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Jörn Wunderlich
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Frage von Hartmut R. •

Frage an Jörn Wunderlich von Hartmut R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Jörn Wunderlich,
Die Christival-Affäre schlägt hohe Wellen. Einige evangelikale Trägerorganisationen werfen Kritikern „Zensur“ und einen „Angriff auf die Meinungsfreiheit“ vor. Die Bundesregierung hat sich klar gegen Veränderungsmaßnahmen für Homosexuelle ausgesprochen, da die Betroffen durch die erheblichen Nebenwirkung und enttäuschten Heilversprechen geschädigt werden können.

http://gaywest.wordpress.com/2008/02/22/entschwulungssteuer/#more-697

Wie stehen Sie persönlich zu Heilungsangeboten bzw. „Veränderungs“-Angebote für Homosexuelle durch evangelikale Organisationen?

Da Sie Familienrichter a.D. sind, möchte ich Sie wegen anderen Aspekten der Affäre fragen. Ich weiß, dass es in Deutschland keine wirkliche Trennung von Kirche und Staat gibt. Die großen Kirchen übernehmen viele soziale Aufgaben zum Wohle der Allgemeinheit und werden deswegen auch staatlich unterstützt.

Ich habe bedenken, wenn missionarische Aktivitäten sendungsbewusster Religionsangehöriger gefördert werden. Kann es nicht zu Konflikten führen, wenn die Menschen anderer Religionen durch staatlich geförderte missionarischen Aktivitäten abgeworben werden?

Ein Beispiel aus dem mit 250.000 € Steuergeldern geförderten Christival:
„404 Missionarische und Diakonische Aktionen in Bremen
Seminarbeschreibung:
Bremen soll einen Segen vom Christival haben. Deshalb wollen wir beim "Gruß in die Stadt" als missionarische Aktion alle Haushalte in Bremen besuchen. …“

Besonders spannend werden diese aufgeworfenen Fragen, wenn aus einer Mischung aus Religionsfreiheit, staatlicher Neutralität und Gleichbehandlungsgrundsätzen heraus plötzlich andere Religionen fordern sollten, dass man ihre Zusammenkünfte, Treffen, Kongresse,... mit mindestens gleichen Mitteln unterstützt und dies notfalls bis vors höchste deutsche Gericht oder noch weiter tragen.

Was meinen Sie dazu? Was werden Sie dagegen tun?

Mit freundlichen Grüßen

Hartmut Rus

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DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Rus,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Zunächst erlaube ich mir den Hinweis, dass entsprechend medizinischer Erkenntnisse Homosexualität keine Krankheit ist. Insofern verbieten sich aus meiner Sicht „Heilungs- oder sonstige Angebote“. Meine Positionen basieren auf

*Artikel 3 Grundgesetz**

*(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen (für mich auch einschließlich seiner sexuellen Orientierung) benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Ich teile die Position meiner Partei, dass eine strikte Trennung zwischen Kirche und Staat erforderlich ist. Das gebietet auch der Grundsatz der weltanschaulichen Neutralität des Staates. Mit dem Grundrecht der Religionsfreiheit gewährleistet die Bundesrepublik die Freiheit der Kirchen und der übrigen Religionsgemeinschaften, ihre eigenen Angelegenheiten unter Beachtung der allgemein geltenden Gesetze selbständig zu regeln. Dabei respektiert der Staat die gesellschaftliche Bedeutung der Kirchen und ihr Wirken für das Gemeinwohl, indem er ihnen den Status von Körperschaften des öffentlichen Rechts zuerkennt. Mit der Anerkennung des Subsidiaritätsprinzip anerkennt der Staat die Pflicht, die freien Kräfte in der Gesellschaft nicht nur zu dulden, sondern sie bei ihrer Entfaltung aktiv zu unterstützen.

Unterhöhlt wird die klare Trennung zwischen Kirche und Staat durch den aktuellen Kirchenstaatsvertrag. Es sollte zum Beispiel nicht in der Verantwortung des Staates liegen, die Kirchensteuer einzutreiben. Andererseits vertrete ich die Auffassung, dass solange die Kirche als Institution Gelder vom Staat erhält, eine gleichwertige Unterstützung der anderen religiösen Institutionen in Deutschland zu erfolgen hat. Auf den Zentralrat der Juden trifft das bereits zu, aber zum Beispiel nicht auf den Zentralrat der Muslime, als Dachorganisation der meisten muslimischen Verbände.

Letztlich aber steht als Ziel die konsequente Trennung zwischen Kirche und Staat, auch in finanzieller Hinsicht. Das schließt dann gleichermaßen aus, dass missionarische Tätigkeiten durch finanzielle Mittel des Staates gefördert werden. Insofern halte ich es dann mit der modernen Gesellschaft – Public Relations kann jeder machen, solange sie nicht im Widerspruch zum Grundgesetz steht.

Mit freundlichen Grüßen

Jörn Wunderlich