschulden von 1997 bis 2001 von 1,1 Billionen Euro auf 2,1 Billionen Euro stiegen, verdoppelten sich die privaten Nettovermögen von 5,3 auf 10,2 Billionen Euro. Davon besitzen die reichsten 10% Zwei Drittel, das reichste Prozent der Bevölkerung etwa Ein Drittel. Dagegen besitzt die ärmere Hälfte gerade einmal 1% des Gesamtvermögens. Etwa 80% des neugebildeten Geldvermögens entstehen in Deutschland aus Zinsen und Dividenden.
An diese immer noch wachsende Umverteilung von Vermögen und Einkommen müssen wir ran. Das Schuldenproblem ist ein Verteilungsproblem. Der neoliberale Kurs der vergangenen Regierungskoalitionen von rot-grün bis schwarz-gelb hat den Anteil vermögensbezogener Steuern in Deutschland auf 0,9% gesenkt, während er im europäischen Durchschnitt bei 2,1% und in den USA sogar bei 3,1% liegt.
Millionärssteuer und Vermögensabgabe, wie DIE LINKE sie fordert, wären ein Beitrag zu einer gerechten Verteilung der Krisenlasten und mehr Steuergerechtigkeit. Dazu gehört auch die Abschaffung des Mittelstandsbauchs. Konkret schlägt DIE LINKE vor:
-eine einmalige Vermögensabgabe ab einem Freibetrag von 1 Millionen Euro (bei Betriebsvermögen 2 Millionen Euro) in Höhe von 10% (bei Vermögen über 100 Milliarden Euro 30%). Diese einmaligen Einnahmen von 300 Milliarden Euro sollen direkt für die Verringerung der Staatsschulden verwendet werden.
-Vermögenssteuer: Nettovermögen über einer Millionen Euro soll mit 5% jährlich besteuert werden.
-Große Erbschaften sollen stärker besteuert werden, bei Freibeträgen von 300.000 Euro zum Schutz kleiner Erbschaften und selbstgenutzten Wohnungseigentums.
-Durch verbesserten Steuervollzug und die Einführung einer Bundesfinanzpolizei um Steuerhinterziehung und Geldwäsche zu bekämpfen wollen wir jährlich 15 Milliarden zusätzlich einnehmen.
-Den Spitzensteuersatz wollen wir auf 53% erhöhen, Einkommen von bis zu 6000 Euro Brutto (als Single) sollen entlastet werden.
-Durch eine Finanztransaktionssteuer von 0,1% wird die Spekulation an den Finanzmärkten reduziert und können 30 Milliarden Euro jährlich eingenommen werden.
Das sind einige der Vorschläge aus dem Steuerkonzept der LINKEN. Insgesamt sind pro Jahr zusätzliche Steuereinnahmen von mehr als 180 Milliarden Euro möglich, die für dringend notwendige Investitionen und Schuldenabbau zur Verfügung stehen.
Dagegen lässt sich öffentliche Verschuldung jedoch nicht dadurch bekämpfen, dass die Verantwortung für aktive Gestaltung von Politik durch automatisch greifende „Schuldenbremsen“ ersetzt wird. Auch den Abbau öffentlicher Schulden durch Leistungskürzung für Menschen mit geringem Einkommen und die Streichung von Mitteln, die Arbeitsplätze schaffen und sichern, lehnt DIE LINKE ab.
Zu der sogenannten Eurokrise und den „Rettungsprogrammen“:
Die bisherige Euro-Rettungspolitik ist vernichtend und geht an den Problemen vorbei. Die mit dem Fiskalvertrag den Mitgliedstaaten dauerhaft verordneten Spardiktate würgen jede wirtschaftliche Entwicklung ab. Sie sind zudem höchst unsozial und drücken die Eurozone weiter in die Rezession, indem sie die Nachfrage abwürgen. So wird der wirtschaftlichen Niedergang beschleunigt. Wegbrechende Steuereinnahmen verstärken die Abwärtsspirale. Banken und private Gläubiger werden mit den Hilfskrediten aus den Rettungspaketen gestützt und vor Verlusten bewahrt. Damit geht auch die Umverteilung von unten nach oben weiter, Verursacher und Profiteure der Krise werden nicht zur Finanzierung der Krisenkosten herangezogen.
Im Gegensatz zu SPD und Bündnis 90/Die Grünen, deren Fraktionen im Bundestag für die Euro-Rettungspakete stimmten, lehnt DIE LINKE sie geschlossen ab. Darüber hinaus hat DIE LINKE Klage vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht, weil der ESM und der Fiskalvertrag der Demokratie schaden, weiterem Sozialabbau den Weg ebnen und Europa spalten. DIE LINKE fordert, die Finanzierung der öffentlichen Haushalte von den Finanzmärkten zu entkoppeln. Über eine europäische Bank für öffentliche Anleihen soll den Staaten ermöglicht werden, Geld zu niedrigeren Zinsen bei der Zentralbank zu besorgen. Um die Angriffe der Spekulanten zu unterbinden, sollen die Euro-Staaten gemeinsame Euro-Anleihen ausgeben. Durch einen Schuldenschnitt für überschuldete Staaten und eine europaweite Vermögensabgabe für Millionäre werden die Staatsschulden auf ein tragfähiges Niveau gebracht. Banken müssen wieder zurechtgestutzt werden und sich auf ihre eigentliche Aufgabe, das ermöglichen des Wirtschaftens statt auf das Spekulieren an den Finanzmärkten konzentrieren.
Ich hoffe, Ihre Fragen zufriedenstellend beantwortet zu haben und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Johanna Voß