Frage an Jörn Wunderlich von Holger R. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Wunderlich
Wenn Deutsche ins Ausland reisen, reichen oft wenige persönliche Angaben zum Erhalt eines Touristenvisa aus. Deutschland baut hingegen sehr hohe Hürden auf (Bsp. Nepal).
1. Durch Interviews wird die Rückkehrbereitschaft geprüft. „Die Rückkehrbereitschaft ergibt sich aus den Lebensumständen des Antragstellers, Kriterien hierfür sind u.a. eine gesicherte Existenzgrundlage und eine familiäre Verwurzelung im Heimatland.“ Als Prüfungskriterien werden diese Punkte herangezogen, aber auch Name, Wohnort, Beruf und familiäre Verhältnisse des Verpflichtungserklärenden in Deutschland. Einige der Kriterien finde ich bedenklich persönlichkeitsverletzend. Gern hätte ich den genauen Inhalt dieser Befragungen gewusst. Können Sie dies aufklären?
2. „Der Reisezweck muss vom Antragsteller eindeutig nachgewiesen werden.“ Weshalb reicht ein touristischer Aufenthalt, um Land und Leute kennenzulernen und Freunde zu treffen nicht aus? Wenn ich in nach Nepal einreisen möchte, genügt diese Angabe. Welche Hürde für Deutschlandreisende soll mit der Angabe eines detaillierteren Reisezwecks aufgebaut werden?
3. Wie können wir uns in Deutschland eine Beurteilung einer „gesicherten Existenzgrundlage“ in einem Land wie Nepal überhaupt erlauben? Nach dieser Sicht könnte tatsächlich doch kaum ein Mensch aus Nepal reisen. Ich lese hier: nur die Reichen oder die Menschen, die eine Lobby haben, dürfen nach Deutschland kommen. Ist das nicht Diskriminierung?
4. Lebensumstände: Hier gilt ebenfalls die Aussage: Was bitte schön sind Kriterien, mit denen wir die Lebensumstände in Nepal einschätzen können?
5. Familiäre Verwurzelung: Grund der Ablehnung ist z.B., dass eine Antragstellerin weder Kinder noch Ehegatten hat. Wenn dies bedeutet, dass Kinder und/ oder Ehegatten zu Hause gelassen werden müssen, um nach Deutschland einreisen zu können, dann hege ich berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit und Humanität deutscher Einreisepolitik.
[Anm. der Redaktion: Die Quelle für die angeführten Zitate ist laut Fragesteller: "Brief vom auswärtigen Amt vom 23.5.07 Geschäftszeichen: 509-516Vi"]
Sehr geehrter Herr Röhle,
vielen Dank für Ihre Email. Ihre Zweifel an der rechtmäßigkeit und Humanität deutscher Einreisepolitik teile ich in vollem Umfang. *In den Antwort auf Kleine Anfragen der Fraktion DIE LINKE. zur Praxis der Visumerteilung bzw. -verweigerung teilt die Bundesregierung zum Beispiel mit, dass eine Aussage darüber, in wie vielen Fällen der "illegale" Aufenthalt eines/r Ausländers/in auf den Missbrauch eines Visums zurückgeführt werden kann, nicht möglich sei. (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/4798 und 16/5546) * *Der Presseerklärung meiner Kollegin und innenpolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, dazu vom März dieses Jahres kann ich nur zustimmen, denn darin heißt es u.a.:**
*"Die Antwort der Bundesregierung ist überraschend. Jahrelang wurde suggeriert, durch den "Missbrauch" von Visa käme es zu massenhafter illegaler Einwanderung. Da Ausländerinnen und Ausländer die besterfasste und –überwachte Bevölkerungsgruppe sind, wurde dem allgemein Glauben geschenkt. Nun wird deutlich: Die Bundesregierung jagt Phantome. Denn zur Zahl der Migrantinnen und Migranten, die mit einem Visum eingereist und nach Ablauf des Visums (zunächst) nicht wieder ausgereist sind, liegen keine statistischen Angaben vor. Mutmaßungen über massenhaften „Missbrauch“ von Visa müssen dagegen seit Jahren als „Argument“ für Verschärfungen bei der Visumerteilung herhalten. Dabei hat auch der Visa-Untersuchungsausschuss keine derartigen belastbaren Erkenntnisse erbracht.
Die sonstigen Antworten der Bundesregierung täuschen darüber hinweg, dass die Gesetzeslage und Anwendungspraxis Ausländerinnen und Ausländer, die ihre Verwandten oder Bekannten in Deutschland besuchen wollen, viele Steine in den Weg legt. Entgegen den Empfehlungen von Verbänden sieht die Bundesregierung keinen Verbesserungsbedarf bei der Visumserteilung: Die "ausländerrechtliche Gefahrenabwehr" erstickt die Grundsätze der Reisefreiheit und Gastfreundschaft."
Auch ich bin der Auffassung, dass die von der Bundesregierung fixierten Voraussetzungen für Besuchsreisen in die Bundesrepublik nicht nur menschenverachtend und diskriminierend sind, sondern dass sie abgeschafft gehören.
Mit freundlichen Grüßen
Jörn Wunderlich