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Jörn Wunderlich
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Frage von Stefan L. •

Frage an Jörn Wunderlich von Stefan L. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Wunderlich,

soeben ist in sächsischen Justizkreisen durchgesickert, dass das Kabinett ein sog. Tischarbeitsblatt vorliegen hat, in dem ein Gesetzesentwurf diskutiert werden soll der Folgendes besagt:

1. Die Wochenarbeitszeit für Beamte des Freistaats Sachsen soll von 40 auf 42 Stunden erhöht werden.

2. Der Jahresurlaub für die Beamten soll um 5 Urlaubstage reduziert werden.

Nur zu Ihrer Information: Momentan gestaltet sich die Situation eines Richters bzw. Staatsanwalts in Sachsen wie folgt (trifft z.T. auch auf andere Beamte zu).

Wöchentliche Arbeitszeit: ca. 50 - 70 Wochenstunden inkl. mindestens 1 Tag Wochenendarbeit pro Woche ohne Überstundenausgleich.

Ständiger Abbau bzw. keine Neubesetzung von vakanten Stellen.

Verfassungswidrige Vorgaben vom Ministerium bzgl. Erledigungszahlen bei den Richtern zur Ausübung von Druck (diese schränken die richterliche Unabhängigkeit ein).

Enorm hohe Verantwortung im Beruf (es geht hier um Menschenschicksale!).

Massiver Rückgang des Reallohns der Justizbeamten und Richter in den letzten 15 Jahren (in der freien Wirtschaft sind die Reallöhne in den letzten 15 Jahren gestiegen). Eine verfassungskonforme Entlohnung der Richter ist nicht mehr gewährleistet. Ein Normenkontrollverfahren beim BVerfG ist anhängig.

Das Weihnachtsgeld wurde für das Jahr 2011 und die nachfolgenden Jahre gestrichen. Manche jungen Richter mit Partner und 3 Kindern stehen dadurch kurz vor Hartz IV. Die Landtagsabgeordneten haben sich vorher das Weihnachtsgeld gezwölftelt und per Parlamentsbeschluss als Gehaltsbestandteil auf ihr entsprechdes Monatgehalt umgelegt - damit nehmen die Landtagsabgeordneten in Sachsen nicht an der Weihnachtsgeldkürzung teil).

Wie in Sachsen mit den Beamten umgegangen wird ist nicht mehr tragbar! Die Justiz wird ihrer Handlungsfähigkeit mittlerweile immer mehr durch ihr eigenes Ministerium und durch die Verwaltung beraubt!

Können Sie hier von Seiten des Rechtsausschusses positiv einwirken?

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Lohr,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Sie beschrieben in Ihrer Mail eine für die sächsische Justiz geplante Anhebung der Wochenarbeitszeit und Kürzung des Jahresurlaubes und wiesen darauf hin, dass die derzeitige Arbeitsbelastung für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, sowie Richterinnen und Richter bereits sehr hoch sei. Des Weiteren beschrieben Sie einen massiven Rückgang des Reallohns der Justizbeamtinnen und Justizbeamten, sowie der Richterinnen und Richter in den letzten 15 Jahren. Sie fragten dann, ob von Seiten des Rechtsausschusses des Bundestages hier positiv eingewirkt werden könnte.

Zunächst muss ich Ihnen leider mitteilen, dass von Seiten des Rechtsausschusses des Bundestages keine konkreten Einwirkungsmöglichkeiten gegeben sind. Die Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse der Beamtinnen und Beamten, sowie der Richterinnen und Richter des Freistaates Sachsen fällt in die Gesetzgebungskompetenz des Freistaates Sachsen und nicht in die Gesetzgebungskompetenz des Bundestages. Dies ergibt sich aus Art. 70 Abs. 1 Grundgesetz (GG), wonach grundsätzlich die Länder das Recht der Gesetzgebung haben, soweit das GG nicht dem Bund Gesetzgebungskompetenzen verleiht.

Die Rechtsverhältnisse der Beamtinnen und Beamten, sowie der Richterinnen und Richter des Bundes fallen zwar nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 8 GG in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Für die Rechtsverhältnisse der Landes- und Kommunalbeamtinnen bzw. -beamten ist dies jedoch nicht der Fall. Nach Art. 98 Abs. 3 GG ist auch die Rechtsstellung der Richterinnen und Richter in den Ländern durch besondere Landesgesetze zu regeln, soweit Artikel 74 Abs. 1 Nr. 27 GG nichts anderes bestimmt.

Seit der Föderalismusreform I aus dem Jahre 2006 ist nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG nur der Bereich der Statusrechte und –pflichten der Beamtinnen und Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richterinnen und Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung Teil der konkurrierenden Gesetzgebung.

Von den Statusrechten und -pflichten umfasst sind das Wesen des Dienstverhältnisses, dessen Begründung und Beendigung, die Abordnung und Versetzung, die wesentlichen ihm zugehörigen Rechte und Pflichten, sowie die Folgen ihrer Nichterfüllung. Die Bundeseinheitlichkeit dieser Statusrechte und –pflichten soll eine länderübergreifende Mobilität der Bediensteten sichern (vgl. Bundestags-Drucksache 16/813, S. 8, 14).
Die Beamtenlaufbahn, Besoldung und Versorgung ist nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG jetzt ausdrücklich den Ländern vorbehalten und somit der vormalige Grundsatz bundeseinheitlicher Besoldung und Versorgung aufgegeben. Die Regelungen zu Arbeitszeit, Urlaubsanspruch und Besoldung sind nunmehr Ländersache. Dementsprechend ist der für die von Ihnen beschriebene Situation im Freistaat Sachsen zuständige Gesetzgeber der sächsische Landtag, nicht der Bundestag.

Folgende rechtliche Bestimmungen des Freistaates Sachsen sind in Ihrem Fall maßgeblich:

Anhebung der Wochenarbeitszeit:
Die Arbeitszeit für Beamtinnen und Beamte des Freistaates Sachsen richtet sich nach der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über die Arbeitszeit der Beamten des Freistaates Sachsen (kurz: Sächsische Arbeitszeitverordnung – SächsAZVO). Nach § 1 Abs. 1 S. 1 SächsAZVO beträgt die regelmäßige Arbeitszeit im Durchschnitt wöchentlich 40 Stunden.
Die Arbeitszeit der Richterinnen und Richter im Dienste des Freistaates Sachsen richtet sich nach § 3 Richtergesetz des Freistaates Sachsen (SächsRiG) in Verbindung mit § 91 Abs. 1 SächsBG ebenfalls nach der SächsAZVO. Nach § 3 SächsRiG gelten für die Rechtsverhältnisse der Richterinnen und Richter die Vorschriften für Beamtinnen und Beamte des Freistaates Sachsen entsprechend, soweit das Deutsche Richtergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. April 1972 (BGBl. I S. 713), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11. Juli 2002 (BGBl. I S. 2592), in der jeweils geltenden Fassung, und das SächsRiG nichts anderes bestimmen. Da dort keine anderweitigen Regelungen erlassen wurden, gelten also die entsprechenden Vorschriften für Beamtinnen und Beamte des Freistaates Sachsen, mithin die SächsAZVO.

Kürzung des Jahresurlaubes:
Die Dauer des Erholungsurlaubes für Beamtinnen und Beamte, sowie Richterinnen und Richter des Freistaates Sachsen richtet sich nach der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über den Urlaub der Beamten und Richter im Freistaat Sachsen (Sächsische Urlaubsverordnung – SächsUrlVO). Die Dauer des Erholungsurlaubes richtet sich nach § 2 SächsUrlVO und beträgt derzeit 26 Arbeitstage bis zum vollendeten 30. Lebensjahr, 29 Arbeitstage bis zum vollendeten 40. Lebensjahr und 30 Arbeitstage ab vollendetem 40. Lebensjahr.

Besoldung:
Das Sächsische Besoldungsgesetz (SächsBesG) regelt die Besoldung der Beamtinnen und Beamten, sowie Richterinnen und Richter des Freistaates Sachsen, vgl. § 1 SächsBesG. Gem. § 17 Abs. 1 SächsBesG gelten das Bundesbesoldungsgesetz in der Fassung Bekanntmachung vom 6. August 2002 (BGBl. I S. 3020), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 19. Juli 2007 (BGBl. I S. 1457, 1458), mit Ausnahme von § 14 Abs. 2 bis 4, § 33 Abs. 3, §§ 35, 84 Abs. 3 und § 85, sowie die aufgrund des Bundesbesoldungsgesetzes erlassenen Verordnungen als Landesrecht fort.

Wenn Sie beschreiben, dass die wöchentliche Arbeitszeit einer Richterin oder eines Richters bzw. einer Staatsanwältin oder eines Staatanwaltes in Sachsen ca. 50 - 70 Wochenstunden inkl. mindestens 1 Tag Wochenendarbeit pro Woche ohne Überstundenausgleich beträgt, so ist das alarmierend. Dennoch ist es Sache der Länder, in diesem Falle des Freistaates Sachsen, hier Veränderungen zu bewirken. Der Bundestag ist an die grundgesetzliche Kompetenzordnung gebunden und kann hier nicht tätig werden.

Gleichwohl besteht im Bereich der Justiz in vielerlei Hinsicht Reformbedarf, was nicht zuletzt durch solche Arbeitsverhältnisse, wie die beschrieben zum Ausdruck kommt. Die Bundestagsfraktion DIE LINKE. berät derzeit einen Entwurf für eine Justizstrukturreform, die insbesondere die Selbstverwaltung der Justiz stärken soll, um deren Rolle als dritter, rechtsprechender Gewalt im Staate gerecht zu werden. Auch die Arbeitszeitbestimmungen, bzw. Pensen der Richter wären dann Gegenstand dieser Selbstverwaltung. Somit könnten innerhalb der Justiz sinnvolle Entscheidungen aus nächster Nähe getroffen werden, welche nicht primär den Einsparungszielen eines Bundeslandes unterworfen wären.

Mit freundlichen Grüßen

Jörn Wunderlich