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Frage von Jürgen G. •

Frage an Jörn Wunderlich von Jürgen G. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Wunderlich

Ihre Rede vom 24.4.08 zum "Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls" scheint nur unzulänglich auf das Rechtschutzbedürfnis der Eltern und Kinder bei "normalen" Verfahren bei Trennung und Scheidung einzugehen. Es vermittelt den Eindruck, es wäre immer der Dritte Mann vom Jugendamt am Tische der Eltern notwendig. Weiter wird vermittelt, das das Jugendamt sich in jedwedes Verfahren dahingehend einmischen kann und Akteneinsicht erhalten kann, noch bevor eine Justiz einen Beschluss gefasst hat.

Nun liegen bei den Akten auch "Gutachten" von irgendwem. Diese Gutachten müssen ja nicht auf Basis wissenschaftlicher Standards erstellt worden sein und können so über wahre Tatsachen hinwegtäuschen, ja sie können gar nur deshalb erstellt worden sein um in den Genuss der Entschädigung zu kommen.

Können Sie sich vorstellen,
im Rahmen der Qualitätsicherung und zum Schutz der Richter und Jugendamt vor unwissenschaftlichem Zeug eine Inhaltliche Kontrolle im Rahmen der Kostenansatzbeschwerde vorzusehen? Und wenn das "Gutachten" keine wissenschaftliche Leistung ist, dem Gutachter die Auszahlung zu versagen?

Damit könnte auch das Jugendamt vor falschen Informationen geschützt werden!

Hochachtungsvoll

Jürgen Görg

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Görg,

vielen Dank für Ihre Email, deren durch ein Büroversehen verspätete Beantwortung ich zu entschuldigen bitte. Das Gericht entscheidet in Kindschaftssachen nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG).

Gemäß § 37 FamFG ist Grundlage der gerichtlichen Entscheidung die nach freier, aus dem gesamten Inhalt des Verfahrens gewonnene Überzeugung des Gerichtes, wobei es diese - als Ausfluss des Anspruchs auf rechtliches Gehör - nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse (§§ 29, 30 FamFG) stützen darf, wenn die Beteiligten sich dazu äußern konnten. Grundsätzlich gilt in Kindschaftssachen der Freibeweis, §§ 111, 113 i.V.m. § 29 FamFG. Soweit eine Tatsache von erheblicher Bedeutung ist, soll das Gericht jedoch nach § 30 I, III FamFG im Strengbeweisverfahren nach der Zivilprozessordnung Beweis erheben. Dazu können auch die benannten Gutachten gehören, die dann durch einen Sachverständigen nach §§ 402 ZPO zu erbringen wären.

Vor diesem Hintergrund dürfte es keine Fälle geben, in denen ein Gericht Entscheidungen auf "unwissenschaftliches Zeug" stützt. Andernfalls wäre die Entscheidung jedenfalls durch Rechtsmittel angreifbar.

Ihre Frage, ob ich mir vorstellen könnte, im Rahmen der Qualitätssicherung und zum Schutz von Richtern und Jugendamt vor unwissenschaftlichem Zeug eine Inhaltliche Kontrolle im Rahmen der Kostenansatzbeschwerde vorzusehen - und wenn das "Gutachten" keine wissenschaftliche Leistung ist, dem Gutachter die Auszahlung zu versagen, kann ich dahingehend bejahen, dass ich in meiner Praxis als Richter bisher nur einmal gegenüber einem Gutachter eine derartige Entscheidung habe treffen müssen.

Mit freundlichen Grüßen

Jörn Wunderlich