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Jörn Wunderlich
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Frage von Nico R. •

Frage an Jörn Wunderlich von Nico R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Wunderlich!

Ich würde gern wissen, wie Sie aus Sicht eines Richters zur gängigen Rechtspraxis in der Drogenproblematik stehen. Da Sie Mitglied der Linken sind, schätze ich dass Sie eher progressiv denken.
Gerade zum Thema Hanf habe ich ein paar Fragen:

1.
Was halten Sie von dem Fakt, dass die "geringe Menge" in den meisten Bundesländern unterschiedlich geregelt ist? Das BVerfG hat schon 1994 (!) eine bundeseinheitliche Regelung gefordert. Scheinbar interessiert das aber die Machthabenden Politiker nicht. Das nenne ich mal Demokratie...
2.
Halten Sie als Richter die Kriminalisierung von Hanf-Konsumenten für in Ordnung?

Zudem habe ich noch eine weitere Frage:
Der Konsum von Hanf ist an sich ja kein Vergehen, erst der Besitz. (Handel, usw.)
Nun habe ich gehört, dass wenn einem der Joint zum Gebrauch überlassen wird, er einem selbst nicht gehört und man sich deshalb nicht strafbar macht.
Dies habe ich allerdings auch anders gehört - sobald man über etwas eine "Allmacht" o.ä.
hat, besäße man es auch im juristischen Sinne und mache sich dadurch beim Joint Rauchen strafbar, auch wenn der Joint einer anderen Person gehöre.
Was ist nun richtig und wie sieht die gängige Rechtssprechung an Ihrem Gericht aus?

Mit freundlichen Grüßen, Nico Rudolph.

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DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Rudolph,
vielen Dank für Ihre Email. Ihre Fragen beantworte ich wie folgt:

1. Was halten Sie von dem Fakt, dass die "geringe Menge" in den meisten Bundesländern unterschiedlich geregelt ist? Das BVerfG hat schon 1994 (!) eine bundeseinheitliche Regelung gefordert. Scheinbar interessiert das aber die Machthabenden Politiker nicht. Das nenne ich mal Demokratie...

Es ist dringend erforderlich einheitliche Regelungen zu schaffen und die entsprechenden Verwaltungsvorschriften auf Länderebene zu verabschieden, um Rechtssicherheit zu gewährleisten.

2. Halten Sie als Richter die Kriminalisierung von Hanf-Konsumenten für in Ordnung?
Die Kriminalisierung des Drogenkonsums ist nicht zu rechtfertigen. Präventionspolitisch ist die Kriminalisierung ein gescheiterter Weg. Wissenschaftlich belegt ist die medizinische Nutzung und therapeutische Wirkung von Cannabisprodukten.

Konsumenten illegaler Drogen werden gegenüber Konsumenten legaler Drogen diskriminiert. Die Prohibition widerspricht dem Konzept mündiger Bürger und ihrer Selbstbestimmungsrechte und zeichnet darüber hinaus ein Kriminalitätsbild in der Bevölkerung, das der Realität nicht mehr entspricht. Die völkerrechtliche Ächtung von Cannabis ist ein weltweit gescheiterter Weg und hält die Drogenmafia am Leben.
Ich denke, ein Weg wie in Holland, ist auch für Deutschland machbar.

Zudem habe ich noch eine weitere Frage:
Der Konsum von Hanf ist an sich ja kein Vergehen, erst der Besitz. (Handel, usw.) Nun habe ich gehört, dass wenn einem der Joint zum Gebrauch überlassen wird, er einem selbst nicht gehört und man sich deshalb nicht strafbar macht. Dies habe ich allerdings auch anders gehört - sobald man über etwas eine "Allmacht" o.ä. hat, besäße man es auch im juristischen Sinne und mache sich dadurch beim Joint Rauchen strafbar, auch wenn der Joint einer anderen Person gehöre. Was ist nun richtig und wie sieht die gängige Rechtssprechung an Ihrem Gericht aus?

Besitz als solches heißt juristisch „ Ausüben der tatsächlichen Sachherrschaft.“
Es gibt die Meinung, dass das Rauchen bzw. Inhalieren, ähnlich wie das Essen, die stärkste Form des „An sich Bringens“ ist.

D.h. in dem Moment, in welchem der Joint in Händen gehalten wird, hat man ihn in Besitz genommen.
Die Grenzen sind hierbei jedoch fließend. Aus meiner beruflichen Tätigkeit als Jugendrichter sind mir kaum Fälle erinnerlich, in welchen Haschischraucher allein aufgrund des Rauchens wegen Verstoßes gegen das BtmG angeklagt worden sind.

Für weitergehende Gespräche stehe ich gerne auch persönlich zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Jörn Wunderlich